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Eine Lehrkooperation über Disziplin- und Hochschulgrenzen hinweg? Dank digitaler Tools kein Problem!

Veröffentlicht am 28. Juli 2023, 11:00 Uhr

Kann digitales Lehren und Lernen über Disziplin- und Hochschulgrenzen hinweg funktionieren? Die Antwort ist ja! Und dies ist weniger aufwendig als gedacht: Die Schaffung digitaler und hochschulübergreifender Lehr-Lern-Settings bedarf lediglich die Verwendung einiger weniger Online-Tools sowie guter Planung und Vorbereitung.

Ein Beitrag von Alessa Schuldt

Um künftige Lehrkräfte auf die berufsgruppenübergreifende Kooperation mit anderen pädagogischen und sozialen Professionen bereits während der universitären Ausbildung vorbereiten zu können, wird im Rahmen von BiProfessional1, dem Bielefelder Standortprojekt der von Bund und Ländern finanzierten „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ regelmäßig das Seminarangebot „Multiprofessionelle Kooperation in inklusiven Ganztagsschulen“ angeboten. Da die Potenziale der multiprofessionellen Kooperation in der Schulpraxis oftmals nicht hinreichend ausgeschöpft werden, weil es Lehrkräften u.a. an Wissen über die Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche sowie die Kompetenzen anderer Berufsgruppen mangelt, ist es uns ein wichtiges Anliegen, im Zuge multiprofessionell ausgerichteter Lehrveranstaltungen frühzeitig einen Kontakt zwischen Lehramtsstudierenden und Vertreter*innen anderer pädagogischer und sozialer Professionen herzustellen und die Diskurse zu den Themen Inklusion und Ganztag zusammenzuführen. Damit aber nicht nur die Studierenden hier vor Ort in Bielefeld, sondern auch an anderen Hochschulen von unserem innovativen Lehrkonzept und der umfangreichen Materialsammlung profitieren können, haben wir uns aktiv darum bemüht, mit Lehrenden und Studierenden anderer Standorte, wie z.B. der Universität Siegen und der Hochschule Nordhausen, zusammenzuarbeiten.

Leichter gesagt als getan!

Denn unsere Transferbemühungen fielen tatsächlich genau in die Zeit der Corona-Pandemie. So war es alles andere als leicht, Kontakte mit Lehrenden anderer Institutionen zu knüpfen, geschweige denn sie davon zu überzeugen, eine gemeinsame digitale Lehrveranstaltung mit uns durchzuführen.
Im ersten Corona-Winter organisierte ich gemeinsam mit einigen Kolleg*innen der Universität Kassel einen Online-Workshop zum Thema „Team Teaching in der Hochschule“ und warb für unser Lehrkonzept um potentielle Mitstreiter*innen jenseits der Bielefelder Uni. Hier lernte ich Prof. Dr. Markus Sauerwein kennen – oder sollte ich besser sagen, die schlechte Internetverbindung von Markus an jenem Tag. Eine Baustelle vor der Haustür lies sein Videobild immer wieder einfrieren und schmiss ihn mehrere Male aus dem Zoom-Meeting. Keine ideale Ausgangslage für den Aufbau einer gemeinsamen Lehrkooperation, aber Markus ließ sich davon zum Glück nicht abschrecken und wir verabredeten uns erneut per Zoom, um gemeinsame Interessen und die jeweiligen Rahmenbedingungen an unseren Hochschulen auszuloten. An diesem Tag funktionierte die Internetverbindung einwandfrei und wir legten den Grundstein für unsere kollegiale Kooperation.
Circa ein Jahr und einen Hochschulwechsel später (Markus wechselte von der Fliedner FH in Düsseldorf an die Hochschule Nordhausen in Thüringen), war es dann endlich soweit: Wir gingen in die konkrete Feinplanung unserer gemeinsamen Lehrveranstaltung im Wintersemester 2022/23. In der Zwischenzeit komplementierten Annalena Danner (wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Nordhausen) und Manfred Palm (Lehrer im Hochschuldienst an der Universität Bielefeld) unser Lehrenden-Team und das gemeinsame Seminarangebot wurde an beiden Standorten für eine Vielzahl an Bachelor- und Masterstudiengängen geöffnet (s. Abb. 1).

Schematische Darstellung des multiprofessionellen Lehr-Lern-Settings Grafik: Alessa Schuldt
Abbildung 1: Schematische Darstellung des multiprofessionellen Lehr-Lern-Settings (eigene Darstellung) Grafik: Alessa Schuldt

 

Aller Anfang ist bzw. war schwer.

Die anfängliche Idee einer gemeinsamen Blockveranstaltung, bei der Lehrende und Studierende sich gegenseitig an den verschiedenen Standorten besuchen, musste allerdings aufgrund fehlender Exkursionsmittel schnell ad acta gelegt werden. Auch das Blockformat stand anfänglich auf der Kippe, da beide Hochschulen zunächst ein wöchentliches Format verlangten und feste Zeitfenster vorgaben. Schließlich ließ sich aber eine Art Mischformat (s. Abb. 2) realisieren: So starteten wir zunächst – jeder Standort für sich – mit wöchentlichen Inputveranstaltungen, die unabhängig voneinander und zu verschiedenen Themenschwerpunkten durchgeführt wurden. Zur Mitte der Vorlesungszeit fand dann der erste gemeinsame Block im Sinne einer gemeinsamen Kick-Off-Veranstaltung statt, die die hochschulübergreifende Projektphase einläuten sollte. Dafür teilten sich die Studierenden in Kleingruppen auf, in denen eine berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit anhand von Fall- oder Konzeptarbeit simuliert werden sollte. Diese Arbeitsphase fand ausschließlich digital statt und wurde von den Studierenden weitestgehend selbstständig organisiert. Den Abschluss des gemeinsamen Veranstaltungsblocks markierte die Ergebnispräsentation Mitte Januar 2023. Für die Umsetzung der gemeinsamen digitalen Meetings, musste lediglich auf einige wenige Online-Tools zurückgegriffen werden: So wurde zum einen Zoom für die Durchführung der Blockveranstaltungen und das kollaborative Arbeiten in den Kleingruppen genutzt. Zum anderen verwendeten wir ein GoogleDoc zum Austausch der Kontaktdaten sowie ein Padlet für die Bereitstellung von Materialien und Aufgabenstellungen.

Aufbau und zeitlicher Ablauf der gemeinsamen Lehr-Lern-Kooperation Grafik: Alessa Schuldt
Abbildung 2: Aufbau und zeitlicher Ablauf der gemeinsamen Lehr-Lern-Kooperation Grafik: Alessa Schuldt

 

Als Unterstützungsangebot boten wir den Kleingruppen digitale Sprechstunden an. Allerdings benötigten die Studierenden anscheinend gar keine Form der Hilfe. Alle Gruppen waren arbeitsfähig und erarbeiteten Ergebnisse, die sich vor allem durch ihre hohe Qualität auszeichneten. Zudem waren wir Lehrenden absolut begeistert von der digitalen Aufbereitung und Präsentation der Arbeitsergebnisse. Wirklich jedes einzelne Gruppenmitglied übernahm eine kurze Sprech- und Vorstellungsaufgabe während der digitalen Ergebnispräsentation, obwohl wir dies so vorab gar nicht eingefordert hatten. (Darüber hinaus hatten – bis auf zwei an Corona erkrankte Teilnehmer*innen, die auf eigenen Wunsch und trotz Krankheit unbedingt an der Vorstellungsrunde teilnehmen wollten – alle ihre Kamera an. 😉)


Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Rückblickend betrachtet war die digitale Lehr-Lern-Kooperation ein absoluter Gewinn für alle Beteiligten, auch wenn die Vorbereitung doch so einiges an Zeit verschlang und vor allem Annalena und mir recht viel an vorausschauender Organisation abverlangte. Diese nahmen wir aber letztlich gerne in Kauf, weil wir immer die Vorteile unserer Kooperation klar vor Augen hatten und die Studierenden unterschiedlicher pädagogischer Fachrichtungen miteinander in den Austausch bringen wollten. Dieser war auch für die Studierenden nicht immer einfach, wie ein abschließendes Reflexionsgespräch offenbarte. Dies lag aber eher weniger an schlechten Internetverbindungen als an zum Teil sehr unterschiedlichen pädagogischen Standpunkten bzw. Sichtweisen sowie an der Einsozialisierung in verschiedene Berufsfelder und -kulturen. Umso schöner, dass unser gemeinsames Lehrprojekt die Studierenden hierfür sensibilisieren und somit vielleicht auch ein bisschen besser auf mögliche Herausforderungen der multiprofessionellen Kooperation in der Praxis vorbereiten konnte.
Aber auch für uns Lehrende war die Kooperation sehr lohnenswert und hat enorm zur Weiterentwicklung des Konzepts und der Arbeitsmaterialien beigetragen. Darüber hinaus haben Manfred und ich, die beiden „Lehrenden“ im Team, zwei tolle neue Kolleg*innen aus dem Bereich der Sozialpädagogik sowie ihre umfassende Expertise für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zu schätzen gelernt. Diese Verbindung wird hoffentlich noch lange anhalten und eine Lehrkooperation bei nächster Gelegenheit wiederholt werden. Denn durch unsere gute „Vorarbeit“ dürften die kommenden Lehrprojekte mit deutlich weniger Vorbereitungszeit zu meistern sein. Und wer weiß, vielleicht treffen wir vier uns dann ja auch das erste Mal persönlich – ganz ohne instabile Internetverbindungen im Zoom.

Das Lehrkonzept und die digitale Kooperation zwischen Lehrenden und Studierenden der Universität Bielefeld und der Hochschule Nordhausen wurde im Mai 2023 vom Stifterverband mit der Hochschulperle des Monats ausgezeichnet. Weitere Informationen

Interesse am Seminarkonzept oder am kollegialen Austausch?
Kontaktadresse:
Alessa Schuldt
Wiss. Mitarbeiterin
E-Mail: alessa.schuldt@uni-bielefeld.de
Kooperationsseminar: „Multiprofessionelle Kooperation in inklusiven Ganztagsschulen“
Tel.: 0521 – 106 3130

1 Das diesem Blog-Beitrag zugrundeliegende Vorhaben wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1908 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin des Beitrags.
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