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Wie vertragen sich Religion und Menschenrechte?
Neue Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld / Eröffnungstagung vom 4. bis 6. Juni
Ägypten,
Tunesien, aber auch viele andere afrikanische und asiatische Staaten
stehen zurzeit vor einem fast unlösbaren Problem: Volksgruppen in den
Ländern streiten teilweise erbittert darüber, ob ihr Staat religiös oder
weltlich ausgerichtet sein soll. Die Herausforderung: Wie lässt sich
trotz dieser Differenzen über die staatliche Identität eine
demokratische Verfassung zuwege bringen? Eine neue internationale
Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der
Universität Bielefeld beschäftigt sich mit der Frage, wie religiöses
Recht und Menschenrechte in neuen Verfassungen und Verfassungsänderungen
behandelt werden. Zu ihrer ersten Tagung kommen die Forscherinnen und
Forscher vom 4. bis 6. Juni im ZiF zusammen.
Die Mitglieder
der Forschungsgruppe sind 14 Expertinnen und Experten für
Verfassungsrecht, Rechtsvergleich, Regionalforschung und
Politikwissenschaft. Geleitet wird die Gruppe von den
Politikwissenschaftlerinnen Dr. Mirjam Künkler (Princeton University,
USA), Hanna Lerner PhD (Tel Aviv University, Israel) und Shylashri
Shankar PhD (Centre for Policy Research in Neu Delhi, Indien). Sie
wollen Prozesse der Verfassunggebung und Verfassungsänderung in
verschiedenen Ländern im Detail vergleichen. Auch untersuchen sie, wie
unterschiedliche Verfassungsmodelle die Umsetzung der Menschenrechte
beeinflussen.
In laufenden und jüngst erfolgten Prozessen der
Verfassunggebung und Verfassungsrevision in der arabischen Welt, aber
auch beispielsweise in der Türkei und in Israel, wird das Verhältnis von
Staat und Religion grundsätzlich neu ausgelotet. „Dabei entstehen
jenseits der US-amerikanischen oder europäischen Verfassungen neue
Modelle mit weitreichenden Folgen für die Entwicklung der jeweiligen
Gesellschaften“, sagt Mirjam Künkler. „Wir hoffen, mit den Analysen in
der Forschungsgruppe einen empirisch fundierten Ansatz über die
Zusammenhänge von Verfassunggebung, Religion und Menschenrechten zu
formulieren. Dies ist im Großen und Ganzen in der Politik- und
Rechtswissenschaft noch eine schmerzliche Lücke.“
Die
Forschungsergebnisse der Gruppe sind nicht nur von akademischem
Interesse, sondern auch bedeutsam für laufende Verfassungsprozesse, bei
denen Religion einen Streitpunkt bildet. Typische Beispiele dafür sind
Ägypten und Tunesien, wo islamisches Recht Teil des Verfassungsrechts
ist, aber auch Israel, wo Ausnahmeregelungen für religiöse Gruppen etwa
im Bildungssystem und Steuerrecht ein steter Stein des Anstoßes sind.
Weitere Fälle, die die Gruppe diskutiert, betreffen die Verfassungen in
Brasilien, Kenia, Spanien, Polen, Norwegen, Türkei, Pakistan, Nepal,
Indonesien, Malaysia und Japan.
Die neue ZiF-Forschungsgruppe
heißt „Balancing Religious Accommodation and Human Rights in
Constitutional Frameworks” (Religion und Menschenrechte in
Staatsverfassungen. Ein internationaler Vergleich). Wie alle
ZiF-Forschungsgruppen ist sie eine Gruppe auf Zeit: Sie kommt von Mai
bis November 2014 zusammen. Neben regelmäßigen Arbeitstreffen
veranstaltet die Gruppe Konferenzen, Workshops und eine Vortragsreihe.
Die
Auftaktveranstaltung im Juni trägt den Titel „Constitution Writing,
Religion and Human Rights“ (Verfassunggebung, Religion und
Menschenrechte) und wird auf Englisch abgehalten.
Weitere Informationen im Internet:
www.uni-bielefeld.de/ZIF/FG/2014Balancing