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Wie viel Sozialität braucht Künstliche Intelligenz? (Nr. 4/2024)
Philosophin Johanna Seibt spricht bei Vortragsreihe zur Ko-Konstruktion
Soziale Interaktionen zwischen Menschen nehmen viele verschiedene Formen an: Zusammenarbeit, Mitgestaltung, Kooperation, Kollaboration. Selbst wenn die einzelnen Handlungen funktional ähnlich sind, was gemeinsam getan wird, hängt letztlich davon ab, wie es gemeinsam getan wird. Die Philosophin Professorin Dr. Johanna Seibt von der Universität Aarhus in Dänemark sieht hier Schwierigkeiten für Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik. Einblicke in ihre Forschung dazu gibt die Expertin für Robophilosophie am kommenden Montag, 15. Januar, ab 16 Uhr, in einem hybriden Vortrag via Zoom und in Präsenz im CITEC-Gebäude der Universität Bielefeld (Raum 1.204). Die Veranstaltung gehört zu der Reihe „Co-Constructing Intelligence“ (Ko-Konstruktion von Intelligenz), einem Angebot der Universitäten Bielefeld, Bremen und Paderborn. Die Teilnahme an dem englischen Vortrag ist kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
In den sozialen Interaktionsszenarien, die derzeit für den künftigen öffentlichen Einsatz von Robotern und KI vorstellbar sind, müssen diese als künstliche soziale Agenten konzipiert werden, so Seibt. In ihrem Vortrag „The Problem of Artificial ’Social Others’: How Much Sociality Do We Need for Hybrid Intelligence?“ („Das Problem der künstlichen ,sozialen Anderen‘: Wie viel Sozialität brauchen wir für hybride Intelligenz?“) geht die Philosophin darauf ein, dass das theoretische Konstrukt der „Anthropomorphisierung“, also menschliche Eigenschaften auf Nichtmenschliches zu übertragen, im Zusammenhang mit KI und Robotern überdacht werden müsse. Es geschehe vielmehr eine „Soziomorphisierung“ in dem den künstlichen Intelligenzen Koordinationsfähigkeiten zugewiesen würden, die sie befähigten, auf verschiedene Arten sozial zu interagieren, ohne dass sie zwingend menschliche Fähigkeiten zugeschrieben bekommen.
„Johanna Seibt gehört zu den international führenden Wissenschaftler*innen zu Mensch-Roboter-Interaktion“, sagt Professor Dr. Philipp Cimiano, Leiter der Arbeitsgruppe Semantische Datenbanken an der Universität Bielefeld, der den Vortrag mit organisiert. „Derzeit befasst sie sich mit Robophilosophie, einem neuen Bereich der angewandten interdisziplinären Philosophie. Ihre Forschung liefert weitreichende Impulse dazu, wie die Phänomene der Mensch-Roboter Interaktion der Philosophie neue Aufgaben aufgeben – sowohl in der Ethik wie auch in der theoretischen Philosophie.“
Ontologischer Beschreibungsrahmen zur sozialen Robotik
Seibt ist Direktorin der Robophilosophy Research Unit der Universität Aarhus, die interdisziplinäre philosophische und empirische Forschung zur Mensch-Roboter-Interaktion und Robotik betreibt. In ihrem Vortrag stellt sie nun den neu entwickelten Beschreibungsrahmen OASIS (Ontology of Asymmetric Social Interactions, übersetzt: Ontologie der asymmetrischen sozialen Interaktionen) vor, mit dem im Detail untersucht werden kann, welche Formen der Soziomorphisierung für eine geplante Anwendung förderlich sind.
Durch die Unterscheidung von zehn Sozialitätsebenen und fünf Simulationsgraden ermögliche OASIS hochdifferenzierte Beschreibungen menschlicher sozialer Interaktion mit Robotern und KI, die benötigt würden, um Nutzer*innen dabei zu helfen, ihre Erwartungen an die Zuverlässigkeit der KI anzupassen und ethische Risikobewertungen von KI durchzuführen.
Vortragsreihe dazu, wie die Umwelt gemeinsam interpretiert wird
Der Vortrag ist Teil der Vortragsreihe „Co-Constructing Intelligence“. Für die Reihe kooperieren die Universitäten Bielefeld, Bremen und Paderborn. Philipp Cimiano organisiert die Vortragsreihe unter anderem mit der Bielefelder Informatikerin Professorin Dr.-Ing. Britta Wrede, dem Bremer Informatiker Professor Dr. Michael Beetz und der Paderborner Linguistin Professorin Dr. Katharina Rohlfing. Die Vortragsreihe ist ein Angebot einer gemeinsamen Forschungsinitiative der drei Universitäten. Der Zusammenschluss nutzt das Prinzip der Ko-Konstruktion, um das Verständnis und die Fähigkeiten von Robotern an die von Menschen anzupassen. Die Forschenden arbeiten so an der Basis für eine flexible und sinnhafte Interaktion von Robotern mit Menschen im Alltag. Der Begriff Ko-Konstruktion bezieht sich darauf, dass die Interpretation der Umwelt und die Ausführung von Handlungen in Zusammenarbeit erfolgen.
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