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inno.teach - Kategorie Lehre im Porträt

Was macht gute Lehre aus? Ein Interview mit Dr. Almut von Wedelstaedt

Veröffentlicht am 26. Oktober 2023

Was macht gute Lehre aus? Dies ist eine der zentralen Fragen des inno.teach Blogs und wer könnte diese besser beantworten als Lehrende selbst? Wir haben daher mehrere Lehrende der Universität Bielefeld zu ihren Erfahrungen in der Lehre befragt. Lesen Sie hier ihre vielfältigen Perspektiven!

Dr. Almut von Wedelstaedt 

Interview mit Dr. Almut von Wedelstaedt

Was macht für Sie gute Lehre aus? Was gehört dazu? Was sollte vermieden werden?

Gute Lehre an der Universität in Philosophie besteht in meinen Augen darin, dass Lehrende und Studierende zusammen philosophisch arbeiten, indem sie Themen besprechen, Fragen und Probleme aufwerfen, Lösungen debattieren, Texte lesen, interpretieren, diskutieren, Thesen aufstellen, für und gegen sie argumentieren und das alles gemeinsam tun. Meine Ideen sind nicht prinzipiell besser als die Ideen der Studierenden, die Vorschläge der Studierenden nicht grundsätzlich schlechter als meine. Ich habe allerdings einen Erfahrungsvorsprung. Mit dem gilt es umzugehen, indem die Studierenden nach und nach an dieses gemeinsame philosophische Tun herangeführt werden. Ich darf – bei allem Abbau von Hierarchien – nicht erwarten, dass sie das schon können oder es ihnen einfach zufliegt. Ich muss sie vielmehr darin unterstützen, es zu lernen. Das ist meine Aufgabe. Allerdings glaube ich, dass man dieses Tun am Besten lernt, indem man einfach damit anfängt und dann immer wieder innehält und darüber reflektiert, was gerade passiert. Wenn das gelingt, handelt es sich in meinen Augen um gute Hochschullehre in Philosophie, die es Studierenden ermöglicht, zu guten Philosoph*innen zu werden.

Wie begeistern Sie Studierende für das, was Sie lehren?

Indem ich erstens selbst begeistert von den Themen und Texten bin, die ich lehre. Wenn mich selbst fasziniert, worum es in einer Lehrveranstaltung geht, kann ich diese Faszination weitergeben. Sie drückt sich einfach selbstverständlich in dem aus, worüber ich rede, und steckt so zumindest manchmal Studierende an. Zweitens nehme ich Studierende immer und jederzeit ernst. Lehre und Lernen sind in meinen Augen ein gemeinsames Projekt von Lehrenden und Studierenden, in dem beide Seiten Verantwortung tragen. Zu meiner Verantwortung als Lehrender gehört es u.a. – weil ich den bereits angesprochenen Erfahrungsvorsprung habe –, die Studierenden darin zu unterstützen, ihre Verantwortung für ihr Studieren zu erkennen und zu übernehmen. Dann aber müssen sie eigene Entscheidungen treffen und selbst Verantwortung übernehmen. Ich kann ihnen erklären, warum ich es für sinnvoll und wichtig halte, dass sie regelmäßig am Seminar teilnehmen. Aber sie selbst entscheiden, wie wichtig es ihnen ist. Ich rede mit ihnen darüber und initiiere auch Gespräche der Studierenden untereinander über solche Erwartungen, aber ich überlasse die Verantwortung letztlich jedem*r Einzelnen. Ein anderes Beispiel für das Ernstnehmen ist, dass ich versuche, Studierende darin zu unterstützen, ihre Themen zu finden und zu bearbeiten. Es gibt natürlich auch Studierende, die mehr oder weniger zufällig in der Philosophie landen. Aber viele entscheiden sich sehr bewusst dafür, Philosophie zu machen. Ich versuche, solche Motivationen zu fassen zu bekommen und davon ausgehend z.B. Hausarbeitsprojekte zu planen, die die Interessen der Studierenden treffen. Das ist nie das einzige Kriterium bei der Entscheidung für ein Thema, es geht natürlich auch darum, dass Fragen gut im Rahmen einer Prüfungsleistung bearbeitbar sind usw. Aber mir ist wichtig, dass die Studierenden mit ihren Interessen auch vorkommen und dass sie selbst sich als Personen sehen, deren Interessen und Ideen in der Philosophie eine Rolle spielen.

Wie haben Sie während der letzten Jahre Ihren Unterricht auf den digitalen Raum umgestellt? Was haben Sie dabei gelernt und gibt es etwas, was sie für die Zukunft beibehalten wollen?

Abgesehen von der reinen Umstellung von analoge auf digitale Präsenz durch Zoomkonferenzen habe ich angefangen, verschiedene digitale Tools zu nutzen, die ich vorher kaum auf dem Schirm hatte. Einiges davon behalte ich bei, z.B. eine intensive Nutzung der Moodlekurse, etwa für die Vor- und Nachbereitung von Sitzungen, zusätzliche Möglichkeiten von Studienaktivitäten und die Kommunikation mit Studierenden. Zudem thematisiere ich in meiner Lehre verstärkt den aktuellen digitalen Wandel der Welt, indem wir etwa diskutieren, welche Änderungen Large Language Models wie ChatGPT für das philosophische Arbeiten mit sich bringen oder ob man philosophische Inhalte auf Instagram so präsentieren kann, dass sie noch etwas mit dem zu tun haben, was wir an der Uni besprechen. Das ist in meinen Augen wichtig, um nicht aus dem Blick zu verlieren, dass Philosophie mit dem Alltag zu tun hat und außerhalb der Uni eine Rolle spielen kann. Ehrlich gesagt habe ich bei aller Offenheit gegenüber digitaler Lehre und Elementen des Digitalen in der Lehre in der Pandemie aber auch gelernt, dass manches in analoger Präsenz einfach besser und schöner ist. Für das philosophische Tun zentral ist der interaktive argumentative Austausch zwischen Menschen. Das geht in analoger Präsenz am allerbesten, weil dort alle Kommunikationskanäle gleichzeitig zur Verfügung stehen. Es kann sehr gute Gründe geben, diesen Austausch ins Digitale zu verlegen oder ihn hybrid zu gestalten. Aber das ist nur in Teilen ein Ersatz für das lebendige Präsenzseminar.

Was sehen Sie als Herausforderungen für die akademische Lehre in der Zukunft an?

Es gibt ziemlich viele Herausforderungen: eine wachsende Diversität der Studierenden; den Druck, sich im Wettbewerb der Universitäten zu behaupten; die Notwendigkeit, sich mit den Veränderungen auseinanderzusetzen, die der digitale Wandel mit sich bringt; die Probleme, die der Klimawandel und das Leben in einer globalen Welt in allen Lebensbereichen mit sich bringen; die Frage, wie sich Forschung und Lehre zueinander verhalten sollen; das Problem, Studierende gleichzeitig auf akademische und außerakademische Karrieren vorzubereiten; die Schwierigkeit, ein Studium so zu gestalten, dass es zugleich eine Ausbildung für alle ermöglicht, aber auch eine persönliche Bildung für jede*n einzelne*n Studierenden usw. Ich sehe aber keine dieser Herausforderungen als absolut neu und umstürzend an. Akademische Lehre musste sich immer Herausforderungen stellen und wird auch diese und zukünftige gut meistern, solange Lehrende sich dieser Herausforderungen bewusst sind und ihnen die Zeit gelassen wird, sich damit überlegt auseinanderzusetzen.

Was machen Sie am liebsten mit Ihren Studierenden?

Philosophie. Am allerschönsten ist es, wenn wir im Seminar gemeinsam ein sachliches Problem zu fassen bekommen und darüber diskutieren, wie es zu lösen sein könnte oder wie man es zumindest besser verstehen kann, und wenn davon alle Beteiligten intensiv gepackt sind und mitdenken und -sprechen.

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Gesendet von LKäppele in Lehre im Porträt

Was macht gute Lehre aus? Ein Interview mit Dr. Nele Röttger

Veröffentlicht am 28. September 2023

Was macht gute Lehre aus? Dies ist eine der zentralen Fragen des inno.teach Blogs und wer könnte diese besser beantworten als Lehrende selbst? Wir haben daher mehrere Lehrende der Universität Bielefeld zu ihren Erfahrungen in der Lehre befragt. Lesen Sie hier ihre vielfältigen Perspektiven!

Dr. Nils Cordes 

Interview mit Dr. Nele Röttger

Was macht für Sie gute Lehre aus? Was gehört dazu? Was sollte vermieden werden?

Entscheidend für gute Lehre ist Offenheit. Es ist wichtig, offen gegenüber den Studierenden zu sein und sich von dem, was sie denken, überraschen zu lassen. Ebenso wichtig ist es, offen gegenüber sich selbst zu sein, um die eigene Lehre wertschätzen und weiterentwickeln zu können.

Ein weiterer Aspekt, der mir sehr wichtig erscheint, ist Klarheit. In der Philosophie ist es oft gar nicht so einfach, die Dinge klar und präzise zu benennen. Gerade vor diesem Hintergrund sollte man transparent machen, an welchen Stellen in der Diskussion etwas unklar bleibt (vielleicht auch bleiben muss, weil es beispielsweise die Textgrundlage nicht hergibt, mehr Klarheit zu gewinnen) und welche Aspekte man gemeinsam klar herausarbeiten konnte. Hierzu gehört auch, die Studierenden einzuladen, ihre Fragen oder ihre Zweifel zu formulieren.

Beide Punkte, die ich genannt habe, sind hehre Ziele, die man nicht immer leicht erreichen kann. Deshalb sollte auch eine Portion Humor nicht fehlen, dann lebt es sich leichter damit, wenn Lehre mal nicht so gut gelingt. Schließlich ist jede Lehrveranstaltungseinheit ein neues Wagnis, bei dem Erfahrung zwar hilft, für das es aber kein Patentrezept gibt.

Vermieden werden sollte meines Erachtens, dass man einem zuvor entwickelten Plan in der Lehrveranstaltungseinheit folgt, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, was sich spontan entwickelt. Nichtsdestotrotz sollte man mit einem gedanklichen roten Faden in die Veranstaltung gehen, aber eben nicht starr daran festhalten.

Im zwischenmenschlichen Austausch gibt es sehr viele Dinge, die man vermeiden sollte, weil diese Dinge dazu führen, dem Gegenüber nicht mit Achtung zu begegnen. Grundlegend scheint mir, dass man sich als Lehrende seiner Rolle bewusst sein und nicht übersehen sollte, dass die Rollenverteilung ein gewisses Gefälle bedeutet. Dies bringt die Verantwortung seitens der Lehrenden mit sich, sich der eigenen Position und ihrer Wirkung auf Studierende bewusst zu sein.

Wie begeistern Sie Studierende für das, was Sie lehren?

Das ist eine schwierige Frage, weil ich nicht genau weiß, was von meiner Lehre auf Studierende begeisternd wirkt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Offenheit, um die ich mich beim Denken bemühe, den Studierende Freude macht. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Studierenden spüren, dass ich bei aller Offenheit auch eine begründete Position vertrete, die mit einer reflektierten Haltung und also mit meiner Person verbunden ist. Und ich hoffe, dass ich dann, wenn ich selbst manchmal nicht weiterweiß, trotzdem nicht verunsichernd wirke, sondern auch eine Art von Ermutigung mitschwingt, den Dingen weiter auf den Grund zu gehen.

Wie haben Sie während der letzten Jahre Ihren Unterricht auf den digitalen Raum umgestellt? Was haben Sie dabei gelernt und gibt es etwas, was sie für die Zukunft beibehalten wollen?

Nach meinem Eindruck gilt für Kommunikation im digitalen Raum, dass der Anspruch an eine klare Kommunikation noch höher ist als in der Präsenzlehre, weil man viel weniger Ausdruckmöglichkeiten hat, Redepausen anders wirken, der gemeinsame Raum, in dem man für die Zeit der Veranstaltung zusammenkommt, fehlt, und weil man sich als Zuhörer*in schneller unbeteiligt fühlt.

Studierende haben mir zurückgemeldet, dass Seminare im digitalen Raum davon profitieren, wenn häufiger in Kleingruppen zusammengearbeitet wird, insbesondere zu den Zeiten, als es keine anderen Formen der Begegnung für die Studierenden gab.

Es ist zudem hilfreich, zentrale Zusammenhänge auf Folien zu präsentieren, allerdings sollten diese Phasen nicht allzu lang sein, sondern bald wieder von einer direkteren Form des Austauschs abgelöst werden.

Ich denke, dass die Auseinandersetzung mit der digitalen Lehre etwas gezeigt hat, was eigentlich schon bekannt ist, man aber dennoch viel stärker betonen könnte. Dass nämlich für die Gestaltung der Lehrveranstaltung sowohl die Lehrenden als auch die Studierenden verantwortlich sind und es deshalb sinnvoll ist, sich gemeinsam darüber zu verständigen, unter welchen Bedingungen man anregend und erfolgreich lernen und lehren kann.

Was sehen Sie als Herausforderungen für die akademische Lehre in der Zukunft an?

Nach meinem Eindruck stehen die Studierenden oft unter einem hohen Druck, zügig ihr Studium zu durchlaufen. Dabei benötigen sie selbstverständlich Unterstützung seitens der Lehrenden. Wie man diese Unterstützung gibt, ist eine spannende Frage. Ich glaube, dass es darum gehen muss, die Eigenverantwortung für das eigene Lernen und die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu fördern. Doch das ist der schwierigere Weg, weil er für die Studierenden mit Umwegen und Abwegen verbunden ist. Einfacher wäre es, die Unterstützung durch sehr enge Vorgaben zu geben, an die sich die Studierenden halten müssen, um im Studium voranzukommen. Selbstverständlich braucht es einen klaren Rahmen und ebenso klare Vorgaben, die Orientierung liefern. Daneben sollte meines Erachtens aber genügend Raum sein, um die Verantwortung für das Studium und die eigene Entwicklung zu tragen. Mir scheint, dass die akademische Lehre in Zukunft vor der Herausforderung steht, diesen Weg anzubieten und auch einzufordern, anstatt den Studierenden die für sie notwendige Unterstützung durch eine stärkere Verschulung des Studiums zu geben.

Was machen Sie am liebsten mit Ihren Studierenden?

Am liebsten bin ich mit den Studierenden im Gespräch. Ein Gespräch, für das sich beide Seiten gut vorbereitet haben, indem sie Fragen und mögliche Antworten in Auseinandersetzung mit einem Text mitbringen und bereit sind, diese zur Diskussion zu stellen. In dieser Situation ist für beide Seiten die großartige Gelegenheit, voneinander zu lernen. Es ist nicht immer leicht, in solchen Momenten den roten Faden einer Sitzung im Blick zu behalten, weshalb das, was am schönsten in der Lehre ist, zugleich auch dasjenige ist, was am meisten herausfordert, sowohl die Studierenden als auch mich.

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Gesendet von LKäppele in Lehre im Porträt

Was macht gute Lehre aus? Ein Interview mit Dr. Nils Cordes

Veröffentlicht am 7. September 2023

Was macht gute Lehre aus? Dies ist eine der zentralen Fragen des inno.teach Blogs und wer könnte diese besser beantworten als Lehrende selbst? Wir haben daher mehrere Lehrende der Universität Bielefeld zu ihren Erfahrungen in der Lehre befragt. Lesen Sie hier ihre vielfältigen Perspektiven!

Dr. Nils Cordes 

Interview mit Dr. Nils Cordes

Was macht für Sie gute Lehre aus? Was gehört dazu? Was sollte vermieden werden?

Ich würde gerne antworten, dass sich für mich gute Lehre daran messen lässt, wieviel Spaß ich in meiner Veranstaltung habe. Aber bei guter Lehre geht es vermutlich mehr um die Studierenden als um mich. Deshalb drehe ich es um und sage: Gute Lehre lässt sich daran messen, wieviel Spaß die Studierenden an meiner Veranstaltung haben.

Ich weiß, ich weiß: Vielleicht sollte zu guter Lehre auch gehören, wieviel Studierende dabei lernen. Und das kann natürlich im Widerspruch zum Spaß stehen. Schließlich kennen wir alle Beschäftigungen, die Spaß machen, ohne dass dabei etwas gelernt wird. Aber als Universität haben wir den Vorteil, dass Studierende mit dem Anspruch, etwas zu lernen, in all unsere Veranstaltungen kommen. Robert F. Mager nennt das approach tendency, die Tendenz, dass sich jemand freiwillig mit einem Thema beschäftigt. Diese sollte nach einer Lehrveranstaltung zumindest nicht kleiner sein als vorher. Besser sie wird größer. Unser Ziel ist also das Interesse wecken, das Interesse aufrecht halten, vor allem aber mit unserer Lehre das Interesse nicht nehmen. Zu guter Lehre gehört also, dass wir uns bewusst machen, wie wir und unsere Themen auf Studierende wirken. Und unser Ziel sollte sein, Studierenden eine positive Einstellung zu unseren Themen zu vermitteln. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Gelernte auch nach dem Lernen anwenden und sogar selbständig vertiefen wollen, maximiert. (Zitat aus dem viel zu selten gelesenen „Developing Attitude Toward Learning“, Mager 1984.)

Vermieden werden sollte also alles, das Studierende dazu bringt, das Interesse zu verlieren. Denn die beste Lehre ist nichts wert, wenn sie nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Wenn ich glaube, dass ich allein dadurch, dass ich es erzählt habe, Studierenden es auch vermittelt habe, beschränkt sich meine Lehre nur auf die Veranstaltung selbst. Mein Blick sollte aber vor allem auf die Zeit danach gerichtet sein.

Mit anderen Worten: Meine Definition am Anfang war Quatsch. Ich versuche das noch mal zu korrigieren: Gute Lehre lässt sich daran messen, wieviel Spaß Studierende nach meiner Veranstaltung an dem Thema haben, das ich vermittle.

Wie begeistern Sie Studierende für das, was Sie lehren?

Die kurze Antwort darauf ist: Gar nicht.

Ich will Studierende nicht für mein Thema begeistern. Das wäre überheblich. Studierende sollen selbst entscheiden, ob sie das Thema begeistert. Ich zeige ihnen einfach meine eigene Begeisterung für das Thema. Vermutlich übertreibe ich dabei etwas, aber das passiert schnell, wenn man an einem Thema Spaß hat.

Was ich aber tue, ist die Relevanz meines Themas mit ihnen teilen. Ich versuche deutlich zu machen, welchen Wert das Thema für mich im Alltag hat, in meinem eigenen Studium hatte, und welchen Wert es für die Studierenden haben kann. Da ich wissenschaftliches Schreiben und andere Kompetenzen, die man für das Forschen in der Biologie braucht, unterrichte, ist das relativ einfach.

Beim Umgang mit den Themen versuche ich aber so weit wie möglich Studierenden ihre Freiräume zu lassen. Sie sollen die Kontrolle über ihren eigenen Schreibprozess behalten und die neuen Erkenntnisse, wenn überhaupt, in ihrem eigenen Tempo in ihren Prozess integrieren. Das hilft den Studierenden (hoffentlich), das aufzunehmen, was sie am meisten interessiert oder was ihnen am ehesten sinnvoll erscheint. Während ich also meine Begeisterung überschwänglich teile, können Studierende selbst entscheiden, ob sie auf meinen Zug aufspringen oder sich das alles lieber erst mal mit etwas Abstand anschauen.

Damit gebe ich auch die Verantwortung ab, dass Studierende bei mir etwas lernen. Ich erkläre ihnen meist zu Beginn, dass diese Verantwortung schön bei ihnen liegen bleiben soll. Ich bin Ansprechpartner und biete meine Hilfe an, aber das Interesse bei allen Themen muss von ihnen ausgehen. Es scheint zwar ein Widerspruch, aber je weniger Interesse ich fordere, desto mehr bekomme ich.

Wie haben Sie während der letzten Jahre Ihren Unterricht auf den digitalen Raum umgestellt? Was haben Sie dabei gelernt und gibt es etwas, was sie für die Zukunft beibehalten wollen?

Mehr als irgendetwas anderes hat mir die ausschließlich digitale Lehre beigebracht, wie wertvoll es ist, Studierenden die Kontrolle über ihr Lernen zu geben. Als die Pandemie startete, standen wir vor der Frage, welches von zwei Formaten wir für die Lehre adoptieren würden: synchrone digitale Veranstaltungen, oder asynchrones Selbstlernen mit Austauschphasen. Ich habe mich eindeutig zu letzterem entschieden. Ich habe meinen Präsenzkurs geflippt und die Übungsaufgaben aus dem Kurs in Selbstlernaufgaben mit Deadlines umgewandelt. Studierende mussten diese innerhalb einer Woche bearbeiten und konnten sich dann je nach Aufgabe untereinander oder mit mir in einem Online-Meeting danach dazu austauschen.

Dabei habe ich gelernt, wie unterschiedlich Studierende lernen. Wenn ich ihnen die Möglichkeit geben möchte, ihr Interesse am Thema zu behalten, muss ich ihnen auch die Möglichkeit geben, die Themen nach eigenem Interesse zu bearbeiten. Meine jetzigen Kurse lassen sich deshalb in Präsenz durchführen (die immer noch am meisten gewählte Option) oder komplett im Selbststudium mit den zur Verfügung gestellten Materialien und digitalen Onlineaufgaben. Ich mache zwar deutlich, dass die Onlineoption durch den fehlenden Austausch und die Gespräche auch mit mir nur eine abgespeckte Version sein kann. Aber Studierende nutzen diese deshalb vor allem dafür, um Woche für Woche zu entscheiden, welches Format sie wählen. Dies hängt, soweit ich das beurteilen kann, vor allem vom Rest des Studiums ab. Klausur- oder Hausarbeitsphasen lassen die Prioritäten anders setzen. Gerade dann wird die Option, sich mit meiner Veranstaltung in eigenem Tempo zu beschäftigen zu können, attraktiver.

Was sehen Sie als Herausforderungen für die akademische Lehre in der Zukunft an?

Für meine eigenen Lehrveranstaltungen sind das ganz klar die zunehmenden technologischen Herausforderungen. Viele Studierende haben jetzt schon in ihrem Leben noch keine klassische Ordnerstruktur an einem PC kennengelernt, weil der digitale Kontakt komplett über Touchscreens läuft. Das Maß an Lernen über das Smartphone erschreckt mich als jemand, der mit 23 sein erstes Handy besaß, immer noch. Und die Hilfestellungen durch verschiedene Formen von Software und nicht zuletzt den Möglichkeiten von KI müssen wir für die Lehre ganz stark berücksichtigen.

Ich sehe diese Herausforderungen zwar immens, aber nicht größer als die, die vermutlich unsere Lehrende hatten, als das Internet zunehmend mehr Informationen (hilfreiche und falsche) bereitstellte. Das Problem in der Lehre ist das gleiche wie vor hundert Jahren. Wenn wir Studierenden etwas beibringen wollen, müssen wir sie kennenlernen. Wenn das auch nicht individuell möglich ist, dann doch im statistischen Durchschnitt. Welche Kenntnisse können wir dieses Jahr voraussetzen? Welche Werkzeuge nutzen die Studierenden im nächsten Jahr? Wie ändert das unseren Job in der Zukunft?

Was machen Sie am liebsten mit Ihren Studierenden?

Lachen.

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Gesendet von LKäppele in Lehre im Porträt

Was macht gute Lehre aus? Ein Interview mit Dr. Giselle Valman

Veröffentlicht am 24. August 2023

Was macht gute Lehre aus? Dies ist eine der zentralen Fragen des inno.teach Blogs und wer könnte diese besser beantworten als Lehrende selbst? Wir haben daher mehrere Lehrende der Universität Bielefeld zu ihren Erfahrungen in der Lehre befragt. Lesen Sie hier ihre vielfältigen Perspektiven!

Dr. Giselle Valman 

Interview mit Dr. Giselle Valman 

 

Was macht für Sie gute Lehre aus? Was gehört dazu? Was sollte vermieden werden?

Bei guter Lehre geht es darum, die Studierenden zu motivieren. Selbstverständlich gehört dazu Informationen so zu vermitteln, dass sie Interesse daran haben, weiter nachzuforschen. Mit anderen Worten geht es nicht nur um den Inhalt, sondern auch um die Art und Weise wie man diesen vermittelt.

In dem Zusammenhang sollte ein Überschuss an Informationen vermieden werden, denn das könnte verängstigen oder ungewollt frustrieren. Hierbei ist es sehr wichtig im Voraus zu beachten, was man zeigen will und was die selbstständige Arbeit der Studierenden bleiben soll.

Zum Schluss gibt es bei mir im Unterricht keine dummen Fragen. Fehler werden überdies als etwas Positives im Lernprozess betrachtet.

Wie begeistern Sie Studierende für das, was Sie lehren?

Ich begeistere Sie, indem ich ihnen meine Leidenschaft für meinen Beruf vermittle. Außerdem ist es mein Hauptziel, ihnen beizubringen, wie sie selbständig arbeiten können. Da das Internet heutzutage der wichtigste Lehrmeister ist, helfe ich ihnen bei der Auswahl und Verarbeitung so vieler Informationen. Ich ermutige sie auch gerne dazu, ihre Meinung darzulegen und zu verteidigen. Auch wenn diese meiner widerspricht.

Wie haben Sie während der letzten Jahre Ihren Unterricht auf den digitalen Raum umgestellt? Was haben Sie dabei gelernt und gibt es etwas, was sie für die Zukunft beibehalten wollen?

Für mich kann die digitale Welt einen großen Beitrag zum Lehren und Lernen leisten. Nicht nur wegen der Möglichkeit den Inhalt aus einer anderen Perspektive zu zeigen bzw. zu analysieren, sondern auch wegen der selbständigen Arbeit, die dabei entsteht. Das Lernen im eigenen Tempo wird dadurch ermöglicht.

Ich arbeite gerne mit H5P-Übungen sowie mit allen Tools von Moodle. Vielleicht, weil es zu meiner Zeit als Studentin diese Möglichkeit noch nicht gab. Damit hätte ich gerne gearbeitet!

Ich hoffe, dass ich in Zukunft mehr künstliche Intelligenz in meinen Unterricht einbauen kann. Ich habe keine Angst vor ihr. Sie kann sehr nützlich sein, wenn sie richtig eingesetzt wird. Dennoch will ich die Diskussionen und den Meinungsaustausch in der Lehre bzw. in Präsenz beibehalten.

Was sehen Sie als Herausforderungen für die akademische Lehre in der Zukunft an?

Die akademische Lehre sollte weiterhin überlegen, wie man künstliche Intelligenz einbeziehen kann. Auch sollte überdacht werden, was dabei trainiert und bewertet werden muss. Dennoch wird die Reflexion und argumentative Arbeit nach wie vor eine zentrale Rolle in der akademischen Arbeit spielen.

Was machen Sie am liebsten mit Ihren Studierenden?

Sie zur Reflexion zu bringen. Auch sie aufzumuntern, ihre eigenen Fortschritte zu schätzen und stolz darauf zu sein. Wir alle in der Lehre haben mal an der Universität studiert und wir alle wollten wertgeschätzt werden.

 

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Gesendet von LKäppele in Lehre im Porträt

Was macht gute Lehre aus? Ein Interview mit Dr. Matthias Buschmeier

Veröffentlicht am 17. August 2023

Was macht gute Lehre aus? Dies ist eine der zentralen Fragen des inno.teach Blogs und wer könnte diese besser beantworten als Lehrende selbst? Wir haben daher mehrere Lehrende der Universität Bielefeld zu ihren Erfahrungen in der Lehre befragt. Lesen Sie hier ihre vielfältigen Perspektiven!

Dr. Matthias Buschmeier 

Interview mit Dr. Matthias Buschmeier 

Was macht für Sie gute Lehre aus? Was gehört dazu? Was sollte vermieden werden?

Gute Lehre geschieht, wenn es Dozent*innen und Studierenden gelingt, sich von den Gegenständen intellektuell anregen zu lassen, so dass ein gemeinsames Interesse entsteht, sich darin zu vertiefen. Dazu gehört, die Asymmetrien, die jeder Lehrsituation innewohnen, nicht aus Machthierarchien entstehen zu lassen, sondern aus unterschiedlichen Erfahrungshorizonten. Das kann dann bedeuten, dass Lehrende es zulassen können, zu Lernenden werden. Gute Lehre entsteht, wenn Studierende ihre Bedeutung und Verantwortung für ein solches Setting annehmen und mitgestalten. Das fängt klein an, bei einer regelmäßigen Teilnahme und der Vorbereitung des Materials und kann münden in selbständigen Lernprojekten, von der am Ende die gesamte Gruppe profitiert.

Wie begeistern Sie Studierende für das, was Sie lehren?

Ich versuche zu zeigen, dass ich selbst von meinen Gegenständen, in meinem Fall, der Literatur und ihrer Erforschung, begeistert bin. Der Funke muss überspringen. Wer gelangweilt vom eigenen Stoff ist, wird von Studierenden nicht das Gegenteil erwarten können. Wichtig ist mir, dass Studierende sich in Lehrveranstaltungen als selbstwirksam erfahren, sie also nicht zu einem passiven Schwamm meiner mehr oder weniger gelehrten Ausführungen werden (was manchmal auch nötig ist), sondern Momente in der Lehre erleben, in denen ihre Überlegungen und Ergebnisse relevant werden. Das bedeutet auch, dass Studierende die Neigung mitbringen, dies tun zu wollen. Um im etwas schiefen Bild zu bleiben: Das Feuerholz muss trocken und geschichtet sein, damit der Funke es entzünden kann. Nass und unvorbereitet, wird es nicht brennen, egal wieviel Spiritus ich drauf kippe.

Wie haben Sie während der letzten Jahre Ihren Unterricht auf den digitalen Raum umgestellt? Was haben Sie dabei gelernt und gibt es etwas, was sie für die Zukunft beibehalten wollen?

Seit 2020 arbeite ich verschiedenen Projekten daran, digitale Lernumgebungen für die Studierenden unserer Eingangsphase aufzubauen. Unser Basismodul zur Literaturgeschichte haben wir zu großen Teilen in digitale Lernräume umgestaltet, in denen Studierende angeleitet, selbst Erfahrungen historiographischen Arbeitens machen können. Das machen wir nicht allein, sondern mit Kolleg*innen aus Wuppertal und Paderborn zusammen. Unsere Materialien bieten wir daher auch als Open Educational Resources (OER) über das Landesportal ORCA und die Webseite literaturgeschichten.de an. Eine Erfahrung in der digitalen Lehre ist, dass sie, wenn der eigene Anspruch hoch ist, nicht ohne Zusatzressourcen auskommt. Eine andere, dass die eigene Begeisterung durch einschränkende Rahmenbedingungen wie Lizenzbedingungen und Datenschutzvorgaben manchmal eingebremst wird. Es ist daher unheimlich wichtig, dass es Anlaufstellen gibt, bei denen man sich medientechnisch, aber auch juristisch beraten lassen kann. In Bielefeld haben wir im Moment eine tolle Struktur genau dafür.

Was sehen Sie als Herausforderungen für die akademische Lehre in der Zukunft an?

Die größte Herausforderung sehe ich darin, wie wir zukünftig unsere universitären Ansprüche und die immer größer werdenden fachlichen Anforderungen in der Lehre erhalten können, ohne zugleich Studierende zu überfordern und zu verlieren, die aus einem Bildungssystem kommen, das kaum mehr die Ressourcen (und manchmal auch den Willen) hat, wissenschaftliche Propädeutik zu betreiben. Hinzu kommt der rasante Wandel, den KI basierte Wissens- und Informationsmodelle in der schon nahen Zukunft bringen werden. Dies wird zu einer Renaissance mündlicher Prüfungsformen führen, kommunikative Kompetenzen werden wieder wichtiger werden. Ich bin seit langem ein Anhänger des vierten Bachelorjahrs, das als Orientierungsjahr, nach angloamerikanischem Modell, dem eigentlichen Fachstudium vorgeschaltet ist. Rhetorik, Logik, Grundlagen der Informatik, Wissenschaftstheorie, das wären für alle Studiengänge eine sehr gute Basis - wenn man so will eine modernisierte Form des Triviums und Quadriviums, auf deren Grundlage das europäische Wissenssystem erst entstehen konnte.

Was machen Sie am liebsten mit Ihren Studierenden?

Ganz ehrlich: Mich mit einer Gruppe, die den literarischen Text gut vorbereitet hat, über ihn zu beugen, ihn gemeinsam zu analysieren, um dann zu diskutieren, welche kulturellen Diskurse und Formulare darin verhandelt werden. Klingt vielleicht nicht besonders aufregend, für einen Philologen indes kann es wenig Spannenderes geben.

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Gesendet von LKäppele in Lehre im Porträt

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