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Thermalisierung im Fokus
Universität Bielefeld beteiligt an neuer Forschergruppe
Eine Tasse mit heißem Kaffee kühlt in wenigen Minuten auf Raumtemperatur
ab. Dieses Phänomen der Thermalisierung lässt sich im Alltagsleben
beobachten. Allerdings spielt die Frage, ob und auf welche Weise ein
physikalisches System ins Gleichgewicht kommt, eine Schlüsselrolle auf
vielen Gebieten der modernen experimentellen und theoretischen Physik.
Eine nun von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligte
Forschergruppe wird sich mit dieser komplexen Fragestellung befassen.
Sprecher der Forschergruppe ist Juniorprofessor Dr. Robin Steinigeweg
von der Universität Osnabrück, stellvertretender Sprecher ist Professor
Dr. Peter Reimann von der Universität Bielefeld. Neben den Universitäten
Osnabrück und Bielefeld sind die Universität Oldenburg und das
Forschungszentrum Jülich an der Forschergruppe beteiligt.
Der
offizielle Name der Forschergruppe lautet „Fundamental Aspects of
Statistical Mechanics and the Emergence of Thermodynamics in
Non-Equilibrium Systems“ (Fundamentale Aspekte der statistischen Physik
und die Emergenz der Thermodynamik in Nichtgleichgewichtssystemen). Die
DFG stellt für die Gruppe Mittel in Höhe von circa 1,3 Millionen Euro
für zunächst drei Jahre zur Verfügung.
„Thermalisierung kann man
sich, natürlich sehr vereinfacht ausgedrückt, als das Abkühlen einer
Tasse mit heißem Kaffee vorstellen“, sagt Robin Steinigeweg. Offene
Fragen in diesem Bereich werden bereits seit langer Zeit immer wieder
untersucht, aber gerade in den vergangenen Jahren hat das Interesse
daran sehr stark zugenommen, insbesondere im Zusammenhang mit der
Entdeckung neuartiger Materialien und Zustände wie beispielsweise kalte
Atomgase, topologische Isolatoren oder Lokalisierungseffekte in
Vielteilchensystemen. Insbesondere wurden auch im grundlegenden
theoretischen Verständnis von Thermalisierung große Fortschritte
erzielt. Viel weniger ist allerdings bisher über den Weg bekannt, der
zum Gleichgewicht führt. In der Theorie bleibt es eine große
Herausforderung, aus mikroskopischen Grundprinzipien herzuleiten, wie
auf der Makroebene der Übergang ins Gleichgewicht (makroskopisches
Relaxationsverhalten) erfolgt.
Das Ziel der Forschergruppe ist
es, diese theoretischen Herausforderungen in Bezug auf die
mikroskopischen Grundlagen der Relaxation anzugehen. „Im Zentrum unserer
Untersuchungen steht das Verhalten komplexer Systeme unter generischen
Nichtgleichgewichtsbedingungen, die durch Anfangszustände fern vom
Gleichgewicht oder durch starke äußere Antriebskräfte induziert
werden“, so Prof. Dr. Peter Reimann, stellvertretender Sprecher der
Forschergruppe von der Universität Bielefeld.
„Obwohl die
Forschergruppe sich auf die Klärung dieser theoretischen Grundfragen
fokussiert, sind die betrachteten Modelle auch eng verknüpft mit realen
Materialien, wie zum Beispiel magnetische Moleküle, niederdimensionale
Quantenmagnete oder topologische Systeme mit flachen Bändern“, so der
Oldenburger Physiker und Vizepräsident für Forschung, Professor Dr.
Martin Holthaus. „Angesichts der Komplexität solcher Modelle kann das
Zusammenwirken der an den verschiedenen beteiligten Standorten
entwickelten analytischen und numerischen Kompetenzen als eine besondere
Stärke unseres Verbundprojekts betrachtet werden.“
Dem Antrag
für die Forschergruppe war ein intensiver Workshop am Zentrum für
interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld
vorangegangen. Während des Workshops im März 2017 diskutierten
Physikerinnen und Physiker aus Europa, Japan und den USA über
grundlegende Annahmen und Fragen, die künftig auch in der neuen
Forschergruppe bearbeitet werden sollen.
An der Forschergruppe
beteiligt sind außer den Sprechern Professor Steinigeweg und Professor
Reimann: Professor Dr. Thomas Dahm (Universität Bielefeld), Professor
Dr. Andreas Engel und Professor Dr. Martin Holthaus (beide von der
Universität Oldenburg), Professor Dr. Jochen Gemmer und Professor Dr.
Philipp Maass (beide von der Universität Osnabrück), Professorin Dr.
Kristel Michielsen (Forschungszentrum Jülich) sowie Professor Dr. Jürgen
Schnack (Universität Bielefeld).
Weitere Informationen:
- „DFG fördert acht neue Forschergruppen, eine Klinische und zwei Kolleg-Forschergruppen“ (Pressemitteilung der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom 14.12.2017): http://bit.ly/2AGIuvP
- ZiF-Arbeitsgemeinschaft „Fundamentale Aspekte der statistischen Physik und Thermodynamik“: http://bit.ly/2B7t0OG
Kontakt:
Prof. Dr. Peter Reimann, Universität Bielefeld
Fakultät für Physik
Telefon: 0521 106-6206
E-Mail: reimann@physik.uni-bielefeld.de