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Was macht gute Lehre aus? Ein Interview mit Dr. Matthias Buschmeier
Was macht gute Lehre aus? Dies ist eine der zentralen Fragen des inno.teach Blogs und wer könnte diese besser beantworten als Lehrende selbst? Wir haben daher mehrere Lehrende der Universität Bielefeld zu ihren Erfahrungen in der Lehre befragt. Lesen Sie hier ihre vielfältigen Perspektiven!
Interview mit Dr. Matthias Buschmeier
Was macht für Sie gute Lehre aus? Was gehört dazu? Was sollte vermieden werden?
Gute Lehre geschieht, wenn es Dozent*innen und Studierenden gelingt, sich von den Gegenständen intellektuell anregen zu lassen, so dass ein gemeinsames Interesse entsteht, sich darin zu vertiefen. Dazu gehört, die Asymmetrien, die jeder Lehrsituation innewohnen, nicht aus Machthierarchien entstehen zu lassen, sondern aus unterschiedlichen Erfahrungshorizonten. Das kann dann bedeuten, dass Lehrende es zulassen können, zu Lernenden werden. Gute Lehre entsteht, wenn Studierende ihre Bedeutung und Verantwortung für ein solches Setting annehmen und mitgestalten. Das fängt klein an, bei einer regelmäßigen Teilnahme und der Vorbereitung des Materials und kann münden in selbständigen Lernprojekten, von der am Ende die gesamte Gruppe profitiert.
Wie begeistern Sie Studierende für das, was Sie lehren?
Ich versuche zu zeigen, dass ich selbst von meinen Gegenständen, in meinem Fall, der Literatur und ihrer Erforschung, begeistert bin. Der Funke muss überspringen. Wer gelangweilt vom eigenen Stoff ist, wird von Studierenden nicht das Gegenteil erwarten können. Wichtig ist mir, dass Studierende sich in Lehrveranstaltungen als selbstwirksam erfahren, sie also nicht zu einem passiven Schwamm meiner mehr oder weniger gelehrten Ausführungen werden (was manchmal auch nötig ist), sondern Momente in der Lehre erleben, in denen ihre Überlegungen und Ergebnisse relevant werden. Das bedeutet auch, dass Studierende die Neigung mitbringen, dies tun zu wollen. Um im etwas schiefen Bild zu bleiben: Das Feuerholz muss trocken und geschichtet sein, damit der Funke es entzünden kann. Nass und unvorbereitet, wird es nicht brennen, egal wieviel Spiritus ich drauf kippe.
Wie haben Sie während der letzten Jahre Ihren Unterricht auf den digitalen Raum umgestellt? Was haben Sie dabei gelernt und gibt es etwas, was sie für die Zukunft beibehalten wollen?
Seit 2020 arbeite ich verschiedenen Projekten daran, digitale Lernumgebungen für die Studierenden unserer Eingangsphase aufzubauen. Unser Basismodul zur Literaturgeschichte haben wir zu großen Teilen in digitale Lernräume umgestaltet, in denen Studierende angeleitet, selbst Erfahrungen historiographischen Arbeitens machen können. Das machen wir nicht allein, sondern mit Kolleg*innen aus Wuppertal und Paderborn zusammen. Unsere Materialien bieten wir daher auch als Open Educational Resources (OER) über das Landesportal ORCA und die Webseite literaturgeschichten.de an. Eine Erfahrung in der digitalen Lehre ist, dass sie, wenn der eigene Anspruch hoch ist, nicht ohne Zusatzressourcen auskommt. Eine andere, dass die eigene Begeisterung durch einschränkende Rahmenbedingungen wie Lizenzbedingungen und Datenschutzvorgaben manchmal eingebremst wird. Es ist daher unheimlich wichtig, dass es Anlaufstellen gibt, bei denen man sich medientechnisch, aber auch juristisch beraten lassen kann. In Bielefeld haben wir im Moment eine tolle Struktur genau dafür.
Was sehen Sie als Herausforderungen für die akademische Lehre in der Zukunft an?
Die größte Herausforderung sehe ich darin, wie wir zukünftig unsere universitären Ansprüche und die immer größer werdenden fachlichen Anforderungen in der Lehre erhalten können, ohne zugleich Studierende zu überfordern und zu verlieren, die aus einem Bildungssystem kommen, das kaum mehr die Ressourcen (und manchmal auch den Willen) hat, wissenschaftliche Propädeutik zu betreiben. Hinzu kommt der rasante Wandel, den KI basierte Wissens- und Informationsmodelle in der schon nahen Zukunft bringen werden. Dies wird zu einer Renaissance mündlicher Prüfungsformen führen, kommunikative Kompetenzen werden wieder wichtiger werden. Ich bin seit langem ein Anhänger des vierten Bachelorjahrs, das als Orientierungsjahr, nach angloamerikanischem Modell, dem eigentlichen Fachstudium vorgeschaltet ist. Rhetorik, Logik, Grundlagen der Informatik, Wissenschaftstheorie, das wären für alle Studiengänge eine sehr gute Basis - wenn man so will eine modernisierte Form des Triviums und Quadriviums, auf deren Grundlage das europäische Wissenssystem erst entstehen konnte.
Was machen Sie am liebsten mit Ihren Studierenden?
Ganz ehrlich: Mich mit einer Gruppe, die den literarischen Text gut vorbereitet hat, über ihn zu beugen, ihn gemeinsam zu analysieren, um dann zu diskutieren, welche kulturellen Diskurse und Formulare darin verhandelt werden. Klingt vielleicht nicht besonders aufregend, für einen Philologen indes kann es wenig Spannenderes geben.