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Intelligente Brille ersetzt Bauanleitung für Vogelhäuschen (Nr. 42/2017)
Entwicklung von CITEC-Forschern an der Universität Bielefeld
Statt mühsam die richtigen Teile zu suchen und mit einer Hand umzublättern, blendet die intelligente Brille des Adamaas-Systems direkt ins Sichtfeld ein, welcher Arbeitsschritt als nächstes dran ist. Das gilt für das Bedienen einer Kaffee-Maschine genauso wie für den Bau eines Vogelhäuschens. Professor Dr. Thomas Schack, Dr. Kai Essig und Dr. Matthias Schröder haben am Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld die intelligente Brille weiter entwickelt. Durch „Computer-Vision“ kann das System eigenständig Objekte und Handlungsschritte erkennen und darauf aufbauend entsprechende Handlungsunterstützung direkt auf das Display der Brille übertragen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit 1,2 Millionen Euro. Ein Film über Adamaas ist jetzt auch online zu sehen.
„Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sind beim Bau eines Vogelhäuschens schnell überfordert. Mit der intelligenten Brille können sie Schritt für Schritt ein Vogelhaus bauen und werden dabei ihren Bedürfnissen entsprechend angeleitet“, sagt Dr. Kai Essig, der das Adamaas-System mit entwickelt. „Durch vorherige Messungen der mentalen Repräsentations-Strukturen der Nutzerinnen und Nutzer kann sich die Brille individuell auf die Bedürfnisse der Probanden einstellen.“ Die Messungen können die Probanden bequem vorab an einem Tablet ausführen, indem sie verschiedene Bilder bestimmten Arbeitsschritten zuordnen. Wenn eine Person zum Beispiel Schwierigkeiten dabei hat, das Dach auf dem Vogelhäuschen zu montieren, weiß das System das und kann entsprechend umfangreichere Unterstützung bei diesem Schritt geben. Außerdem überprüft das Adamaas-System die Herzfrequenz und blendet beruhigende Hinweise im Display ein, noch bevor die Person überfordert ist.
Bisher haben die Adamaas-Forscher das System genutzt, um zum Beispiel bei der Bedienung eines modernen Kaffeeautomaten zu unterstützen. Der Vorteil dabei war, dass die verwendete Kaffeemaschine (Projektpartner Miele) direkt den aktuellen Zustand erkennen und an die Brille weitergeben konnte. „Die Schwierigkeit beim Bau eines Vogelhäuschens ist, dass die einzelnen Bauteile und Handlungsschritte direkt von der Brille erkannt werden müssen. Was dabei für den Menschen selbstverständlich ist, stellt ein technisches System vor hohe Herausforderungen“, sagt Dr. Matthias Schröder, der die „Computer-Vision“ des Adamaas-Systems programmiert hat. „Mittels einer Kamera kann die Brille nicht nur erkennen, wo welches Objekt liegt, sondern auch welches Bauteil gerade von der Nutzerin oder dem Nutzer in die Hand genommen oder mit den Augen betrachtet wird.“ Das System kann dann situationsabhängig Anweisungen geben und direkt personengebundene Handlungsunterstützungen per Einblendungen anzeigen. „Mit der Computer-Vision kann das Adamaas-System nahezu jeden Bauprozess unterstützen“, sagt Professor Dr. Thomas Schack, Leiter des Adamaas-Projektes. „So müssen Probanden nicht mehr mit einer Bedienungsanleitung hantieren und umständlich mit einer Hand die Arbeitsschritte ausführen. Sie können direkt mit beiden Händen arbeiten und bekommen die Schritte eins zu eins eingeblendet. Das ist auch für die Industrie spannend.“
Neben Prowerk und dem Seniorenzentrum Breipohls Hof der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel ist das Familienunternehmen Hettich Partner im Projekt Adamaas. Beim Zusammenbau einer Schrankschublade mit Antriebstechnik ist eine Bedienungsanleitung oft wenig hilfreich. Auszubildende oder auch Mitarbeiter werden durch die eingeblendeten Arbeitsschritte im Brillendisplay ideal unterstützt. „Denkbar wäre zum Beispiel, dass Mitarbeiter bei Hettich die Brille bei der Montage nutzen, um schnell zu lernen, wie die Schubladen zusammengesetzt werden müssen“, sagt Schack. „Das Adamaas-System ist also auch für die Arbeit 4.0 konfiguriert, indem es Montage-Aufgaben durch Augmented Reality unterstützt.“
Zurzeit führen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Adamaas-Studien mit Probanden von Hettich, Prowerk und dem Seniorenzentrum Breipohls Hof durch. In Zukunft sind auch Studien mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Hettich geplant. So können sie noch besser auf die individuellen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer eingehen und weitere Forschungsmöglichkeiten erkunden. In Zukunft soll das Adamaas-System ganz ohne zusätzliche Kamera auskommen und allein über die in der Brille integrierte Kamera die Nutzenden unterstützen.
Weitere Partner im Projekt Adamaas ist der Eye Tracking Spezialist SensoMotoric Instruments (SMI), die die Hardware für die Brille entwickeln und bereitstellen. Die Velamed GmbH Medizintechnik und Biomechanische Konzepte entwickelt ein System zur ressourceneffizienten und robusten Aufnahme und Auswertung von Vitalparametern. Außerdem arbeiten verschiedene Fakultäten der Universität Bielefeld mit externen Partnern zusammen. Neben Professor Dr. Helge Ritter (AG Neuroinformatik), Professor Dr. Thomas Schack (AG Neurokognition und Bewegung), Dr.-Ing. Sven Wachsmuth (Zentrallabor) und Dr. Kai Essig (AG Neurokognition und Bewegung) vom CITEC ist die Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft, sowie die Technische Fakultät und das Netzwerk Bielefeld 2000plus beteiligt. Die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften unterstützt ADAMAAS mit dem Institut für Technologische Innovation, Marktentwicklung und Entrepreneurship (iTIME) bei der Entwicklung eines Marketing- und Vertriebskonzeptes.
Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Schack, Universität Bielefeld,
Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC)
Telefon: 0521/106-6432
E-Mail: thomas.schack@uni-bielefeld.de
Weitere Informationen im Internet:
• Link zum Video: https://youtu.be/lr6-LDAOqOo
• Adamaas-Projektseite: http://www.uni-bielefeld.de/sport/arbeitsbereiche/ab_ii/research/adamaas.html
• Informationen zu Adamaas: https://cit-ec.de/de/news/die-welt-durch-eine-unterst%C3%BCtzende-brille-sehen