Fachsprachenzentrum BLOG
Portät Eguizel Morales Ramirez
Interview mit Eguizel Morales Ramirez, Spanisch-Dozentin
Geführt von Susanne Hecht nach einem Interview-Leitfaden von Miriam Goupille
Liebe Eguizel, woher kommst du genau?
Ich komme aus
einem kleinen Dorf, El Chal, im Norden von Guatemala. Die Region heißt
El Peten. Sie liegt zwischen Mexiko und Belize. Es ist eine Maya-Region.
Wir haben dort Regenwald. Es ist sehr grün. Es gibt viele Flüsse, viele
Maya-Stätten aus verschiedenen Zeitperioden.
In meinem Dorf bin ich
mit meiner Mutter und drei Geschwistern aufgewachsen. Ich kann sagen,
dass es ein schönes Dorf ist. Es gibt viele Vulkane in Mittelamerika.
Die Stadt Antigua Guatemala ist zum Beispiel wie eingerahmt von zwei
Vulkanen. Ein tolles Panorama!
Guatemala ist ein multilinguales
Land. Spanisch ist die Einheitssprache, aber die indigenen Sprachen
existieren weiter. 22 unserer 25 Sprachen sind Maya-Sprachen (wie Mam,
Kaqchiquel, Kiche' oder Q'eqchi', was auch ich früher gut sprechen
konnte). Dann gibt es Garifuna, eine Sprache afrikanischen Ursprungs,
die über den Sklavenhandel nach Guatemala gekommen ist. Im Osten von
Guatemala sind die Xinca ansässig. Die Xinca-Sprache ist ebenfalls eine
indigene Sprache und besitzt keine Verbindung mit den Maya-Sprachen.
Guatemala
bildet eine Passage zwischen Südamerika und Nordamerika. Das führt zu
nennenswerten Migrationszügen aus Südamerika durch Guatemala, etwa aus
Honduras, Peru, El Salvador. Vermutlich leben ca. 17 Mio. Einwohner in
Guatemala. Die letzte Volkszählung gab es 2002. Deshalb weiß man nicht
so genau, wie viele Leute dort wohnen. Von den geschätzten 17 Mio leben
ca. 3 Mio in den USA. Die privaten Geldsendungen aus den USA sind der wichtigste
Wirtschaftsfaktor für Guatemala, das ansonsten überwiegend von der
Landwirtschaft lebt (Kaffee, Bananen, Zucker). Mais und Schwarzbohnen
sind das Hauptnahrungsmittel in Guatemala.
Wie und wann bist du nach Bielefeld gekommen?
Mein
Mann, der ein indigener Aymara aus den chilenischen Anden ist, der
Theologie studiert hat, hatte während seines Studiums einen deutschen
Professor in Costa Rica kennengelernt. 15 Jahre später ist er ihm in
Santiago de Chile wiederbegegnet. Der Professor bot ihm eine
Dissertationsstelle an der Uni Bielefeld an. So kam mein Mann nach
Bielefeld - während ich als Religions- und Spanisch-Lehrerin an einer
chilenischen Schule arbeitete. Parallel machte ich einen Master in
Sozialpsychologie. Nach eineinhalb Jahren bin ich meinem Mann dann nach
Bielefeld gefolgt, habe Deutsch gelernt und ein Jahr lang
Freiwilligendienst in der Laborschule gemacht. Das war eine sehr
wichtige Lebenserfahrung für mich. Ich habe mit Kindern von 9 bis 12
gearbeitet.
2016 ging mein Mann nach dem Abschluss seiner Promotion
als Dozent zurück nach Peru an ein theologisches Seminar in den Anden,
während ich in Bielefeld geblieben bin und an der
erziehungswissenschaftlichen Fakultät in Kooperation mit der
Fachhochschule Bielefeld zum Thema Migration und Bildung promoviere. Ich
arbeite über Bildungsverläufe von Kindern in Guatemala, deren Eltern
ausgewandert sind. Die Kinder wurden zurückgelassen. Eine sehr
schwierige Situation für die Kinder. Selbst für mich als Erwachsene ist
die räumliche Trennung von meinem Mann nicht einfach. Wir können zwar
täglich Video-Calls machen, aber natürlich vermisse ich ihn. Allerdings
liegt mir daran, dass er sich, genauso wie ich, beruflich verwirklichen
kann. Für einen Indigenen ist die wissenschaftliche Laufbahn, die er hat
einschlagen können, nicht selbstverständlich. Indigene waren lange von
einer Universitätskarriere ausgeschlossen. Mein Mann hat so viele Hürden
genommen. Er muss das weitermachen! Das ist auch mir wichtig.
Gibt es etwas aus Guatemala, was du in Deutschland vermisst? Und etwas, was du hier in Deutschland besonders schön findest?
Es
ist komisch. Ich bin in Deutschland, und ich vermisse Guatemala. Die
Familie, das Essen, die Freunde, die Natur, die Flüsse... Aber wenn ich
in Guatemala bin, vermisse ich Deutschland. Wie schön es ist.
Weihnachten zum Beispiel, mit den vielen Lichtern, dem Weihnachtsbaum,
dem Gebäck. Und die persönliche Sicherheit. Als Frau kann ich mich in
Deutschland nachts frei bewegen. Ich gehe allein durch den Wald und
fühle mich sicher. Und diese Art von Respekt, den ich hier erfahre. Mein
Mann sagte immer: Ich fühle mich als Indigener so gut in Deutschland.
Es gibt da keine Diskriminierung mir gegenüber. So ist das auch für
mich. Ich kann anziehen, was ich will. Niemand schaut mich komisch an.
Das ist eine Freiheit, die ich vermisse, wenn ich in Guatemala bin. Das
Klima ist dagegen ein schwieriges Thema. Die deutsche Dunkelheit, die es
häufig gibt, macht mich ein bisschen traurig. Im Winter raubt mir die
schwere Bekleidung regelrecht den Atem.
Hast du immer unterrichtet? Wenn nicht, was hast du vorher gemacht?
Wie
gesagt habe ich in Guatemala Spanisch unterrichtet, war auch für
Menschenrechtsbewegungen tätig und habe mich um Frauenrechte gekümmert,
Alphabetisierungsunterricht gegeben. Wie man sieht: Ich war immer im
Bildungsbereich tätig. Schon als Kind habe ich als Tochter einer
Analphabetin gedacht, dass Bildung Türen öffnen kann. Ich bin die erste
nicht nur aus meiner Familie, sondern auch aus meinem Dorf, die einen
Universitätsabschluss hat.
Kannst du uns eine Anekdote über
deine (ehemaligen) Studis oder über Sprachkontakte erzählen? Es kann
etwas Lustiges oder leicht Peinliches sein, das jedem von uns passieren
kann.
Einmal wollte ich im Unterricht einen Witz erzählen. Ich musste nach den rechten deutschen Worten suchen, habe mich totgelacht - aber ich war die einzige. Es ging um ein Obst aus Guatemala, Nance. Diese Frucht hat drei Haare. Wir sagen: Drei Haare im A.... Leider kennt man diese Frucht in Deutschland nicht. Man kann unsere Heiterkeit darüber leider nicht nachvollziehen. Zu Witzen gehören nun mal einschlägige Erfahrungen. Das habe ich bei der Gelegenheit wirklich erfahren können.
Und noch was: Wenn wir kochen, dann sagen wir: ein bisschen davon, ein Stück hiervon, ein wenig länger kochen oder nur ganz kurz. - Ihr braucht Gramm- und Liter-Angaben, Minuten und Stunden. Alles abgezählt. Das gibt es in guatemaltekischen Küchen nicht.
Apropos zählen: Zähl doch mal an den Fingern ab: 1 - 2 - 3.
Du fängst mit dem Daumen an? - Komisch. Das klappt doch gar nicht! Wir machen das anders: Kleiner Finger - Ringfinger - Mittlefinger. Probier mal! Wie klappt das?