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Fachsprachenzentrum BLOG

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Porträt Agnese Ciampiconi

Veröffentlicht am 25. April 2022

Interview mit Agnese Ciampiconi

Nach einem Interview-Leitfaden von Miriam Goupille

Agnese, cara, woher kommst du genau?Agnese Ciampiconi

Ich komme aus Urbino, einer kleinen Stadt mit 15.000 Einwohnern und 15.000 Studierenden in den italienischen Marken. Die Marken, le Marche, befinden sich in Zentralitalien auf der Höhe von Rom. Rimini ist nicht weit entfernt und den meisten bekannt.


Wie und wann bist du nach Bielefeld gekommen?

Ich war noch niemals in Bielefeld. Ich lebe in Bamberg. Ich habe ein Erasmus-Semester in Münster absolviert, aber nach Bielefeld hat mich mein Weg nur virtuell gebracht. Ich unterrichte in Zoom. Nach Bamberg bin ich aber wegen meines Freundes gekommen, den ich während meines ersten Erasmus-Semesters in Konstanz kennengelernt habe. Wir haben uns eine WG geteilt. Er beendet gerade seine Studien in Bamberg.

Gibt es etwas aus Italien, was du hier vermisst? Und etwas, was du hier in Deutschland besonders schön findest?

Oh, es gibt viele Dinge, die ich vermisse. Die Sonne. Das Meer. Eine gute Pizza, die ich in Bamberg kaum finden kann, und vor allem die Familie und die Freunde.
Was mir sehr gut in Deutschland gefällt ist, dass die Dinge hier funktionieren. Im Gegensatz zu Italien. Ich meine die Bürokratie. Die öffentliche Hand. Krankenkasse. Universitätsverwaltung. Es ist alles gut geregelt und funktioniert deshalb. Außerdem gefällt mir die historische Architektur Deutschlands. Die Fachwerkhäuser, die Stufengiebelhäuser des Nordens. Und die Landschaften Deutschlands. Selbst wenn man in einer Stadt lebt, gibt es immer einen schnellen Zugang zur Natur, zu Parks.

Hast du immer unterrichtet? Wenn nicht, was hast du vorher gemacht?

Ich unterrichte seit zwei Jahren. Davor habe ich als Sachbearbeiterin in einer Firma gearbeitet. Aber das war so langweilig, dass ich schnell begriffen habe, dass das nicht mein Weg sein kann. Da ich Sprachen studiert habe – Deutsch, Englisch und Russisch – war mir eigentlich immer klar, dass ich einmal Sprachen unterrichten möchte. Als dann an einer Volkshochschule in der Bamberger Umgebung eine Italienischlehrerin gesucht wurde, habe ich dort mit dem Unterrichten angefangen. Außerdem hatte ich noch einen Angestelltenjob in einem Bekleidungsgeschäft. Das habe ich aufgeben können, als ich auch noch einen Lehrauftrag an der Universität Bayreuth bekam. Durch das Unterrichten in Zoom kamen dann auch noch die Universitäten Göttingen, Kassel und Bielefeld hinzu.

Kannst du uns eine Anekdote über deine (ehemaligen) Studis erzählen? Es kann etwas Lustiges oder leicht Peinliches sein, das jedem von uns passieren kann.

Manche Teilnehmerinnen halten es für eine gute Idee, im Zoom-Unterricht die Videokamera abzustellen. Als Italienerin habe ich dem teutonisch durchgesetzten Anspruch auf Interpretationshoheit gegenüber eine gewisse Zurückhaltung entwickelt. Aber ist das wirklich hilfreich beim Sprachenlernen? Ich kommuniziere mit einem schwarzen Quadrat. Deutsch ist nicht meine Muttersprache, und wie hilfreich Lippenstellung und Mimik bei der Kommunikation in einer Fremdsprache sind, das weiß ich nun bestens. Also: keine schwarzen Quadrate, bitte!


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Porträt Fabrice Jucquois

Veröffentlicht am 4. April 2022

Interview mit Fabrice Jucquois

Nach einem Interview-Leitfaden von Miriam Goupille

Fabrice, woher kommst du genau?Fabrice Jucquois

Ich komme aus Belgien. Aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Brüssel. Das Dorf ist mittlerweile bekannt geworden, denn es gibt dort ein Schloss, in dem einige Filme gedreht wurden. Früher war das ein Dorf mit Kühen und Hühnern, und jetzt ist es eine schicke Location bei Brüssel geworden.
Mich hat das Dorf sehr geprägt, denn es gab diesen Kontakt mit der Natur. Nichts Theoretisches, sondern ein ganz unmittelbarer Kontakt. Man fühlt dort die Natur. Das ist eine andere Erfahrung, als man sie in einer Stadt machen kann.
Wir haben zwei grundsätzliche Arten uns zu bewegen. Horizontal und vertikal. Daraus besteht der Tanz. Horizontal, das schafft den Kontakt zur Erde. In der vertikalen Verfassung erleben wir etwas anderes. Ich würde sagen, dass das der Ausdruck einer Verbindung mit dem Theoretischen ist. Mich jedenfalls hat der Kontakt mit der Natur des Dorfes sehr geprägt.

Wie und wann kamst du nach Bielefeld?

Mit dem Auto. (Lachen) 2015. Ich bin mittlerweile 18 Mal umgezogen. Aufgrund meiner Tätigkeit als Künstler musste ich immer offen bleiben für die Linie, die die Kunst ins Leben zeichnete. Diese Linie hat mich nach Bielefeld gebracht. Als ich nach Bielefeld kam, öffnete sich ein neuer Weg für mich. Aber dazu später.

Gibt es etwas aus Belgien, was du hier vermisst? Und etwas, was du hier in Deutschland besonders schön findest?

Das sind zwei Fragen. Zu Nummer eins: Das erste, was ich vermisse, ist das Essen. Wer würde nicht gute Pralinen vermissen, nur um ein Beispiel zu nennen. Das zweite: Einfach in eine französischsprachige Bibliothek oder Buchhandlung zu gehen und ein bisschen zu lesen und zu träumen, in Büchern herumzustöbern, Zeit mit Literatur zu verbringen, die man entdecken möchte. Mein Ausweg: Die Bibliothek hinter mir ist voll mit Comics. (Wir sehen uns in Zoom). Das ist eine ganz spezifische Literaturform meines Heimatlandes.  Immer wieder greife ich in meine Sammlung, und ich öffne die Bücher, als wären sie unbekannt.
Warum nicht in die Uni-Bibliothek oder zu Thalia? Das ist keine französischsprachige Bibliothek oder Buchhhandlung, was normal ist, und ich kann mir nicht vorstellen, mich auf Deutsch in Autoren wie Rabelais, Montaigne, Corneille, Voltaire, Balzac, Zola, Hugo oder Char oder aktuellen französischsprachigen Autoren wie Khadra oder Maalouf wiederzufinden. Sprache ist ein Lied, das uns in eine imaginäre Welt entführen kann. Wenn ich den Vers von Racine in „Andromaque“, „Pour qui sont ces serpents qui sifflent sur vos têtes“ auf Deutsch lese, ergäbe sich „Für wen sind diese Schlangen, die über deinen Köpfen zischen.“ Die Alliteration mit diesem beharrlichen „S“ auf Französisch ist weg. In meinem täglichen Leben bin ich froh, das Zischen von Schlangen nicht zu hören. In der Literatur höre oder lese ich es gern.

Was finde ich in Deutschland besonders schön? Als Ausländer befinde ich mich in einer Situation von Dankbarkeit. Ich weiß, dass ich meine künstlerische Tätigkeit in meinem Heimatland nicht ausüben könnte. Die Theaterkultur in Belgien ist eine andere. Die Kulturpolitik ist eine andere.

Neben meiner Kultur lerne ich andere Länder kennen. Entdecken ist oft wunderbar und schön.

Hast du immer unterrichtet? Wenn nicht, was hast du vorher gemacht?

Ich bin davon überzeugt, dass man für das Unterrichten besondere Kenntnisse braucht. Ich könnte nicht Tanz oder Französisch unterrichten, wenn ich nicht diese tiefen Kenntnisse hätte. Die wichtigen Persönlichkeiten der Geschichte sind zum Beispiel in der Antike ausgezogen mit einem gebildeten Menschen an ihrer Seite. Alexander der Große hatte etwa Aristoteles als Ausbilder. Das ist die Vorstellung, die ich im Kopf habe. Zuerst muss jemand Kenntnisse integrieren, erst danach ist er reif dafür, Lehrer zu sein. Wieder möchte ich mich auf meine dörflichen Wurzeln beziehen. Zuerst kommt die Erde, die horizontale Bewegung. Dann folgt die Vertikale in die Theorie, um zurück auf die Erde zu wirken.

Ich habe 25 Jahre lang als Tänzer und Choreograph an vielen Theatern insbesondere in Deutschland und Österreich gearbeitet. Und nur, weil ich diese Erfahrung besitze, denke ich, dass ich etwas weitergeben kann. Natürlich darf man nicht zu lang warten, denn irgendwann kann man sich nicht mehr so gut bewegen.
Auf das Französische hat mich ein ganz anderer Weg vorbereitet. Wir sind von der Kultur unseres eigenen Landes durchdrungen. In Belgien lernen wir in der Schule, dass die belgische Revolution in einem Theater begann, wir rezitieren die Verse von du Bellay, Ronsard oder Baudelaire auswendig. Wir wissen, dass Verlaines Gedichte von de Gaulle verwendet wurden. Jedes Jahr erhielten wir eine Leseliste mit 10 Büchern zum Lesen für Januar und 10 für Juli. Was den Französischunterricht angeht, habe ich zunächst fremdsprachige Sänger ausgebildet, die auf Französisch singen mussten.
Eine der Gemeinsamkeiten zwischen Tanz und Französisch ist die Suche nach Kreativität. Ich erlaube mir eine kleine Anekdote aus meinem Philosophiestudium an der Universität. Für den Kurs Anthropologie mussten wir ein Essay zu einem der folgenden Themen schreiben: Sprache, Körper, Begier. Ich schlug daher vor, über Tanz zu schreiben „die Begier nach Sprache durch den Körper.“ Das Wissen, das wir erwerben oder weitergeben, ist ein Puzzle, das wir bauen oder dekonstruieren, um es anschließend wieder zusammenzusetzen.

Kannst du uns eine Anekdote über deine (ehemaligen) Studis erzählen? Es kann etwas Lustiges oder leicht Peinliches sein, das jedem von uns passieren kann.

Eine Sprache ist nicht nur eine Sprache, sondern eine Kultur mit sehr vielen verschiedenen Facetten. Filme, Literatur, Bilder, Tanz, Musik, Architektur, Essen, Humor, Politik... Gern stelle ich Künstler vor, zum Beispiel Sänger.

Nun finde ich ein Stück eines Sängers von 1980, bin voller Enthusiasmus und singe vor der Klasse mit. Und noch geprägt von dieser Begeisterung frage ich erwartungsvoll einen Studenten: Und, was ist dein Gefühl?  Magst du das?
Antwort: „Das ist ziemlich altmodisch.“ Und ich merke, wie mir die Begeisterung in den Keller (oder in die Kniekehlen?) rutscht.
Stell dir jetzt den Lehrer vor, der bis spät in die Nacht mit fiebrigem Eifer sucht, mit welchem Rap oder Slam er die Studierenden in der nächsten Unterrichtsstunde begeistern könnte!

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