Soziologie
Studie zu "Twitter Diplomacy: Außen- und Sicherheitspolitik in Zeiten von Social Media"
Franklin Delano Roosevelts als
„Fire Side Chats“ bekannte gewordenen Radiobotschaften während der großen
Depression, John F. Kennedy und das Fernsehen, Obama und Facebook: Der
Aufstieg politischer Führungsfiguren und ganze politische Epochen waren
historisch immer auch mit Kommunikationsmedien verbunden – und wurden nicht
selten von diesen geprägt. Aber wohl nie zuvor war dies so deutlich wie in der
laufenden Amtszeit des 45. Präsidenten der USA. Über Twitter betreibt Donald J.
Trump Personalpolitik, geriert sich als Medienkritiker, begleicht
persönliche Rechnungen – und vor allem tut er eins: Er mobilisiert seine Basis.
Seine Unterstützer sprechen von Twitter als seiner “Ultimativen
Massenverbreitungswaffe“. Es selbst hat es, als er die Liquidierung des
IS-Führers Abu Bakr Al-Baghdadi verkündete, so formuliert: „Sie“, gemeint
war der Islamische Staat, „nutzen das Internet besser als so ziemlich jeder in
der Welt. Außer Donald Trump vielleicht.“
Grund genug, sich mit Twitter als Medium der politischen Kommunikation im
transatlantischen Vergleich zu beschäftigen. Wie präsentiert sich die
politische Persona Donald Trump (bzw. @realdonaldtrump und @potus) im Medium Twitter? Wie reagieren
die Staats- und Regierungschefs der EU? Und welche Folgen ergeben sich daraus
für Normen und Handlungsformen der Diplomatie? In Zusammenarbeit mit der
Ludwig-Maximilians-Universität München und gefördert von der Stiftung Mercator
hat das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) in den
letzten Monaten die Verwendung von Twitter in der internationalen politischen
Kommunikation erforscht. In der von Jasmin Siri, Frederik Zimmermann,
Martin Koch, Madeleine Myatt und Tanja Jaschkowitz erarbeiteten Studie „Twitter Diplomacy: Außen- und
Sicherheitspolitik in Zeiten von Social Media. Eine explorative Studie zur Reaktion von
EU-Politikern auf die Twitter-Kommunikation des 45. Präsidenten der
Vereinigten Staaten von Amerika Donald J. Trump“ wurde
schwerpunktmäßig das Twitterverhalten von US-Präsident Trump sowie die
Reaktionen europäischer Spitzenpolitiker analysiert.
Den Autor/innen zufolge kann zwar von einem nachhaltigen Wandel im Sinne einer
umfassenden Veränderung diplomatischer Praktiken (noch) nicht die Rede sein,
eher käme Twitter einer „observation platform“ für die weltpolitische
Bühne gleich. Doch der „Ausnahmefall“ des US-Präsidenten, der Twitter zu seiner
zentralen, traditionelle Kanäle ersetzenden Kommunikationsplattform
gemacht habe, blieb dennoch nicht ohne Folgen – auf die USA, die internationale
Politik und auf Europa. Trumps Twittermanie habe Europa herausgefordert,
„indem er den etablierten diplomatischen Code, die diplomatische Sprache und
den ‚guten‘ Ton“ verletze. Dabei hätten diese Irritationen, gewissermaßen
als „unintendierte Nebenwirkungen“, auch eine einigende Wirkung auf Europa.
Indem sie zu einer Art Projektionsfläche würden für alles, was Europa
nicht sein will, hätten die permanenten Grenzüberschreitungen Trumps auch ein
identitätsstiftendes Moment für Europa, dessen Identität seit Trump vor allem
in der Betonung von Gemeinsamkeiten und enger Verbundenheit – und in
Abgrenzung zu den USA – konstruiert werde.
Twitter Diplomacy: Außen-
und Sicherheitspolitik in Zeiten von Social Media. Eine explorative Studie zur
Reaktion von EU-Politikern auf die Twitter-Kommunikation des
45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Donald J. Trump von
Jasmin Siri, Frederik Zimmermann, Martin Koch, Madeleine Myatt, Tanja
Jaschkowit.