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Wie ein Roboter Kita-Kindern Sprachen beibringt
Team des Exzellenzclusters CITEC präsentiert Fortschritte in EU-Projekt
Was
ein Roboter können muss, um Kindern im Vorschulalter beim Erlernen
einer Zweitsprache zu helfen, erforschen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie
(CITEC) der Universität Bielefeld. Seit 2016 untersuchen sie, ob und wie
soziale Roboter als Sprachtrainer geeignet sind. Die Forschung ist Teil
des internationalen Projekts L2TOR, gefördert im Forschungsprogramm
Horizont 2020 der Europäischen Kommission. Ein Zwischenfazit laut den
Forschenden: Der Roboter motiviert die Kinder zum Lernen und bewirkt,
dass sie mehr Vokabeln behalten. Das Bielefelder Projektteam hat am
heutigen Donnerstag (13. Juli) vorgeführt, wie der Kindergarten-Roboter
beim Lernen unterstützt.
Das Konsortium aus fünf Universitäten und zwei Unternehmen untersucht, wie Kinder zwischen vier und sechs Jahren auf die Roboter als Sprachtrainer reagieren. Kopp sieht gleich mehrere Faktoren, warum in diesem Alter die Unterstützung durch Roboter als Sprachbegleiter sinnvoll ist: „Die frühe sprachliche Förderung von Kindern in den Kindertagesstätten hat an Bedeutung gewonnen. Dazu zählt, dass viele Kitas Englisch vermitteln wollen. Hinzu kommt: Viele Kinder wachsen mehrsprachig auf – und dazu gehören insbesondere Kinder aus Familien von Einwanderern und Geflüchteten.“
Das deutsche Team kooperiert mit mehreren Kitas in
Bielefeld und Umgebung. In den laufenden Tests geht es zum Beispiel
darum, in Verbindung mit englischen Begriffen Haupt- und
Verhältniswörter zu üben. Der Bielefelder Roboter namens Robin gibt eine
Anweisung für die Anzeige auf einem Tablet-PC: „Setze den ,dog‘ hinter
den Baum.“ Das Kind wählt aus mehreren Tieren aus. Wenn es korrekt den
Hund hinter den Baum bewegt, bekommt es Lob vom Roboter und die nächste
Übung folgt. „Wir hatten zuerst angenommen, dass die Interaktion
zwischen Kindern und Robotern schwierig läuft“, sagt Dr. Kirsten
Bergmann, die die Studie begleitet. „Das Gegenteil ist der Fall. Die
Kinder sind bei der Sache und kommen gut mit den Aufgabenstellungen
zurecht.“
Die Bielefelder Forschenden arbeiten in dem Projekt vor
allem am Interaktionsmanagement. „Der Roboter soll verstehen, was in dem
Kind vor sich geht und sein Verhalten danach ausrichten“, sagt Kopp. Um
Aufmerksamkeit und Motivation zu messen, registriert das System zum
Beispiel, wohin das Kind guckt, wie schnell es reagiert und wie viele
Fehler es macht. „Unsere bisherigen Studien zeigen, dass die Kinder die
Fragen und Aufträge des Roboters in den meisten Fällen sehr konzentriert
aufnehmen.“
Ebenfalls kann das Projekt belegen, dass Hand- und Armgesten des Roboters sich positiv auf das Lernen auswirken können. In Kooperation mit Projektpartnern an der Universität Tilburg (Niederlande) wurde das Roboter-Lern-System kürzlich mit 80 Kindern getestet. Der Roboter beschreibt den Kindern in ihrer Muttersprache Tiere, und sie sollen auf dem Tablet angeben, welches Tier gemeint ist. In einer Gruppe beschreibt der Roboter die Tiere nur mit Worten. In der anderen Gruppe setzt der Roboter Gestik ein: Für „Chicken“ (Huhn) wackelt er seitlich mit den Armen, für „Monkey“ (Affe) kratzt er sich am Kopf. Die Gesten scheinen einen vorteilhaften Effekt zu haben: „Die Kinder aus der Gruppe, der Gesten gezeigt wurde, haben eine Woche später mehr englische Wörter behalten als die Kinder aus der Kontrollgruppe“, sagt Bergmann.
Normalerweise spricht der Roboter mit einer hohen Stimme, die an Comicfiguren wie die Schlümpfe erinnert. In einem Experiment testeten die Forschenden, ob sich die Stimmlage auf das Lernen auswirkt. Der Roboter spricht mal mit hoher und mal mit tiefer Stimme. „Für den Lernerfolg spielt die Stimmlage des Roboters aber keine Rolle“, berichtet Bergmann. Darüber hinaus scheint die gleichförmige Intonation, die an die Aussprache von Navigationssystemen erinnert, keinen nachteiligen Effekt zu haben. „Die Kinder sprechen die Vokabeln nicht roboterhaft aus, sondern mit der muttersprachlichen Färbung.“
Ab Januar 2018 testet das Bielefelder Team zeitgleich mit den Projetpartnern in den Niederlanden und der Türkei in einer großen Studie mit etwa 400 Kindern über mehrere Wochen, wie gut das L2TOR-System funktioniert. „Wir nehmen an, dass es hilfreich sein kann, dass Roboter in Kitas einen strukturierten Sprachunterricht geben, der sich ständig an die Lernfortschritte der einzelnen Kinder anpasst“, sagt Kopp. „Der Roboter soll mit dieser Fähigkeit den Kindergartenalltag bereichern. Er soll auf keinen Fall zu einer neuen Bezugsperson werden. Bei dem Sprachtraining ist anfangs immer eine Erzieherin oder ein Erzieher dabei.“
Für das Projekt kooperieren die Universität Bielefeld, Plymouth University (Großbritannien), die Universität Tilburg (Niederlande), die Universität Utrecht (Niederlande) und die Koç University (Türkei) mit den Industriefirmen SoftBank Robotics (Frankreich) und Qatar Belgium Modern Technologies (QBMT, Belgien). Insgesamt fördert die Europäische Union das Projekt mit drei Millionen Euro (Förderkennzeichen 688014). Davon gehen 355.000 Euro nach Bielefeld. Das Projekt läuft noch bis Dezember 2018.
Weitere Informationen im Internet:
- „Roboter sollen eingewanderten Kindern helfen, Deutsch zu lernen“ (Pressemitteilung vom 22.12.2015): http://bit.ly/2tDjT5X
- Website des Projekts L2TOR: http://www.l2tor.eu
Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Kopp, Universität Bielefeld
Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC)
Telefon: 0521 106 12144
E-Mail: skopp@techfak.uni-bielefeld.de