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Portät Eguizel Morales Ramirez

Veröffentlicht am 11. Mai 2023

Interview mit Eguizel Morales Ramirez, Spanisch-Dozentin

Geführt von Susanne Hecht nach einem Interview-Leitfaden von Miriam Goupille

Liebe Eguizel, woher kommst du genau?

Ich komme aus einem kleinen Dorf, El Chal, im Norden von Guatemala. Die Region heißt El Peten. Sie liegt zwischen Mexiko und Belize. Es ist eine Maya-Region. Wir haben dort Regenwald. Es ist sehr grün. Es gibt viele Flüsse, viele Maya-Stätten aus verschiedenen Zeitperioden.
In meinem Dorf bin ich mit meiner Mutter und drei Geschwistern aufgewachsen. Ich kann sagen, dass es ein schönes Dorf ist. Es gibt viele Vulkane in Mittelamerika. Die Stadt Antigua Guatemala ist zum Beispiel wie eingerahmt von zwei Vulkanen. Ein tolles Panorama!

Guatemala ist ein multilinguales Land. Spanisch ist die Einheitssprache, aber die indigenen Sprachen existieren weiter. 22 unserer 25 Sprachen sind Maya-Sprachen (wie Mam, Kaqchiquel, Kiche' oder Q'eqchi', was auch ich früher gut sprechen konnte). Dann gibt es Garifuna, eine Sprache afrikanischen Ursprungs, die über den Sklavenhandel nach Guatemala gekommen ist. Im Osten von Guatemala sind die Xinca ansässig. Die Xinca-Sprache ist ebenfalls eine indigene Sprache und besitzt keine Verbindung mit den Maya-Sprachen.

Guatemala bildet eine Passage zwischen Südamerika und Nordamerika. Das führt zu nennenswerten Migrationszügen aus Südamerika durch Guatemala, etwa aus Honduras, Peru, El Salvador. Vermutlich leben ca. 17 Mio. Einwohner in Guatemala. Die letzte Volkszählung gab es 2002. Deshalb weiß man nicht so genau, wie viele Leute dort wohnen. Von den geschätzten 17 Mio leben ca. 3 Mio in den USA. Die privaten Geldsendungen aus den USA sind der wichtigste Wirtschaftsfaktor für Guatemala, das ansonsten überwiegend von der Landwirtschaft lebt (Kaffee, Bananen, Zucker). Mais und Schwarzbohnen sind das Hauptnahrungsmittel in Guatemala.

Wie und wann bist du nach Bielefeld gekommen?

Mein Mann, der ein indigener Aymara aus den chilenischen Anden ist, der Theologie studiert hat, hatte während seines Studiums einen deutschen Professor in Costa Rica kennengelernt. 15 Jahre später ist er ihm in Santiago de Chile wiederbegegnet. Der Professor bot ihm eine Dissertationsstelle an der Uni Bielefeld an. So kam mein Mann nach Bielefeld - während ich als Religions- und Spanisch-Lehrerin an einer chilenischen Schule arbeitete. Parallel machte ich einen Master in Sozialpsychologie. Nach eineinhalb Jahren bin ich meinem Mann dann nach Bielefeld gefolgt, habe Deutsch gelernt und ein Jahr lang Freiwilligendienst in der Laborschule gemacht. Das war eine sehr wichtige Lebenserfahrung für mich. Ich habe mit Kindern von 9 bis 12 gearbeitet.
2016 ging mein Mann nach dem Abschluss seiner Promotion als Dozent zurück nach Peru an ein theologisches Seminar in den Anden, während ich in Bielefeld geblieben bin und an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät in Kooperation mit der Fachhochschule Bielefeld zum Thema Migration und Bildung promoviere. Ich arbeite über Bildungsverläufe von Kindern in Guatemala, deren Eltern ausgewandert sind. Die Kinder wurden zurückgelassen. Eine sehr schwierige Situation für die Kinder. Selbst für mich als Erwachsene ist die räumliche Trennung von meinem Mann nicht einfach. Wir können zwar täglich Video-Calls machen, aber natürlich vermisse ich ihn. Allerdings liegt mir daran, dass er sich, genauso wie ich, beruflich verwirklichen kann. Für einen Indigenen ist die wissenschaftliche Laufbahn, die er hat einschlagen können, nicht selbstverständlich. Indigene waren lange von einer Universitätskarriere ausgeschlossen. Mein Mann hat so viele Hürden genommen. Er muss das weitermachen! Das ist auch mir wichtig.

Gibt es etwas aus Guatemala, was du in Deutschland vermisst? Und etwas, was du hier in Deutschland besonders schön findest?

Es ist komisch. Ich bin in Deutschland, und ich vermisse Guatemala. Die Familie, das Essen, die Freunde, die Natur, die Flüsse... Aber wenn ich in Guatemala bin, vermisse ich Deutschland. Wie schön es ist. Weihnachten zum Beispiel, mit den vielen Lichtern, dem Weihnachtsbaum, dem Gebäck. Und die persönliche Sicherheit. Als Frau kann ich mich in Deutschland nachts frei bewegen. Ich gehe allein durch den Wald und fühle mich sicher. Und diese Art von Respekt, den ich hier erfahre. Mein Mann sagte immer: Ich fühle mich als Indigener so gut in Deutschland. Es gibt da keine Diskriminierung mir gegenüber. So ist das auch für mich. Ich kann anziehen, was ich will. Niemand schaut mich komisch an. Das ist eine Freiheit, die ich vermisse, wenn ich in Guatemala bin. Das Klima ist dagegen ein schwieriges Thema. Die deutsche Dunkelheit, die es häufig gibt, macht mich ein bisschen traurig. Im Winter raubt mir die schwere Bekleidung regelrecht den Atem.

Hast du immer unterrichtet? Wenn nicht, was hast du vorher gemacht?

Wie gesagt habe ich in Guatemala Spanisch unterrichtet, war auch für Menschenrechtsbewegungen tätig und habe mich um Frauenrechte gekümmert, Alphabetisierungsunterricht gegeben. Wie man sieht: Ich war immer im Bildungsbereich tätig. Schon als Kind habe ich als Tochter einer Analphabetin gedacht, dass Bildung Türen öffnen kann. Ich bin die erste nicht nur aus meiner Familie, sondern auch aus meinem Dorf, die einen Universitätsabschluss hat.

Kannst du uns eine Anekdote über deine (ehemaligen) Studis oder über Sprachkontakte erzählen? Es kann etwas Lustiges oder leicht Peinliches sein, das jedem von uns passieren kann.

Einmal wollte ich im Unterricht einen Witz erzählen. Ich musste nach den rechten deutschen Worten suchen, habe mich totgelacht - aber ich war die einzige. Es ging um ein Obst aus Guatemala, Nance. Diese Frucht hat drei Haare. Wir sagen: Drei Haare im A.... Leider kennt man diese Frucht in Deutschland nicht. Man kann unsere Heiterkeit darüber leider nicht nachvollziehen. Zu Witzen gehören nun mal einschlägige Erfahrungen. Das habe ich bei der Gelegenheit wirklich erfahren können.

Und noch was: Wenn wir kochen, dann sagen wir: ein bisschen davon, ein Stück hiervon, ein wenig länger kochen oder nur ganz kurz. - Ihr braucht Gramm- und Liter-Angaben, Minuten und Stunden. Alles abgezählt. Das gibt es in guatemaltekischen Küchen nicht.

Apropos zählen: Zähl doch mal an den Fingern ab: 1 - 2 - 3.
Du fängst mit dem Daumen an? - Komisch. Das klappt doch gar nicht! Wir machen das anders: Kleiner Finger - Ringfinger - Mittlefinger. Probier mal! Wie klappt das?


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