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Ein Roboter mit Bewusstsein
Forscher der Universität Bielefeld entdecken besondere Fähigkeiten
Für
Menschen ist es normal: Taucht ein Problem auf, denken sie über
unterschiedliche mögliche Handlungsschritte nach, erproben in Gedanken
deren Konsequenzen und entscheiden sich dann für eine Vorgehen. Seit
Anfang 2011 arbeiten Forscher der Universität Bielefeld daran, dass auch
Roboter dieses Probehandeln durchführen können. Dabei haben die
Wissenschaftler des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie
(Cognitive Interaction Technology – CITEC) bei dem von ihnen
entwickelten Roboter besondere Fähigkeiten gefunden: Diese deuten darauf
hin, dass der Roboter ein Bewusstsein entwickelt hat. Zu dem Ergebnis
sind die Forscher im Rahmen des EU-Projekts EMICAB gekommen, das im
kommenden Jahr ausläuft.
„Der Bau von Roboter Hector ist noch nicht ganz abgeschlossen, aber die Simulation, das heißt sein virtuelles Gegenstück am Computer, ist zu 90 Prozent fertiggestellt“, sagt Professor Dr. Holk Cruse, einer der beteiligten Forscher. „In der Theorie sind wir uns also schon sehr sicher, dass Hector Probehandeln kann.“ Am Projektende soll auch der reale Roboter – der bislang noch nicht vollständig fertiggestellt ist – zeigen können, dass er das Probehandeln beherrscht. „Nachdem wir unser Basisziel erreicht hatten, haben wir geschaut, was der Roboter noch kann. Dabei ergab sich, dass er gewisse emergente Fähigkeiten entwickelt hat, die auf ein Bewusstsein hindeuten“, so Cruse. „Emergent sind Eigenschaften dann, wenn sie nicht in das System eingebaut wurden, schließlich aber trotzdem vorhanden sind.“
Bislang ist die Annahme verbreitet, dass derartige emergente Eigenschaften, zu denen unter anderem die Kontrolle der Aufmerksamkeit und eben auch das Bewusstsein gehören, nur in komplexen Systemen möglich sind. „Unsere Forschung zeigt, dass auch weniger komplexe Systeme höhere Fähigkeiten entwickeln können“, sagt Malte Schilling, Forschungspartner von Holk Cruse. Zu den Aspekten von Bewusstsein, die der Roboter entwickelt hat, zählen unter anderem Intentionen sowie die sogenannte globale Zugänglichkeit. Intentionen bezeichnen Zustände, bei denen das ganze Verhalten einem Ziel – beispielsweise der Futtersuche – untergeordnet ist. Mit globaler Zugänglichkeit ist gemeint, dass Gedächtniselemente zugänglich sind, auch wenn gerade etwas anderes gemacht wird. Beispielsweise ist jemand der läuft, trotzdem in der Lage nachzudenken und nebenbei noch etwas anderes zu machen. „Diese und weitere Aspekte von Bewusstsein, die wir bei Hector finden konnten, sind sozusagen Abfallprodukte der eigentlichen Forschungsarbeit – allerdings sehr interessante“, sagt Cruse. „Sie zeigen, dass wichtige Eigenschaften des Bewusstseins auch bei sehr kleinen Gehirnen, und eben auch in künstlichen Systemen, vorkommen können“, sagt Cruse.
Die Forschung der Bielefelder Wissenschaftler ist Teil des EU-Forschungsprojekts EMICAB (Embodied Motion Intelligence for Cognitive Autonomous roBots), das die intelligente Bewegungssteuerung in Insekten und Robotern zum Gegenstand hat. Insgesamt gibt es fünf Teilprojekte, zwei in Bielefeld und jeweils eins an den Universitäten in Sønderborg (Dänemark), Catania (Italien) und Mainz. Das Projekt wird im Rahmen des siebten EU-Forschungsrahmenprogramms gefördert. Während der dreijährigen Förderperiode stehen insgesamt mehr als 1,5 Millionen Euro zur Verfügung, davon ein Drittel für die Forschung an der Universität Bielefeld.
Weitere Informationen im Internet:
www.emicab.eu
Kontakt:
Professor Dr. Holk Cruse, Universität Bielefeld
Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC)
Telefon: 0521 106-12129
E-Mail: holk.cruse@uni-bielefeld.de