inno.teach
Schöpfungshöhe und Regelungstiefe: das Urheberrecht in der Praxis
Ein Beitrag von David Barber
Die Universität als Ort des Denkens, der Wissenschaft und des Austausches eröffnet häufig auch die Frage, inwiefern Erkenntnisse in Form von Materialen oder Medien Anderer für die eigene Tätigkeit in Forschung und Lehre (weiter)verwendet werden dürfen. Darüber hinaus besteht häufig ein Interesse daran, eigene Beiträge zum Diskurs in einer Art und Weise zu veröffentlichen, die den zur Nutzung berechtigten Personenkreis und/oder die Bedingungen der weiteren Nutzung möglichst passgenau festlegt. Da dem deutschen Urheberrecht zufolge, der gesetzliche Schutz erschaffener Medien vor unberechtigter Nutzung durch andere automatisch eintritt, kann es schwierig sein, zu überblicken, welche rechtlichen Aspekte bei der Nutzung und Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Materialien beachtet werden müssen.
I. Grundlagen des Urheberrechts
Als Einstieg in diese rechtliche Materie geben die §§ 12 und 15 UrhG (Urheberrechtsgesetz) wichtige Weichenstellungen vor. Der „Urheber“ darf zunächst alleine darüber entscheiden, ob und wie eine Veröffentlichung seines „Werks“ erfolgt. Daraus folgt auch, dass der*die Urheber*in bei einer (öffentlichen) Nutzung gegen seinen*ihren Willen Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche geltend machen kann.
Wichtige Begriffe für die Prüfung, ob (diese und andere) Regelungen des UrhG zur Anwendung kommen sind also der „Urheber“ und das „Werk“. Beim Begriff des „Werks“ handelt es sich um eine zusammenfassende Beschreibung von Manifestationen kreativer Betätigungen wie z.B. Zeitschriftenaufsätzen, Büchern, Kunstwerken oder Kompositionen. § 2 Abs. 1 UrhG nennt weitere Arten von Medien, die aber im Sinne eines „Regelbeispiels“ nicht abschließend sind. Das bedeutet, dass auch andere oder noch unbekannte Arten von Medien geeignet sein können, urheberrechtlichen Schutz zu erlangen, wenn eine Vergleichbarkeit zu den bereits benannten Werkarten besteht.
Darüber hinaus ist für das Vorliegen eines Werks im Sinne des Urheberrechts Voraussetzung, dass es sich bei dem Werk um eine „persönliche geistige Schöpfung“ handelt. Damit ist zunächst gemeint, dass das Werk von Menschenhand erschaffen sein muss und nicht lediglich Ausdruck eines technischen Automatismus ist. Ebenfalls wird als persönliche geistige Schöpfung nur ein Werk angesehen, welches einen bestimmten Grad an Authentizität, Einzigartigkeit und Kreativität aufweist und durch die verwendeten Elemente einen merklichen Eindruck von Originalität und/oder Ästhetik vermittelt. Dabei wurden aufgrund der Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs der „persönlichen geistigen Schöpfung“ neben den genannten allgemeinen Auslegungsmaßstäben auch bezgl. der einzelnen Kategorien von Werken durch die Rechtsprechung weitere Konkretisierungen entwickelt. So führt etwa der Bundesgerichtshof auf, bei einem Schriftwerk könne „die urheberrechtlich geschützte, individuelle geistige Schöpfung sowohl in der von der Gedankenführung geprägten Gestaltung der Sprache als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffs zum Ausdruck kommen“.1 Es kann also in Einzelfällen schwierig sein, zu ermitteln, ob die sog. „Schöpfungshöhe“ eines Werks vorliegt.
Den Begriff des „Urhebers“ fasst § 7 UrhG so zusammen: „Urheber ist der Schöpfer des Werkes“, also beispielweise der*die Autor*in, Maler*in oder Komponist*in. Für den Fall einer gemeinsamen kreativen Betätigung sind im UrhG Regelungen enthalten, welche die Aufteilung oder gemeinsame Ausübung der erworbenen Urheberrechte festlegen.
Ein urheberrechtlicher Schutz von Medien erfolgt also (gem. § 15 UrhG) dann, wenn das persönlich geschaffene Medium einer typischen Art künstlerischen-kreativen Ausdrucks zugeordnet werden kann (§ 2 Abs. 1 UrhG) und den oben genannten Maßstäben zu Individualität und Ausdruck („persönliche geistige Schöpfung, § 2 Abs. 2 UrhG) entspricht.
Hierbei ist von großer Bedeutung, dass das Urheberrecht an einem Werk unmittelbar mit der Schöpfung entsteht und nicht, etwa wie bei Patenten, zunächst angemeldet oder eingetragen werden muss. Die Reichweite des urheberrechtlichen Schutzes umfasst dabei auch automatisch alle gesetzlich exklusiv den Urheber*innen zugewiesenen Rechte („alle Rechte vorbehalten“).
Wichtig ist auch, dass durch das Urheberrecht nicht die Idee zu einer kreativen Tätigkeit geschützt wird, sondern nur das konkrete „Werk“, also die Ausführung der Idee in einer bestimmten Form. Dem Urheber werden zwar umfangreiche Rechte eingeräumt (z.B. das Recht der Vervielfältigung oder das Recht der öffentlichen Widergabe des Werkes), jedoch kein rechtlicher Schutz dahingehend, dass die in dem Werk enthaltenen Informationen exklusiv durch den Urheber verwendet werden dürfen. Somit kann der Urheber beispielsweise verhindern, dass Kopien oder Bearbeitungen seines Artikels / seiner Monographie in der konkreten Form als Schriftwerk verbreitet werden, in dem Text vermittelte Ideen, Informationen und Erkenntnisse unabhängig von ihrer individuellen Darstellung (z.B. neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Wirkzusammenhänge oder Ideen zur Lösung eines theoretischen oder praktischen Problems) bleiben allerdings frei von einem urheberrechtlichen Schutz. Für den abstrakten Schutz von Ideen können durch die Anmeldung von Designs (bestimmte äußere Eigenschaften von Gegenständen/Produkten) oder Patenten (technische Innovationen) Andere von einer Nutzung ausgeschlossen werden.
II. Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken im Rahmen von Lizenzen und Schrankenbestimmungen
Ist also beabsichtigt, ein urheberrechtlich geschütztes Werk (z.B. im Rahmen einer eigenen Veröffentlichung) wiederzugeben, kann sich zunächst mit dem*der Urheber*in darauf verständigt werden, dass durch individuelle Regelung Nutzungsrechte an dem urheberrechtlich geschützten Werk eingeräumt werden (bei dieser Art von Vereinbarung handelt es sich um die sog. „Lizenz“). Es kann auch vorkommen, dass der*die Urheber*in ihre Nutzungsrechte bereits exklusiv auf Dritte übertragen hat, in diesem Fall wäre der*die entsprechende Rechteinhaber*in Verhandlungspartner. Die konkrete Ausgestaltung obliegt dabei den Parteien und enthält üblicherweise Regelungen zum Gegenstand der Rechteeinräumung, zur (Nicht-)Exklusivität der Nutzung und dem räumlichen, sachlichen und zeitlichen Umfang der Nutzung sowie zu Fragen der Haftung.
Das Recht der Entscheidung über die Veröffentlichung, das Recht der Entscheidung über die namentliche Nennung als Urheber*in und das Recht des Wehrens gegen Entstellung des Werkes (Urheberpersönlichkeitsrechte) verbleiben immer bei den Urheber*innen und sind einer Übertragung an Dritte entzogen. Dies liegt an der gesetzlich angenommenen Verbindung des Werkes mit der künstlerischen Persönlichkeit des*der Urheber*in. Deshalb kommt es gerade im gewerblichen Bereich häufig vor (z.B. bei Werbebildern), dass Urheber*in und Inhaber*in ausschließlicher Nutzungsrechte auseinanderfallen. Es sollte dann genau darauf geachtet werden, wer im Einzelfall verbindlich die Einräumung von Nutzungsrechten erklären darf.
Neben einer individuell vereinbarten Rechteeinräumung haben Urheber*innen auch die Möglichkeit, im Voraus allgemeine Nutzungsbedingungen zu bestimmen und dadurch die erlaubte Nutzung zu regeln. Dies kann attraktiv sein, da ohne eine entsprechende Regelung potentielle Nutzer*innen des Werkes davon ausgehen müssen, dass nach der zugrundeliegenden Konzeption des UrhG nach dem Willen der Urheber*innen „alle Rechte vorbehalten“ sind, also kein Spielraum bei den Modalitäten der erlaubten und vorbehaltenen Nutzung mitgeregelt wird. Nutzer*innen werden dann durch das Akzeptieren der Bedingungen und das Nutzen der Medien dazu verpflichtet, die entsprechenden Regularien einzuhalten. Dieses Modell liegt z.B. den sogenannten „CC-Lizenzen“ der Creative Commons Stiftung zugrunde. Bei diesen rechtlichen Bausteinen handelt es sich um vorformulierte Lizenztexte, die Urheber*innen zur Regelung der Bedingungen für die Nutzung Ihrer Werke durch das Anbringen eines entsprechenden Lizenzhinweises ggü. jedermann für verbindlich erklären können. Dabei erfolgt im Rahmen der verfügbaren Lizenzbausteine eine rechtliche Abstufung der zu berücksichtigenden Nutzungsbedingungen, sodass durch die Urheber*innen auf flexible Art und Weise sowohl ein sehr liberaler Umgang mit dem Urheberrecht als auch eine engere Orientierung an typischen urheberrechtlichen Pflichten für Nutzer*innen festgelegt werden kann.
Auch wenn es im Rahmen der Verwendung solcher Lizenzbausteine praktisch sein kann, im Internet Medien mit vorformulierten, allgemeingültigen Lizenztexten vorzufinden, welche die Bedingungen der Nachnutzung transparent machen, besteht leider weiterhin das Risiko, dass der*die vermeintliche Rechteinhaber*in solcher angebotenen Medien (z.B. bei Pixabay oder im Rahmen von OER-Plattformen) rechtlich gar nicht dazu befugt war, die entsprechenden Nutzungsrechte einzuräumen.
Anders als etwa bei den Regelungen zum Eigentum im bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt es im Urheberrecht nämlich nicht den sog. „gutgläubigen Erwerb“. Nutzer*innen von urheberechtlich geschützten Werken können sich also nicht darauf berufen, dem Anschein vertraut zu haben, die Nutzungsrechteeinräumung sei durch eine berechtigte Person erfolgt. Hier wird durch die Rechtsprechung häufig das Argument angeführt, Nutzer*innen von kostenlosen Materialien seien diesbezüglich zu besonderer Vorsicht verpflichtet.
Über die vertragliche Einräumung von Nutzungsrechten hinaus gewährt das UrhG in bestimmten Fällen auch ohne Einverständnis der Urheber*innen eine privilegierte Nutzung geschützter Werke. Im Rahmen dieser „Schrankenbestimmungen“ (da sie die Rechte der Urheber*innen einschränken) werden typische Fälle geregelt, in denen das gesellschaftliche Interesse am Zugang zu bestimmten Medien das Interesse der Urheber*innen am Schutz ihrer geistig-kreativen Betätigung überwiegt. Klassische Anwendungsbereiche sind hier etwa Rechtspflege und öffentliche Sicherheit (§ 45 UrhG), Zitate (§ 51) oder die Verwendung von Werken in Forschung und Lehre (§§ 60a ff.) Eine Urhebernennung nach § 13 UrhG bleibt auch in diesen Fällen weiterhin erforderlich. Teilweise wird auch die Pflicht zu einer pauschalierten Entlohnung der Urheber*innen geregelt.
III. Lizensierung eigener Werke
Dementsprechend kann auch bei der Veröffentlichung eigener Werke ausgewählt werden, ob der volle Schutz des Urheberrechts gelten soll („alle Rechte vorbehalten“) oder eine (offene) Lizenz, z.B. eine CC-Lizenz, besser die mit der Veröffentlichung beabsichtigten Ziele berücksichtigt. Beachtet werden sollten im Rahmen der Lizensierung von Werken noch zwei Sonderfälle: Studien- und Prüfungsleistungen von Studierenden unterliegen in vielen Fällen ebenfalls urheberrechtlichem Schutz. Vor einer Veröffentlichung entsprechender Inhalte durch Stellen der Universität muss also auf jeden Fall eine entsprechende Nutzungsrechteeinräumung eingeholt werden (alternativ können die Studierenden nach entsprechenden Erklärungen zu den Chancen und Risiken auch darum gebeten werden, ihre Medien selbst mit einer offenen Lizenz zu versehen, um eine legale Nachnutzung zu ermöglichen).
Urheber*innen in Arbeits- und Dienstverhältnissen (im Universitätskontext z.B. wissenschaftliche oder studentische Mitarbeiter*innen) unterliegen bezgl. ihrer Urheberrechte an erschaffenen Werken im Rahmen Ihrer Tätigkeit besonderen Einschränkungen. Da sie bereits durch Ihre Gehaltszahlungen eine entsprechende Gegenleistung erhalten und der Arbeitgeber so gesehen eine Investition getätigt hat, werden dem Arbeitgeber im Regelfall exklusive Nutzungsrechte an den im Rahmen der arbeitsvertraglichen Pflichten entstandenen Werke eingeräumt.
IV. Und jetzt?
Dieser kurze Einblick in das Urheberrecht kann nur einen Überblick über die Thematik geben und soll auch eine persönliche rechtliche Beratung nicht ersetzen. Bei allgemeinen Rückfragen oder konkreten urheberrechtlichen Anliegen können Sie sich gerne bei mir (David Barber , Justiziar Dez. Studium und Lehre, david.barber@uni-bielefeld.de) melden. Im Rahmen des hochschulweiten Lehrprojekts BiLinked ist er Ansprechperson für rechtliche Fragen.
1 BGH, GRUR 2011, 134, BeckOnline Rn, 36 m.w.N.