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uni.aktuell-Archiv
Veröffentlicht am
17. März 2016
Kategorie:
Forschung & Wissenschaft
Im Dschungel des Gesundheitssystems
Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben keine ausreichende Gesundheitskompetenz
Mit welchen Tipps aus dem Internet setze ich womöglich meine Gesundheit aufs Spiel? Wie verstehe ich einen Beipackzettel, wenn ich nur schlecht lesen kann? Und wann sollte ich auf eine zweite ärztliche Meinung bestehen? Forscherinnen der Universität Bielefeld haben untersucht, wie benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Nordrhein-Westfalen mit solchen Problemen umgehen. Über die Gesundheitskompetenz dieser Gruppen liegen jetzt erstmals Daten vor. Das Ergebnis zeigt großen Handlungsbedarf: Bildungsferne Jugendliche und ältere Menschen haben große Probleme bei der Gesundheitskompetenz. Diese Probleme zeigen sich noch gravierender, wenn die Personen einen Migrationshintergrund haben.
Gezielt befragten die Forscherinnen gesundheitlich und sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen in NRW: Jugendliche mit geringer Schulbildung, ältere Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund. Im Notfall den Krankenwagen rufen oder den Anweisungen ihres Arztes oder Apothekers folgen – damit haben bildungsferne Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund kein Problem. Schwierig wird es für sie, wenn sie Vor- und Nachteile einer Behandlungsmethode beurteilen oder Packungsbeilagen verstehen sollen. Soll ich eine zweite ärztliche Meinung einholen und sind die Informationen über Krankheiten in den Medien vertrauenswürdig? Das einzuschätzen, finden die Jugendlichen schwierig.
Die 65- bis 80-Jährigen haben mit diesen Fragen sogar noch größere Probleme als die bildungsfernen Jugendlichen. „Bei diesen beiden Gruppen stellen wir ohnehin schon große Schwierigkeiten bei der Gesundheitskompetenz fest“, sagt Schaeffer. „Nochmal gravierender sieht allerdings die Situation aus, wenn wir über ältere Menschen mit Migrationshintergrund und bildungsferne Jugendliche mit Migrationshintergrund reden.“
So haben ein Viertel der bildungsfernen Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine nicht ausreichende Gesundheitskompetenz. Im Vergleich: Bildungsferne Jugendliche ohne Migrationshintergrund haben nur zu knapp 13 Prozent eine mangelhafte Gesundheitskompetenz. Bei den Älteren ist der Unterschied noch gravierender. Personen aus dieser Gruppe ohne Migrationshintergrund haben zu knapp 18 Prozent eine nicht ausreichende Gesundheitskompetenz. Bei den älteren Menschen mit Migrationshintergrund sind es sogar mehr als ein Drittel (36,2 Prozent).
Ursachen für die fehlende Gesundheitskompetenz können zum Beispiel ein niedriger Bildungsstand, fehlende Sprachfähigkeiten oder eingeschränkte Lese- und Schreibfähigkeiten sein. Ein weiteres Problem ist die Digitalisierung. „Nicht jeder hat Zugang zum Internet. Und wer Zugang zum Internet hat, wird so sehr mit Informationen überflutet, dass er oder sie oft nicht einschätzen kann, welche Informationen vertrauenswürdig sind“, sagt Schaeffer. „Damit haben vor allem die benachteiligten Bevölkerungsgruppen große Probleme.“
Lösungsansätze schlagen die Forscherinnen ebenfalls vor: Einfache oder leicht verständliche Sprache, mehr visuelles Material und multimediale Kommunikation können helfen. Dazu müssten zunächst Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern für die Situation sensibilisiert werden. „Ärzte sollten sich am Sprachniveau der Patienten orientieren und sich für Patienten verständlich ausdrücken“, fordert Schaeffer. Außerdem sollte man laut Schaeffer zum Beispiel Lebensmittelverpackungen und Beipackzetteln bei Medikamenten verbessern: Die Inhaltsstoffe sollten leicht erkennbar sein, Beipackzettel sollten so gestaltet sein, dass die wichtigsten Botschaften im Text direkt erkennbar und zudem grafisch ansprechend visualisiert sind.
Die Forscherinnen befragten 500 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren mit maximal einem Hauptschulabschluss als höchsten Bildungsabschluss sowie 500 Menschen im Alter von 65 bis 80 Jahren befragt. Von beiden befragten Gruppen besitzt jeweils die Hälfte einen Migrationshintergrund. Das Landeszentrum Gesundheit NRW förderte die Studie. Sie wurde als vertiefende Untersuchung des European-Health Literacy-Survey (Europäische Studie zur Gesundheitskompetenz) angelegt und konzentriert sich auf Nordrhein-Westfalen.
Weitere Informationen im Internet:
www.youtube.com/watch?v=bcjak6ewWq0&index=4&list=PL91aG6A1fY3CyrZckD45Q0JL2qnRQ4TaC
www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag6/publikationen/QuenzelSchaeffer_GesundheitskompetenzVulnerablerGruppen_Ergebnisbericht_2016.pdf
Mit welchen Tipps aus dem Internet setze ich womöglich meine Gesundheit aufs Spiel? Wie verstehe ich einen Beipackzettel, wenn ich nur schlecht lesen kann? Und wann sollte ich auf eine zweite ärztliche Meinung bestehen? Forscherinnen der Universität Bielefeld haben untersucht, wie benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Nordrhein-Westfalen mit solchen Problemen umgehen. Über die Gesundheitskompetenz dieser Gruppen liegen jetzt erstmals Daten vor. Das Ergebnis zeigt großen Handlungsbedarf: Bildungsferne Jugendliche und ältere Menschen haben große Probleme bei der Gesundheitskompetenz. Diese Probleme zeigen sich noch gravierender, wenn die Personen einen Migrationshintergrund haben.
Gezielt befragten die Forscherinnen gesundheitlich und sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen in NRW: Jugendliche mit geringer Schulbildung, ältere Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund. Im Notfall den Krankenwagen rufen oder den Anweisungen ihres Arztes oder Apothekers folgen – damit haben bildungsferne Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund kein Problem. Schwierig wird es für sie, wenn sie Vor- und Nachteile einer Behandlungsmethode beurteilen oder Packungsbeilagen verstehen sollen. Soll ich eine zweite ärztliche Meinung einholen und sind die Informationen über Krankheiten in den Medien vertrauenswürdig? Das einzuschätzen, finden die Jugendlichen schwierig.
Die 65- bis 80-Jährigen haben mit diesen Fragen sogar noch größere Probleme als die bildungsfernen Jugendlichen. „Bei diesen beiden Gruppen stellen wir ohnehin schon große Schwierigkeiten bei der Gesundheitskompetenz fest“, sagt Schaeffer. „Nochmal gravierender sieht allerdings die Situation aus, wenn wir über ältere Menschen mit Migrationshintergrund und bildungsferne Jugendliche mit Migrationshintergrund reden.“
So haben ein Viertel der bildungsfernen Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine nicht ausreichende Gesundheitskompetenz. Im Vergleich: Bildungsferne Jugendliche ohne Migrationshintergrund haben nur zu knapp 13 Prozent eine mangelhafte Gesundheitskompetenz. Bei den Älteren ist der Unterschied noch gravierender. Personen aus dieser Gruppe ohne Migrationshintergrund haben zu knapp 18 Prozent eine nicht ausreichende Gesundheitskompetenz. Bei den älteren Menschen mit Migrationshintergrund sind es sogar mehr als ein Drittel (36,2 Prozent).
Ursachen für die fehlende Gesundheitskompetenz können zum Beispiel ein niedriger Bildungsstand, fehlende Sprachfähigkeiten oder eingeschränkte Lese- und Schreibfähigkeiten sein. Ein weiteres Problem ist die Digitalisierung. „Nicht jeder hat Zugang zum Internet. Und wer Zugang zum Internet hat, wird so sehr mit Informationen überflutet, dass er oder sie oft nicht einschätzen kann, welche Informationen vertrauenswürdig sind“, sagt Schaeffer. „Damit haben vor allem die benachteiligten Bevölkerungsgruppen große Probleme.“
Lösungsansätze schlagen die Forscherinnen ebenfalls vor: Einfache oder leicht verständliche Sprache, mehr visuelles Material und multimediale Kommunikation können helfen. Dazu müssten zunächst Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern für die Situation sensibilisiert werden. „Ärzte sollten sich am Sprachniveau der Patienten orientieren und sich für Patienten verständlich ausdrücken“, fordert Schaeffer. Außerdem sollte man laut Schaeffer zum Beispiel Lebensmittelverpackungen und Beipackzetteln bei Medikamenten verbessern: Die Inhaltsstoffe sollten leicht erkennbar sein, Beipackzettel sollten so gestaltet sein, dass die wichtigsten Botschaften im Text direkt erkennbar und zudem grafisch ansprechend visualisiert sind.
Die Forscherinnen befragten 500 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren mit maximal einem Hauptschulabschluss als höchsten Bildungsabschluss sowie 500 Menschen im Alter von 65 bis 80 Jahren befragt. Von beiden befragten Gruppen besitzt jeweils die Hälfte einen Migrationshintergrund. Das Landeszentrum Gesundheit NRW förderte die Studie. Sie wurde als vertiefende Untersuchung des European-Health Literacy-Survey (Europäische Studie zur Gesundheitskompetenz) angelegt und konzentriert sich auf Nordrhein-Westfalen.
Weitere Informationen im Internet:
www.youtube.com/watch?v=bcjak6ewWq0&index=4&list=PL91aG6A1fY3CyrZckD45Q0JL2qnRQ4TaC
www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag6/publikationen/QuenzelSchaeffer_GesundheitskompetenzVulnerablerGruppen_Ergebnisbericht_2016.pdf