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Neues Langzeitforschungsprojekt „Niklas Luhmann – Theorie als Passion"
In ihrer Sitzung am 30. Oktober hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) die Aufnahme von sechs Langzeitforschungsprojekten in das von Bund und Ländern geförderte Akademienprogramm beschlossen. Für die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste wird das Forschungsvorhaben „Niklas Luhmann – Theorie als Passion. Wissenschaftliche Erschließung und Edition des Nachlasses“ neu in das Akademienprogramm aufgenommen. Die Gesamtfördersumme beträgt 5.050.000 Euro für eine Laufzeit von 16 Jahren. Damit ist die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste im größten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramm Deutschlands mit derzeit 15 Vorhaben vertreten.
In dem Projekt soll der Nachlass des Soziologen Niklas Luhmann wissenschaftlich erschlossen werden. Leiter des Forschungsvorhabens ist Prof. Dr. André Kieserling, Professor für Allgemeine Soziologie und Soziologische Theorie an der Universität Bielefeld, wo das Projekt auch angesiedelt wird. Das Projekt, in dem die Fakultät für Soziologie mit dem Archiv und der Bibliothek der Universität Bielefeld sowie dem Cologne Center for eHumainties (CCeH) kooperiert, startet in 2015. Professor Dr. André Kieserling: „Ich freue mich über die Aufnahme des Projektes in das Akademieprogramm. Durch die Unterstützung der Akademie können wir die Sicherung, Erschließung und Erforschung des wissenschaftlichen Nachlasses Niklas Luhmanns, dessen Präsentation auf einem allgemein zugänglichen Internetportal sowie die Edition der nachgelassenen Schriften erreichen.“
Das Forschungsprojekt:
Niklas
Luhmann (1927-1998), der von 1968 bis 1993 an der Universität für
Bielefeld forschte und lehrte, ist neben Max Weber der bedeutendste
deutsche Soziologe des 20. Jahrhunderts. Seine in über dreißig Jahren
kontinuierlich entwickelte Sozial- und Gesellschaftstheorie ist
international herausragend. Der umfangreiche wissenschaftliche Nachlass
Luhmanns, den die Universität Bielefeld im Jahr 2010 erwerben konnte,
lässt den Autor und sein Theoriegebäude diesseits seiner publizierten
Werke sichtbar werden und wird in seinem Informationsgehalt in der
neueren Ideengeschichte allenfalls durch den Nachlass Edmund Husserls
übertroffen. Dieser Erkenntniswert gilt insbesondere für das Zentrum der
Luhmannschen Theoriearbeit, den ca. 90.000 Notizzettel umfassenden
Zettelkasten, der auch das Kernstück des Nachlasses darstellt. Diese
zwischen 1951 und 1996 entstandenen Aufzeichnungen dokumentieren die
Theorieentwicklung Luhmanns auf eine einzigartige Weise, so dass man die
Sammlung als seine intellektuelle Autobiografie verstehen kann. Sein
Nachlass enthält neben dem Zettelkasten nahezu 200 unveröffentlichte
Manuskripte. Insbesondere die früh entstandenen Texte aus den 1950er
und 1960er Jahren zu staats- und verwaltungswissenschaftlichen Themen
lassen die intellektuellen Wurzeln der Luhmannschen Theorie erkennen.
Herausragend sind darüber hinaus die vier umfangreichen Fassungen der
Gesellschaftstheorie, die Luhmann zwischen 1965 und 1990 erstellt hat
und die die Entwicklung des Luhmannschen Denk- und Begriffskosmos bis
zur dann tatsächlich veröffentlichten Version von 1997 auf exemplarische
Weise nachzeichnen. Ähnliches gilt auch für die im Nachlass vorhandenen
umfangreichen Vorlesungsskripte, die Luhmann nicht nur als Didaktiker
sichtbar werden lassen, sondern auch seine Form der ersten Annäherung an
neue Forschungsfelder veranschaulichen.
Die in dem Akademieprojekt
erfolgende Nachlassedition versteht sich als soziologische Forschung
über die Struktur und Genese einer der letzten „grand theories“ der
Soziologie und bildet die Grundlage für eine Druck- wie eine
Onlinepublikation. In Kooperation mit dem CCeH wird dazu ein allgemein
und frei zugängliches Informationsportal aufgebaut, auf dem eine
benutzerfreundliche Präsentation aller wissenschaftlich relevanten
Bestandteile des Luhmannschen Nachlasses erfolgt. Die
Forschungsplattform, die die unterschiedlichen Materialien des
Nachlasses verknüpft, stellt so die Zugänglichkeit dieses
wissenschaftlichen Nachlasses nicht nur in einer theorieadäquaten,
sondern auch zeitgemäßen Form sicher und macht das Material für die
weitere Forschung nutzbar.
Das Akademienprogramm
Das
Akademienprogramm ist ein seit 1979/80 von Bund und Ländern gemeinsam
finanziertes Programm zur Förderung langfristig angelegter
Forschungsvorhaben vornehmlich in den Geisteswissenschaften. Mit dem
Akademienprogramm betreiben die deutschen Akademien der Wissenschaften
das derzeit größte geistes- und sozialwissenschaftliche
Forschungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland. Es wird von der Union
der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert und hat 2015 ein
Finanzvolumen von rund 62 Millionen Euro. Seit 2006 wird das
Akademienprogramm jährlich ausgeschrieben. Um darin aufgenommen zu
werden, müssen geisteswissenschaftliche Forschungsprojekte folgende
Kriterien erfüllen: überregionale gesamtstaatliche Bedeutung, hohe
wissenschaftliche Relevanz, eine Laufzeit zwischen 12 und 25 Jahren und
ein finanzielles Mindestvolumen von 120.000 Euro im Jahr. Über den
Haushalt des Akademienprogramms, über die Aufnahme von Neuvorhaben und
die Fortführung von laufenden Projekten entscheidet die Gemeinsame
Wissenschaftskonferenz, in welcher der Bund und die Länder vertreten
sind.
Weiter Informationen im Internet:
www.awk.nrw.de/pressemedien/aktuelle-nachrichten.html