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Wissen teilen und Stellung beziehen: Studierende der Philosophie schreiben für die Öffentlichkeit
Ein Beitrag von Anna Welpinghus
An Philosoph*innen wird – vielleicht mehr als an die Vertreter*innen anderer wissenschaftlicher Disziplinen – der Anspruch heran getragen, sie mögen zu gesellschaftlichen Debatten beitragen. Umso enttäuschender kann es sein, wenn die Philosophie in Universitäten vor allem darin besteht, dass Forschende hochspezialisierte fachliche Diskurse führen. Philosophie für die Öffentlichkeit scheint Figuren überlassen zu bleiben, die sich wenig oder gar nicht in der wissenschaftlichen Disziplin bewegen.
Doch dieser Eindruck täuscht. Wissenschaftlich tätige Philosoph*innen bereichern durchaus öffentliche Debatten. Zwar kommen sie dabei selten zu abschließenden Antworten. Aber sie können hilfreiche Begriffe bekannt machen, Missverständnisse ausräumen oder auf besonders relevante Argumente aufmerksam machen. Für dieses Unterfangen hat sich in den letzten Jahren der Begriff „Öffentliche Philosophie“ eingebürgert.
Im Wintersemester 2022/23 habe ich ein Seminar mit dem Titel „Öffentliche Philosophie und Schreiben für die Öffentlichkeit“, für Master-Studierende der Philosophie angeboten. Unterstützt wurde es von dem Projekt „BiLinked“ und der in diesem Projekt angesiedelten Community of Practice (CoP) „Public Humanities“. Ziel der CoP ist es, Studierende sowohl in die Analyse digitaler Medien als auch in die Praxis ihrer Erstellung einzuführen. Genau das passierte in diesem Seminar für schriftliche Beiträge der öffentlichen Philosophie.
In den ersten Wochen stand das Kennenlernen und Reflektieren über öffentliche Philosophie im Vordergrund. Philosophie findet heutzutage in einer Vielzahl an Medien statt, von klassischen Kanälen wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen über Blogs oder Podcasts bis hin zu Plattformen der sozialen Medien. Während von Forschenden zunehmend erwartet wird, dass sie ihre Ergebnisse kommunizieren, gibt es auch in der Fachcommunity Bestrebungen, öffentliche Philosophie zu stärken, allen voran das Portal PhilPublica. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, was genau die Philosophie eigentlich zu gesellschaftlichen Debatten beizutragen hat. Philosoph*innen beginnen gerade erst, sich damit auseinanderzusetzen. Die Studierenden bekamen somit einen Einblick in ein hochaktuelles Thema.
Als Highlight hielt Eva Weber-Guskar, Professorin für Ethik und Philosophie der Emotionen an der Ruhr-Universität Bochum einen Gastvortrag. Sie unterstützt unter anderem PhilPublica und ist selbst seit vielen Jahren journalistisch tätig.
Zweitens haben die Teilnehmenden als Studienleistung selbst einen Beitrag in öffentlicher Philosophie verfasst. Dieser konnte dann auf der Webpräsenz der CoP Public Humanities veröffentlicht werden. Fast alle, die den Beitrag fertig gestellt haben, nutzten diese Gelegenheit. Die Studierenden haben jeweils zu einem Thema geschrieben, zu dem sie sich bereits auskannten – etwa, weil sie bereits eine Hausarbeit dazu geschrieben hatten. Der Fokus lag also weniger auf der Erarbeitung der Inhalte als auf deren Präsentation.
Dazu reichten die Studierenden eine fünfteilige Studienleistung ein: innerhalb der ersten Wochen recherchierten sie Beispiele für öffentliche Philosophie zu ihrem Thema und analysierten anhand eines Arbeitsblatts, wie das Thema dort vermittelt wird. Im Dezember reichten alle ein Arbeitsblatt zur Vorbereitung des eigenen Beitrags ein und erhielten eine Rückmeldung von mir zu ihrem Vorhaben. Zu diesem Zeitpunkt entschieden sich die Verfasser*innen, zu welcher journalistischen Darstellungsform der Beitrag gehören sollte, etwa ob es ein Kommentar, ein Forschungsbericht oder eine Buchrezension werden sollte.
Im Januar wurde dann ein vollständiger Entwurf des Beitrags eingereicht. Dazu erhielten die Studierenden Feedback von mir und voneinander. Peer Feedback anhand eines Leitfadens zu geben war ein weiterer Teil der Studienleistung. Schließlich stellten die Studierenden zum Ende des Semesters der vollständige Beitrag inklusive Vorschlag für ein Beitragsbild fertig. Dieser sollte den Reaktionsrichtlinien entsprechen, die wir in den vorherigen Sitzungen abgestimmt hatten.
Nach einem redaktionellen Prozess mit letzten Abstimmungen konnten wir die Beiträge bereits im Februar veröffentlichen. Hilfreich war dabei nicht nur, dass die CoP dem Projekt Platz auf ihrer Webpräsenz eingeräumt hat, sondern auch die Unterstützung der dort angestellten Hilfskräfte Clemens Litfin und Alexander Hallbauer.
Im Studium werden zwar häufig schriftliche Arbeiten verlangt, aber diese durchgehen so gut wie nie einen redaktionellen Prozess bis zur Veröffentlichung. Hier konnten die Studierenden einmal erleben, was dazu gehört. Zudem habe ich zu Beginn der Praxisphase in die Grundlagen journalistischen Schreibens eingeführt. Wir haben etwa für die Philosophie bedeutsame journalistische Darstellungsformen besprochen und typische Elemente schriftlicher Online-Publikationen kreiert. Außerdem ging es noch einmal ganz grundlegend um klares, verständliches Schreiben – Ein Thema, das nach der Studieneingangsphase selten explizit gelehrt wird.
Mit diesem Fokus sollte das Seminare Kompetenzen für eine Reihe an Berufen vermitteln, die für Philosophie-Studierende interessant sind: Dazu gehören Tätigkeiten in Wissenschaft und Journalismus, aber auch Berufe, zu denen schriftliche Kommunikation und redaktionelle Arbeiten gehören – etwa in der Öffentlichkeitsarbeit.
Einige Studierende berichteten, dass die Möglichkeit zur Veröffentlichung sie motiviert habe, einen wirklich guten Beitrag zu erschaffen – ein Eindruck, den ich teile. So konnten wir einige informative und (sehr) gut geschriebene Texte veröffentlichen.
Insgesamt stellte das Seminar eine willkommene Abwechslung zu konventionellen Seminaren dar. Der hier vorgestellte Zuschnitt ist besonders für fortgeschrittene Studierende geeignet, da sie auf eigene fachliche Vorkenntnisse zurückgreifen mussten. Aber auch für Studierende im Bachelor kann eine Verknüpfung von theoretischen und anwendungsbezogenen Inhalten sowie die Arbeit an einem gemeinsamen Produkt wertvoll sein. Ich danke der CoP „Public Humanities“ für das Ermöglichen dieses Seminars.