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Innere Uhr: Biologen erforschen Mechanismus einer Hilfs-Uhr
Forschende nutzen neue Methode zur Analyse bei Pflanzen
Für
den Nachweis von Genen, die die innere Uhr steuern, wird im Dezember
der Nobelpreis für Medizin und Physiologie verliehen. Die geehrten
Wissenschaftler untersuchten Fruchtfliegen, um den Biorhythmus zu
erklären. Die Biochemikerin Professorin Dr. Dorothee Staiger von der
Universität Bielefeld forscht seit zwanzig Jahren an der inneren Uhr der
Pflanzen. Ihr Team hat nun eine neue Studie im Forschungsjournal
„Genome Biology“ veröffentlicht. Ein Ergebnis: Nicht nur die innere Uhr,
sondern auch ein Protein als „Hilfs-Uhr“ sorgt dafür, dass in den
Zellen wiederkehrende Routinen ablaufen.
Wie die Nobelpreisträger gezeigt haben, steuern einzelne Gene im Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen die innere Uhr. An diesen Genen entstehen zu einer bestimmten Tageszeit Botenmoleküle – die Boten-RNAs. Diese Moleküle starten die Bildung von Uhr-Proteinen, die wiederum zu einer festen Tageszeit ihre höchste Konzentration erreichen.
Uhr-Proteine schalten im 24-Stunden-Takt ihre eigenen Gene an- und ab. Sie sind damit für ihren eigenen Rhythmus verantwortlich. Die Uhr-Proteine sorgen auch dafür, dass weitere Gene in der Zelle zur günstigsten Tageszeit aktiv sind. So setzen sie zu bestimmten Tageszeiten unterschiedliche Prozesse in Gang: vom Öffnen der Blüten und der Verteidigung gegen Krankheitserreger bei Pflanzen bis zum Schlaf-Wach-Rhythmus beim Menschen.
Jetzt haben Staiger und ihr Team einen weiteren Teil der inneren Uhr näher untersucht, und zwar bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand). Dabei haben sie eine „Hilfs-Uhr“ gefunden – ein Protein namens „AtGRP7“. „Interessanterweise verhält sich das AtGRP7-Protein fast wie ein Uhr-Protein– es beeinflusst seinen eigenen 24-Stunden-Rhythmus“, sagt Dr. Tino Köster. „Dadurch steigt die Menge an AtGRP7 Protein tagsüber an und sinkt nachts wieder.“ Köster und seine Kollegin Katja Meyer sind die Erstautoren der Studie.
Eine neue Erkenntnis der Studie ist, dass das Protein nicht nur an seine eigene Boten-RNA bindet, sondern auch fähig ist, viele andere Boten-RNAs in der Zelle zu blockieren. Dafür mussten Staigers Team und die Kooperationspartner der Universität Halle-Wittenberg in den Zellen der Pflanzen alle Boten-RNAs finden, an denen das Protein sitzt. Dazu bestrahlten die Biologen die Pflanze etwa zwei Minuten mit ultraviolettem Licht, was zu einer festen Verbindung der Boten-RNAs mit dem Protein führt. Dann isolierten sie das Protein und identifizierten die daran gebundenen RNAs mittels Hochdurchsatzsequenzierung. Diese neue Methode nennt sich iCLIP. Sie wurde eigentlich für tierische Zellkulturen entwickelt. „Für die neue Studie haben wir die iCLIP-Methode als weltweit erste Forschungsgruppe auf ganze Pflanzen angewendet“, sagt Dorothee Staiger.
In einem weiteren Schritt prüften die Forschenden, was das Protein mit den gebundenen Boten-RNAs in der Zelle macht. Für die Analyse erhöhten die Forschenden künstlich die Menge des AtGRP7-Proteins in mehreren Pflanzen und untersuchten, wie sich das auf die Boten-RNAs auswirkt. „Wir konnten nachweisen, dass bei einer erhöhten Menge an AtGRP7 der Rhythmus von einigen Boten-RNAs gestört ist. Damit wirkt AtGRP7 als eine Hilfs-Uhr, vermittelt also zwischen der inneren Uhr und tageszeitabhängigen Boten-RNAs“, sagt Katja Meyer.
Die Untersuchung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und dient der Grundlagenforschung. „Es geht uns darum, grundlegende Zusammenhänge in der Natur zu verstehen“, sagt Staiger. „In diesem Fall lernen wir, wie die innere Uhr dafür sorgt, dass gewissermaßen weitere kleinere Uhren in Gang gesetzt werden. Und wir erfahren, mit welchen Strategien Pflanzen es schaffen, sich an wechselnde Umweltbedingungen anzupassen.“
Originalveröffentlichung:
Katja Meyer, Tino Köster, Christine Nolte, Claus Weinholdt, Martin Lewinski, Ivo Grosse and Dorothee Staiger: Adaptation of iCLIP to plants determines the binding landscape of the clock-regulated RNA-binding protein AtGRP7. Genome Biology, https://genomebiology.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13059-017-1332-x, veröffentlicht am 31. Oktober 2017.
Weitere Informationen:
Die Forschungsgruppe: http://www.uni-bielefeld.de/biologie/Zellphysiologie