» Veröffentlicht am
29. April 2022
Prof. Dr. Maximilian Benz – Dein Weg zu hybrider Lehre
Professor Dr. Maximilian Benz
Ich hatte das Vergnügen mit Prof. Dr. Maximilian Benz zu sprechen. Wir reden über die Umstellung zu digitaler und hybrider Lehre, wie
der Sprung ins kalte Wasser gelungen ist und was der Qualitätsfonds der
Universität Bielefeld damit zu tun hat.
Birte Stiebing: Hallo!
Wir fangen einfach an: Wer bist du und was machst du an der Universität
Bielefeld?
Maximilian Benz:
Mein Name ist Maximilian Benz. Ich bin Professor für Deutsche Literatur des
Mittelalters und der frühen Neuzeit und ich bin seit 2020 an der Universität
Bielefeld. Mein Fach ist eingebunden in die Germanistik und dort der dritte
Fachteil neben der neueren deutschen Literaturwissenschaft und der
Sprachwissenschaft. In der Lehre beschäftige ich mich vor allem mit
Bachelor-Veranstaltungen, aber auch mit einigen Veranstaltungen im Master und
ich biete auch ein Forschungskolloquium an.
BS: Wie bereitest du dich
klassischerweise auf eine Lehrveranstaltung vor?
MB: Das hängt sehr
stark vom Format ab. Bei Seminaren kommt es eher darauf an, dass man einen
groben Fahrplan hat, der einem hilft, die 90 Minuten so zu strukturieren, dass
einerseits eine Diskussion in Gang kommen kann, andererseits aber auch auf ein
Ergebnis hingearbeitet wird. Der Wechsel zwischen Stimulieren einer Diskussion
und Ergebnissicherung ist also ausschlaggebend.
Bei einer Vorlesung ist es etwas anders. Da kommt es darauf
an, 90 Minuten mehr oder weniger frei einen Inhalt zu referieren – und das
möglichst klar. Da steht dann erst einmal die Aufteilung des zu vermittelnden
Stoffs im Vordergrund, dann die Gestaltung der Folien und das Suchen von
konkreten Beispielen. Die Interaktion, die für die Seminargestaltung wichtig
ist, fällt also weitestgehend weg. Dafür hat man bei der Vorlesung dann eben
andere Formate, die zur Aktivierung der Studierenden beitragen sollen.
„Die Umstellung auf digitale Lehre kam wirklich über Nacht. Das war eine ziemlich kalte Dusche“
BS: Auch du musstest
2020 auf digitale Lehre umstellen, was waren deine ersten Erfahrungen damit?
MB: Es hat mich
sogar besonders hart getroffen! Als das losging im Frühjahr 2020, war ich noch
an der Universität Zürich in der Schweiz und dort hatten wir andere
Semesterzeiten. Das heißt, das Semester begann im Februar in Präsenz, noch ohne
Einschränkungen. Die Umstellung auf digitale Lehre kam wirklich über Nacht. Das
war eine ziemlich kalte Dusche, hat aber insofern ganz gut funktioniert, als
ich von Anfang an nicht das Gefühl hatte, jetzt 90 Minuten einfach in den
digitalen Raum verschieben zu müssen, sondern das aufbrechen zu können und zu
müssen. Ich habe dann selbst Podcasts aufgenommen. Das war am Anfang technisch
schwierig für mich, das muss ich zugeben. Es ging aber immer besser und
schneller mit der Zeit. Damit konnte ich die 90 Minuten so aufteilen, dass sich
die tatsächliche Diskussion in der Gruppe auf 45 Minuten beschränkt hat. Die
Studierenden konnten einen Teil asynchron selbst machen.
BS: Das hast du direkt so umsetzen können?
MB: Ja, also am
Anfang dauerte die Erstellung eines 15-minütigen Podcast schon mehrere Stunden.
Ich musste das auch erst mal lernen. Das Einsprechen der Tonspur ist, wenn man
das gar nicht gewohnt ist, schwierig. Dann verspricht man sich, nimmt das noch
mal auf, dann passt das auf einmal alles nicht mehr zusammen. Das war schon
ziemlich hart.
Aber das wurde im Verlauf des Semesters besser, und es war
in der Retrospektive vielleicht auch ein Segen, dass das so über Nacht ging,
denn dadurch war sofort klar, man muss jetzt hier diversifizieren. Es war
gezwungenermaßen ein Fahren auf Sicht, aber dafür war die Rückmeldung auch
unmittelbar.
BS: Wie konntest du deine
Studierenden in so einer Situation wieder aktivieren?
MB: Das war in dem
ersten Semester insofern kein Problem, als ich sie alle noch aus der
Präsenzlehre kannte. Wir waren uns also alle in Zürich im Hörsaal schon
begegnet und kannten uns mit Namen – das ist eine ganz andere Voraussetzung,
als ich sie dann in Deutschland hatte. Auch wenn ich fairerweise sagen muss,
dass es ja im Wintersemester 2020 / 21 zuerst noch mit hybrider Lehre losging,
die dann aber doch sehr schnell eingestellt wurde wegen der Infektionsrate zu
der Zeit.
Die Voraussetzung ist einfach eine andere, wenn man die
Gruppe schon persönlich kennt, und das würde ich – wenn möglich – immer
mitnehmen, dass man sich auch schon mal direkt im Hörsaal getroffen hat. Dann
digital weiter zu arbeiten ist eine andere Situation als direkt digital zu
starten. Dann kennt sich eigentlich niemand so richtig in dieser
„Kachelkommunikation“.
„Eine meiner ersten Amtshandlungen war ein Antrag beim Qualitätsfonds“
BS: Seit dem
Wintersemester 2020 / 21 bist du nun an der Universität Bielefeld, richtig?
MB: Genau und eine
meiner ersten Amtshandlungen war ein Antrag beim Qualitätsfonds (lacht). Die Einführungsvorlesung in die
Mediävistik, die ich übernommen habe, war schon vor der Umstellung auf digitale
und hybride Lehre schwierig, weil wir hier von einer Gruppe von meist über 200
Leuten im Wintersemester reden. Da war die Aktivierung der Studierenden im
alten Modus schwierig genug, wie ich von meinem Vorgänger weiß und selbst auch
schon erlebt habe, als ich die Vorlesung vertretungsweise 2018 / 19 gemacht
hatte. Das Problem der Studierendenaktivierung war also schon immer da und
wurde durch die Digitalität noch mal verschärft.
BS: Du hast den Qualitätsfonds grad angesprochen. War das deine erste Lehrveranstaltung, für
die du dich dort beworben hast?
MB: Ja, genau. Als
ich gehört habe, dass sich die Problematik durch die Digitalität verstärkt hat,
habe ich diesen Antrag an den Qualitätsfonds gestellt, auch mit Blick darauf,
dass mir die Studienleistungen noch in sehr negativer Erinnerung waren. Das war
einfach sehr viel Korrekturarbeit mit wenig Ertrag und auch für die
Studierenden wenig hilfreich. Da kam ich dann auf die Idee, das Format der
Studienleistung zu nutzen, um die Studierenden auch zu aktivieren. Eben mit
Podcasts. Die Studierenden haben in Gruppenarbeit Folien erstellt und einen
Podcast dazu produziert.
BS: Würdest du das
Prinzip so weiterführen, wenn die Vorlesung in Präsenz stattfindet?
MB: Das würde ich
auch so weiterführen, wenn die Lehrveranstaltung in Präsenz stattfindet, was
ich jetzt im Sommersemester ja tun werde, obwohl wir gerade atemberaubende
Infektionszahlen sehen. Wie wir damit dann umgehen, sind dann die praktischen
Probleme des Sommersemesters, die wir angehen werden. Aber grundsätzlich finde
ich das sehr gut, die Vorlesung in Präsenz zu halten, aber digitale Elemente
als Unterstützung zu nutzen. Ein großer Vorteil ist zum Beispiel, dass
Studierende als Gruppen mithilfe von Zoom einfacher zusammenarbeiten können.
Bei studentischen Arbeitsgruppen, die für Lehrveranstaltungen gebildet werden,
war die Terminfindung früher immer sehr schwierig. Zum Teil kamen dann nur
manche, andere wieder nicht. Ich glaube, gerade da kann man auch dazu
beitragen, dass solche Diskussionsgruppen, die neben einer Präsenzveranstaltung
stattfinden, einfacher organisiert werden können.
BS: Was nimmst du noch
mit von den Erfahrungen, die du in den letzten Semestern gemacht hast? Lässt
sich da noch mehr auf die Präsenzlehre übertragen?
MB: Für mich war
ganz wichtig, dass man Studierende dazu bringt, dass sie in Kleingruppen miteinander
arbeiten. Und dazu braucht es Formate, die dann auch eine Verbindlichkeit mit
einbeziehen. Wenn man sagt „Setzt euch zusammen und tauscht euch aus“, dann
machen das manche, manche aber auch nicht. Die Struktur und die Sicherung des
Austausches sind wichtig. Das darf sich aber nicht negativ auf die Durchführung
der Vorlesung auswirken. Das muss also ordentlich geplant werden und die
Studierenden brauchen natürlich auch genügend Feedback. Damit das Ganze nicht
zerfasert und sich zu lang hinzieht, ist eine Zeit von gut zwei Wochen meiner
Meinung nach ein reeller Rahmen. In unserem Fall haben wir in der Zeit zwei
Feedbackschleifen eingebaut – einmal von der Dozierendenseite und einmal
bekommen die Studierenden durch ihre Kommiliton*innen Feedback. Das ist ein
System, das sich auch in Präsenz bewähren wird.
BS: Haben sich deine
Erwartungen an den Qualitätsfonds in der Hinsicht erfüllt?
MB: Ich finde den
Qualitätsfonds sehr gut, weil es eine niedrigschwellige Fördermaßnahme ist.
Außerdem gibt es einen Austausch mit anderen Dozierenden, sodass man
voneinander lernen kann. Man muss in der Lehre ja nicht jedes Mal das Rad neu
erfinden, je nach Problemlage lassen sich bestimmte Kniffe anderer Lehrpersonen
einfach übernehmen und dafür ist der Qualitätsfonds mit dem Austausch ja auch
da.
Perspektivisch könnte ich mir noch gut vorstellen, dass man
eine Datenbank hat, die die Ergebnisse aufbereitet, sodass man auch im
Nachhinein alles zur Verfügung hat und sich einen kleinen Schatz aufbaut, auf
den auch andere an der Universität zugreifen können.
BS: Was rätst du
Studierenden, die an einer hybriden Lehrveranstaltung teilnehmen?
MB: Sie sollten,
wenn möglich, den Präsenzanteil, den es gibt, auch nutzen. Ich bin kein
„Präsenz-Fetischist“, gerade in der Forschung und bei Forschungskolloquien ist
die Digitalität ein Segen, wenn Leute von überall her einen Vortrag diskutieren
können, ohne groß reisen zu müssen. Da finde ich das hybride Format auch dank
der technischen Ausstattung, die in Bielefeld ja mit den Geräten mustergültig
vorhanden ist, wirklich zielführend.
Bei Studierenden kommt es dann darauf an. Hybrid kann
wirklich nützlich sein für Personen, die aufgrund einer Isolation nicht an die
Uni gehen können oder durch andere Verpflichtungen den Weg nicht auf sich
nehmen können. Es gibt dann aber diese Teilung der Kohorte, die für Studierende
und Lehrende schwierig ist. Das kann manchmal wie ein „digitaler Katzentisch“
sein. Wenn man allein vor Zoom sitzt, ist man auf sich selbst zurückgeworfen
und die Überwindung ist größer, sich zu melden, wenn man mal was nicht
versteht. Das Entlastende der Gemeinschaft fehlt. Gerade jungen Studierenden
würde ich raten, so viele Präsenzangebote wie möglich wahrzunehmen und das
Digitale als tolle Ergänzung zu nutzen, für zusätzliche Gruppentreffen, als
Rekapitulation oder als Lösung, wenn man sonst gar nicht teilnehmen könnte.
Weiter fortgeschrittene Studierende im Master haben da schon
wieder ganz andere Voraussetzungen. Wenn man dann schon in eingespielten Teams
arbeitet und sich untereinander gut kennt, ist es unproblematischer, in den
digitalen Raum zu wechseln.
Also: gerade am Anfang, um ein Gefühl für das Studium zu
bekommen, auch für die Interaktion mit anderen Studierenden ist es meiner
Meinung nach wichtig, die Präsenzangebote wahrzunehmen.
„Gerade jungen Studierenden würde ich raten, so viele Präsenzangebote wie möglich wahrzunehmen“
BS: Was rätst du
Lehrkolleg*innen, die ebenfalls hybride Lehrveranstaltungen planen oder
digitale Elemente in ihrer Lehrveranstaltung einbinden wollen?
MB: Also digitale
Elemente im Sinne der Aktivierung würde ich unbedingt einbinden, wo es geht und
didaktisch sinnvoll ist. Die Studienleistung bietet sich dafür einfach sehr an.
Außerdem würde ich versuchen, irgendwie auf dieses Gefälle
zwischen Präsenzkohorte und Digitalkohorte zu antworten. Die Digitalkohorte
muss anders aktiviert werden, weil die nicht im Hörsaal sitzt. Da muss man sich
eine didaktische Herangehensweise überlegen. Man kann es beispielsweise so
machen, dass die per Zoom zugeschalteten Studierenden eine extra Begrüßung
bekommen, bevor die Vorlesung offiziell beginnt. Dann kann man sie bitten, die
Kameras auch kurz anzumachen, was während der Vorlesung nicht bei allen so
praktikabel ist. So hat man die Digitalgruppe am Anfang direkt angesprochen und
integriert.
BS: Das ist ja direkt
ein guter Tipp, den du lieferst! Letzte Frage: Was machst du, um für die Lehre
wieder Kraft zu tanken?
MB: Zwei Sachen.
Ich koche sehr gerne und das hat für mich auch was mit Wissenschaft zu tun.
Wissenschaft ist eigentlich eine Kunst (im Sinne der lateinischen ars).
Also jedenfalls die Geisteswissenschaft ist eine Kunst. Die lernt man nicht,
indem man bestimmte Techniken und Tools beherrscht und die dann bedienen kann,
vielmehr schaut man sich eine fallbezogene Auseinandersetzung mit einem Problem
von einem/einer „Meister*in“ an und versucht, das zu adaptieren. Und genauso
ist es beim Kochen ja auch, aber es ist ein ganz anderes Feld. Es ist aber sehr
viel sinnlicher, man hat das Ergebnis auch viel schneller und es spricht einen
dann auch ganz anders an als ein gedruckter Text. Insofern, finde ich, ist
Kochen ein sehr, sehr guter Ausgleich. Genauso wie Sport. Ich mache Kraftsport
und da denke ich auch oft an die Aufgaben der Studierenden, denn beim Kraftsport
gilt die Regel „Progression vor Perfektion“. Man versucht also immer ein Stück
weiter zu kommen, ein bisschen mehr Gewicht zu schaffen oder den
Bewegungsablauf ein bisschen besser zu koordinieren. Dieses Ethos, dass man die
beständige Progression wertschätzen lernt, das möchte ich meinen Studierenden
immer wieder vermitteln.
BS: Danke für deine
Zeit!
MB: Sehr gerne!
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