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Partizipation von Studierenden: Mehr als Anwesenheit im Seminar
Studierende bringen sich in Communities of Practice in die Lehrentwicklung ein
Die Seminare und Vorlesungen an der Uni richten sich an Studierende. Aber was denken sie eigentlich selbst über die Angebote und Möglichkeiten in ihrem Studium? Wie passen die Veranstaltungen in ihrem Stundenplan zu den Erwartungen, die sie an ihr Studium haben? Und welche zusätzlichen Gelegenheiten wünschen sie sich, um sich über die Inhalte ihrer Fächer auszutauschen? Fragen wie diese können Studierende authentischer beantworten als Lehrende.
Aus diesem Grund arbeiten im Projekt BiLinked Studierende in unterschiedlichen Communities of Practice (CoP) mit und teilen ihre Sichtweise auf Ideen zur Lehre oder entwickeln selbst Formate. Die verschiedenen Communities of Practice in BiLinked sind kleine Arbeitsgruppen von Studierenden und Lehrenden, die sich mittlerweile seit mehreren Jahren regelmäßig im Semester treffen und auch untereinander austauschen.
In der CoP „Public Humanities“ beteiligen sich dafür als Studierende unter anderem Annika Eimann (Master Genome Based Systems Biology), Inga Gostmann (Master Gender Studies) und Larissa Mellies (Bachelor Philosophie). Die CoP arbeitet daran, digitale Produkte in den Lehrveranstaltungen geisteswissenschaftlicher Fächer zu erstellen. Dieses Jahr haben sie außerdem erstmals eine studentische Tagung für andere Studierende aus den Geisteswissenschaften organisiert. In diesem Interview berichten sie von der Planung der Tagung und wie Lehrende Studierende dabei unterstützen können, Ideen wie diese umzusetzen. Sie sprechen mit Johanna Springhorn, der Koordinatorin vom BiLinked Projekt.
Johanna Springhorn: Wie ist es für euch als Studierende, dass ihr in eurer CoP zusammen mit Lehrenden an ihrer Lehre arbeitet?
Larissa Mellies: Unser Projekt profitiert besonders von der Zusammenarbeit von Studierenden und Lehrenden. Für mich persönlich war diese Art der Zusammenarbeit zwischen mir als „Studentin“ und den Lehrenden als „Vorgesetzten“ besonders bereichernd während meines ersten Studienjahrs: ich habe die Uni und ihre ganzen Strukturen viel besser kennen lernen können. Man bekommt als Studierende sonst nicht so schnell einen „Blick hinter die Kulissen“. Das ist eine spannende Erfahrung.
JS: Wie sieht das dann ganz konkret aus – ist es als Studentin manchmal auch schwierig, Lehrenden Feedback zu geben oder eigene Ideen zu teilen?
LM: Im Team besprechen wir Themen, kommende Projekte und Aufgaben auf Augenhöhe zwischen Studierenden und Lehrenden. Die Hierarchie zwischen Studierenden und Lehrenden ist natürlich trotzdem nie ganz abgeflacht. Dennoch wird meine Sicht als Studentin wertgeschätzt und gehört. Besonders bereichernd an der Zusammenarbeit ist, die andere Perspektive kennen zu lernen - ich als Studentin lerne die Sichtweise der Lehrenden kennen und verstehen und andersherum. So lernen beide Seiten, was für die jeweils andere Seite wichtig ist, was mitgedacht werden sollte und wie man sich gegenseitig unterstützen kann. Ein Beispiel für eine Zusammenarbeit, in der wir Studierenden der CoP eine eigene Idee umgesetzt haben und dabei von den Koordinator*innen unterstützt wurden ist unsere studentische Tagung.
"Im Team besprechen wir Themen, kommende Projekte und Aufgaben auf Augenhöhe zwischen Studierenden und Lehrenden."
JS: Worum ging es bei eurer studentischen Tagung und was war euch dabei besonders wichtig?
Annika Eimann: Im Juni diesen Jahres hatten wir als studentische Mitarbeitende der CoP die Gelegenheit eine Tagung zu veranstalten. Unter dem Titel „Mehr als Bücher ohne Bilder: Die Zukunft des Studiums in den Geisteswissenschaften“ wollten wir Studierende zum Nachdenken und Austausch anregen: Was sind die Wünsche und Anforderungen von Studierenden an das Studium der Zukunft? Welche Ideen haben Studierende für die Gestaltung von Hochschulen und Lehrplänen? Was wünschen sich Studierende eigentlich für innovative Lern- und Lehrveranstaltungen? Unter anderem kamen hier Vorträge über die Analyse multimedialer Phänomene wie Let‘s Play-Videos oder auch über die Relevanz von Inklusion an Hochschulen zusammen. Durch unsere studentische Tagung konnten wir die teilnehmenden Studierenden an dem Ziel unserer CoP teilhaben lassen. Neben den inhaltlichen Erarbeitungen wird es immer wichtiger diese im digitalen und öffentlichen Raum präsentieren zu können.
©Annika Eimann
JS: Wie habt ihr es als Studierende erlebt, erstmalig selbständig eine Tagung zu organisieren?
AE: Als Organisator*innen für diese Tagung haben wir Studierenden aus der CoP viel Verantwortung übernommen. Es war schön zu sehen, dass die Koordinator*innen uns vertraut haben, Ideen angenommen und Unterstützung geboten haben. Auch wir als studentische Mitarbeitende haben durch die Arbeitsaufteilung Vertrauen ineinander gewonnen. Denn auch wenn wir zwischendurch etwas verunsichert waren, haben wir es gemeinsam geschafft. Von Studierenden für Studierende.
"Es war schön zu sehen, dass die Koordinator*innen uns vertraut haben, Ideen angenommen und Unterstützung geboten haben."
JS: Ihr habt mittlerweile ja ganz unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Was ist aus eurer Sicht wichtig, damit Studierende sich gut einbringen können?
Inga Gostmann: Damit studentische Ideen wie diese Tagung umgesetzt werden können und Studierende an der Gestaltung ihrer Lehre partizipieren können, sind unterschiedliche Punkte hilfreich. Eine zentrale Voraussetzung für erfolgreiche studentische Partizipation ist eine offene und transparente Kommunikation. Es ist wichtig, dass wir als Studierende verstehen, dass und in welchem Umfang wir Einfluss nehmen und Ideen umsetzen können. Lehrende kennen die Strukturen der Uni und wissen, wer für etwas ansprechbar ist und was zum Beispiel beim Planen von Veranstaltungen wie unserer Tagung zu beachten ist. Für die meisten Studierenden ist die Uni weniger durchsichtig und die verschiedenen Anlaufstellen sind für uns nicht selbstverständlich.
"Damit studentische Partizipation für alle Studierenden funktionieren kann, braucht es (zeitliche) Freiräume für die Mitgestaltung von Lehre im Curriculum"
JS: Wie können Lehrende Studierende denn zum Beispiel dabei unterstützen, die Uniabläufe besser zu verstehen?
IG: Es ist immer hilfreich, wenn Lehrende klar kommunizieren, in welchem Umfang Veränderung und Mitwirkung zum Beispiel direkt in ihren Lehrveranstaltungen oder aber auch bei der Planung von anderen Veranstaltungen möglich sind. Bei der Umsetzung unserer studentischen Ideen für die Lehre können Lehrende ihr Wissen über die Strukturen der Uni nutzen und Studierende auf entsprechende Ansprechpartner*innen hinweisen oder ihnen die Kommunikation abnehmen. So haben wir zum Beispiel pragmatisch bei der Planung der Tagung die Suche nach einem passenden Raum an die CoP-Koordinator*innen abgegeben. Wir hätten uns erst mit der Raumbuchung bei uns an der Uni beschäftigen müssen, die Koordination war damit allerdings schon vertraut. Eine pragmatische Aufgabenverteilung nach Interessen und Kompetenzen schont so die Kapazitäten der Studierenden. So haben wir Studierende mehr Zeit, tiefgehend inhaltlich zu arbeiten, was wiederum auch die Kapazitäten der Lehrenden schont.
Die Kapazitäten von Studierenden zu schonen ist wichtig – immerhin ist unsere Hauptaufgabe unser Studium. Damit studentische Partizipation für alle Studierenden funktionieren kann, braucht es (zeitliche) Freiräume für die Mitgestaltung von Lehre im Curriculum. So haben Studierende, die bereits durch ihr Studium und andere Verpflichtungen stark eingespannt sind, den nötigen Raum und die Kapazitäten, sich in partizipative Prozesse einzubringen, ohne dass dies zu einer zusätzlichen Belastung wird. In der CoP kommunizieren wir unsere Kapazitäten, zum Beispiel beim Schreiben von Abschlussarbeiten, klar und beachten diese bei der Aufgabenverteilung.
JS: Gibt es noch weitere Aspekte, die euch als Studierende für die Zusammenarbeit mit Lehrenden wichtig sind?
IG: Wie von Larissa schon angesprochen, ist es neben zeitlichen Ressourcen für Studierende manchmal auch schwierig, keine zu große Hierarchie zu ihren Lehrenden wahrzunehmen. Insbesondere marginalisierte Studierende, deren Ideen zur Gestaltung von Lehre helfen könnten, Lehre zugänglicher zu machen, spüren vielleicht eine zu große Hierarchie zwischen sich und ihren Lehrenden, die schwer zu überwinden ist. So wird es schwer, ehrliches und auch mal kritisches Feedback zu geben und sich zu trauen, eigene Ideen zu äußern. Wenn Statusunterschiede dazu führen, dass sich Studierende eingeschüchtert fühlen, hilft ein wertschätzendes Arbeitsumfeld und die Anerkennung der Expertise der Studierenden.
JS: Was könnt ihr mit Blick auf die Gestaltung von Lehre als Studierende besonders gut beisteuern?
IG: Während Lehrende die Strukturen der Uni kennen, wissen Studierende, wie man studiert. Wie schreibt man mit, wie sollte ich meine Prioritäten setzen, wie funktioniert das eKVV, wie erstelle ich mir einen Stundenplan, wo ist der schönste Platz zum Lernen, wann beginne ich mit der Prüfungsvorbereitung, wann habe ich Zeit für weitere Angebote der Uni und wie und wann erreicht man mich und andere Studierende am besten mit solchen Angeboten. Solche Fragen können Studierende authentischer beantworten als Lehrende und in einer engen Zusammenarbeit wie bei uns in der CoP können solche Überlegungen pragmatisch an uns Studierende abgegeben werden. Sich selbst und Studierenden klarzumachen, dass genau dieses Wissen für die Zusammenarbeit mit Studierenden und die Gestaltung von Lehre wichtig ist, macht einen Unterschied. Damit Studierende mitarbeiten und ihre studentische Perspektive auf Lehre einbringen können, müssen sie nicht erst etwas dazu lernen – sie müssen einfach studieren.
Wer als Lehrende*r zum Beispiel digitale Angebote für Studierende gestaltet, profitiert von der Zusammenarbeit mit Studierenden und unserer studentischen Expertise durch lebensnahe Beispiele und Fragen, die uns Studierende wirklich beschäftigen. So entsteht ein Lehrangebot, das nah am Leben der Studierenden und an ihren tatsächlichen Sorgen und Fragen ist. Um für möglichst viele Studierende relevant zu sein lohnt es sich, ein diverses Team aus Studierenden mit unterschiedlichen Perspektiven einzubinden. Digitale Plattformen können die Zusammenarbeit mit mehreren Studierenden erleichtern und ein asynchrones Arbeiten je nach Kapazitäten der einzelnen ermöglichen. Bringen Studierende ihre Perspektive in die Gestaltung von Lehre mit ein, so wird die Lehre für sie interessanter, relevanter und angepasster an ihre unterschiedlichen Lebensrealitäten.