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Zentrum für Ästhetik der Universität
Bielefeld
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Schon zum vierten Mal gastiert das Orchester der Hochschule für Musik Detmold unter Leitung von Florian Ludwig an der Universität Bielefeld. Diesmal ist das Programm mit „Ein Himmel ohne Geigen“ überschrieben und tatsächlich sind ausschließlich Stücke zu hören, bei denen auf die Violinen verzichtet wird. Das aber ist alles andere als betrüblich – ganz im Gegenteil: Das Konzert bietet ein kontrastreiches Programm bedeutender Orchestermusik des 19. und 20. Jahrhunderts.
Der polnisch-britische Komponist und Dirigent Andrzej Panufnik (1914-1991) ist hierzulande weitgehend unbekannt, obwohl er sogar Vizepräsident des Internationalen Musikrates der UNESCO war. Welch bedeutender Musiker er war, beweist auch seine dreisätzige „Muzyka jesieni“ (Herbstmusik) von 1962. Sie entstand als Requiem für eine Freundin acht Jahre nach seiner Emigration aus Polen, wo die Situation unter der kommunistischen Herrschaft (nicht nur) für ihn unerträglich geworden war. Panufniks Tonsprache ist weitgehend tonal und modal und zugleich von großer, den Hörer unmittelbar erreichender Eindringlichkeit.
Paul Hindemiths »Der Schwanendreher« entstand 1935 als ein »Konzert nach alten Volksliedern für Bratsche und kleines Orchester«. Folgendes Szenario hat dem Komponisten dabei vorgeschwebt: »Ein Spielmann kommt in frohe Gesellschaft und breitet aus, was er aus der Ferne mitgebracht hat: ernste und heitere Lieder, zum Schluss ein Tanzstück.« Abschied, Schmerz und Trennung werden in diesen Liedern thematisiert, und der historische Kontext ist alles andere als heiter: 1935 ist absehbar, dass Hindemith in Nazi-Deutschland als „Neutöner“ und Ehemann einer jüdischen Frau keine Zukunft hat. Um welche Figur es sich bei dem Titel gebenden „Schwanendreher“ handelt, ist übrigens ungeklärt. Im Bielefelder Konzert spielt Veit Hertenstein, international renommierter Bratschist und Professor an der Hochschule für Musik, den Solopart.
Bernd Alois Zimmermann (1918-1970) kann in Abwandlung einer von Hindemith auf Max Reger gemünzten Charakterisierung als „Riese der neuen Musik“ bezeichnet werden. Sein Stück „Stille und Umkehr“ ist mit dem tiefstapelnden Titelzusatz „Orchesterskizzen“ versehen. „In Wahrheit“ handelt es sich hier um eine Komposition, deren zurückgenommene Tonsprache eine Intensität entfaltet, die ihresgleichen sucht. „Stille und Umkehr“ ist Zimmermanns letzte Orchesterkomposition. Wenige Monate später nahm er sich das Leben, und der Gestus des Stücks ist oft mit diesem Ereignis in Verbindung gebracht worden.
Johannes Brahms 2. Serenade für Orchester in A-Dur op. 16 - großenteils in Detmold entstanden und 1860 uraufgeführt - steht etwas im Schatten der häufiger zu hörenden 1. Serenade – sehr zu Unrecht, aber möglicherweise, weil der Verzicht auf die Violinen zu einem dunkler gefärbten Orchesterklang führt. Die fünfsätzige 2. Serenade wird gern als Resultat von Brahms Auseinandersetzung mit Mozarts Bläsermusiken verstanden. Er selbst hielt große Stücke auf dieses Werk, was bei seiner stets sehr selbstkritischen Haltung etwas bedeutet.
Der Bratschist Veit Hertenstein, absolvierte sein Studium bei Nicolas Corti (Amati Quartett) in Zürich und bei Nobuko Imai an der Haute Ecole de Musique in Genf, wo er 2009 das Solistendiplom mit Auszeichnung erwarb. Weitere wichtige Impulse erhielt er bei Meisterkursen von György Kurtag, Krzysztof Penderecki, Gabor Takács-Nagy, Yuri Bashmet und Kim Kashkashian. Der vielfach preisgekrönte Veit Hertenstein ist ein gern gesehener Gast auf großen internationalen Festivals und spielte als Kammermusiker u.a. mit dem Trio Wanderer, den Modigliani und Ysaye Quartetten, mit Brigitte Engerer, Valentin Erben (Alban Berg Quartett) und im Streichquartett mit Midori. Im Jahr 2007 gewann er als erster Bratschist überhaupt den ersten Preis beim Orpheus-Wettbewerb in Zürich und 2009 die von Sir Yehudi Menuhin gegründete New Talent Competition der European Broadcasting Union. Eine große Leidenschaft von Veit Hertenstein ist es, seine musikalischen Erfahrungen auf der Bratsche an Studierende weiterzugeben. Ferner gab er Meisterkurse in diversen musikalischen Kontexten. Seit 2011 ist er Solobratschist beim Sinfonieorchester Basel.
Florian Ludwig war von 2008 bis 2017 Generalmusikdirektor des Theaters Hagen und des Philharmonischen Orchesters Hagen. Dort setzt er sich für ein breites Repertoire ein, das sowohl alle Epochen der klassischen Orchestermusik wie auch Crossover-Projekte verschiedenster Art einschließt. Vor seiner Tätigkeit in Hagen war Florian Ludwig als Solorepetitor am Nationaltheater Mannheim sowie als erster Kapellmeister am Theater Bremen tätig. Er studierte an der Hochschule für Musik und Theater München bei Hermann Michael und war Assistent namhafter Dirigenten wie Sir Colin Davis und Franz Welser-Möst. Gastdirigate führten ihn an die Wiener Volksoper, zum Gewandhausorchester zu Leipzig, dem MDR Sinfonieorchester sowie der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Zahlreiche CD- und Rundfunkmitschnitte dokumentieren seine Tätigkeit. Seit 2015 ist Ludwig Professor für Orchesterdirigieren an der Hochschule für Musik Detmold und leitet dort das Hochschulorchester sowie den Detmolder Oratorienchor.
Bei dem Konzert handelt sich um eine Kooperation zwischen der Hochschule für Musik Detmold und der Universität Bielefeld im Rahmen von „Campus OWL“, der Plattform für die Zusammenarbeit der fünf staatlichen Hochschulen der Region. Die Organisation der Veranstaltung liegt beim Zentrum für Ästhetik der Universität Bielefeld.
Der Eintritt ist frei. Um Spenden wird gebeten.
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