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Vogelzwitschern in der Leitzentrale
Informatiker entwickeln Verfahren für Hör-Überwachung in Fabriken, Operationssälen und Paketzentren
Wenn in der Leitzentrale einer Fabrik das Alarmlicht blinkt, ist der Problemfall längst eingetreten. Informatiker des Exzellenzclusters CITEC der Universität Bielefeld sowie der Universität Wien haben ein Verfahren entwickelt, mit dem das Personal in Überwachungsräumen nebenher mehrere Abläufe parallel verfolgen kann, um vorbeugend einzugreifen. Der Kniff: Die Abläufe werden vertont. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hören, ob zum Beispiel ausreichend Rohstoffe am Fließband lagern und können frühzeitig reagieren, wenn der Vorrat schwindet.
Hermann hat das neue System zusammen mit Tobias Hildebrandt und Professorin Dr. Stefanie Rinderle-Ma von der Universität Wien (Österreich) entwickelt. Eine Simulation zeigt am Beispiel einer Fertigungsanlage, wie das Verfahren funktioniert. Jede Station ist mit einem Geräusch versehen: So meldet sich die Anlieferung mit Vogelzwitschern, einer Station ist eine Biene zugeordnet und einer anderen das Knacken von Zweigen, durch die der Wind rauscht. Die Auslieferung ist mit tropfendem Wasser vertont. Wenn alles normal läuft, ertönen alle vier Geräusche dezent im Hintergrund. „Wir haben uns für diese Waldgeräusche entschieden, weil sie einen Klangraum bilden, der meist als angenehm empfunden wird und wenig stört“, erklärt Hermann. Bahnt sich nun an einer Station eine kritische Situation an – in der Auslieferung beginnen sich etwa die fertigen Produkte zu stauen – wird das dazugehörige Geräusch zunehmend lauter. Der Mitarbeiter kann reagieren, bevor die Störung eintritt. In diesem Fall würde er frühzeitig veranlassen, dass die Produkte verladen werden und verhindert so einen Nothalt der Produktionsanlage. Laut Hermanns Kollegen Tobias Hildebrandt, der an der Universität Wien in der Wirtschaftsinformatik forscht, eignet sich das System nicht nur für Produktionsanlagen. „Es könnte in fast allen Branchen eingeführt werden, in denen Abläufe zentral gesteuert oder überwacht werden, um sie zu kontrollieren: im Krankenhaus ebenso wie in Leitzentralen für Schienen- und Busverkehr“, sagt Hildebrandt.
Das neue System heißt „SoProMon”. Der Name steht für „Sonification System for Process Monitoring as Secondary Task” (Vertonungssystem für die Prozessüberwachung als nebensächliche Aufgabe). Ein Forschungsartikel der drei Entwickler wurde im November als „Best Paper“ ausgezeichnet. Verliehen wurde die Ehrung auf der IEEE International Conference on Cognitive Infocommunications (CogInfoCom) in Vietri sul Mare, Italien.
Thomas Hermann ist Spezialist für Sonifikation, die systematische Darstellung von Daten als Klänge und Geräusche. So hat er 2012 zusammen mit Berliner Medienkünstlern mit einer eigenen Software die deutsche Twitterlandschaft vertont. Dafür wird Themen automatisch ein Geräusch zugewiesen. Greift ein Nutzer des Kurznachrichtendienstes das Thema auf, ist das dazugehörige Geräusch zu hören. Hermanns Forschungsgruppe „Ambient Intelligence“ (sinngemäß: Umgebungsintelligenz) entwickelt intelligente Umgebungen, neuartige Interaktionsobjekte und aufmerksamkeitsfähige Systeme, die im Alltag unterstützen sollen. Dabei setzen die Wissenschaftler neben Sonifikation auch auf multimodale Interaktion, also das Prinzip, das ein Gerät seinen Nutzer über mehrere Sinneskanäle - von Hören bis Fühlen – anspricht und von dem Nutzer ebenfalls über mehrere Kanäle gesteuert werden kann.
Weitere Informationen im Internet:
• Video- und Audiodemonstration des SoProMon-Systems: http://pub.uni-bielefeld.de/data/2695709
• Website der Forschungsgruppe „Ambient Intelligence“: www.cit-ec.de/ami
• Bielefelder Sonifikationsforscher Dr. Thomas Hermann vertont die deutsche Twitter-Landschaft (Pressemitteilung vom 16.1.2012): http://ekvv.uni-bielefeld.de/blog/pressemitteilungen/entry/bielefelder_sonifikationsforscher_dr_thomas_hermann
Originalveröffentlichung:
Tobias
Hildebrandt, Thomas Hermann, Stefanie Rinderle-Ma: A Sonification
System for Process Monitoring as Secondary Task. Proceedings of the 5th
IEEE Conference on Cognitive Infocommunication (in Druck), http://eprints.cs.univie.ac.at/4211/1/HildebrandtHermannRinderleMa2014-coginfocom_author.pdf