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uni.aktuell-Archiv
Veröffentlicht am
22. Oktober 2015
Kategorie:
Forschung & Wissenschaft
Gut verdrahtet
Wie Mikroorganismen über Nano-Stromnetze ihre Energieversorgung meistern und das Treibhausgas Methan knacken
Strom wie aus der Steckdose - diese bequeme Art der Energieversorgung bewahrheitet sich scheinbar für bestimmte Mikroorganismen. Die Zellen können ihren Energiebedarf in Form von elektrischem Strom über Nano-Drahtverbindungen decken. Diese wahrscheinlich kleinsten Stromnetze der Welt haben Forscher aus Bielefeld, Bremen, Bremerhaven und Göttingen entdeckt, als sie Zellaggregate Methan-abbauender Mikroorganismen untersuchten. Diese bestehen aus zwei völlig verschiedenen Zelltypen, die Methan nur gemeinsam abbauen können. Mithilfe genetischer und elektronenmikroskopischer Verfahren fanden sie kabelartige Verbindungen zwischen den Zellen. An der Universität Bielefeld wurden dafür die DNA und die RNA der Mikroorganismen aufbereitet und anschließend sequenziert. Die Forschenden erklären in der Fachzeitschrift Nature, wie die Organismen ihren Energieaustausch organisieren.
Forschende vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen
untersuchen seit mehreren Jahren, wie Methan im Meeresboden von
Mikroorganismen abgebaut wird. Unklar ist dabei, wie die Methanfresser
ohne Sauerstoff ihren Energiehaushalt regeln. Nun zeigen neue
Ergebnisse, dass vielleicht der direkte Fluss von Elektronen zwischen
Zellen des Rätsels Lösung darstellt. Es war eine Sensation, als im Jahre
2010 Forscher erstmals Strom leitendende Verbindungen zwischen
verschiedenen Mikroorganismen fanden. Es stellte sich nun die Frage, ob
elektrischer Strom als Energieträger auch für andere mikrobielle
Prozesse in der Natur in Frage kommt. Einer dieser Prozesse ist der
Abbau von Methan in Bereichen des Meeresbodens, in denen kein
molekularer Sauerstoff vorhanden ist. Dieser Vorgang ist unter dem Namen
„Anaerobe Oxidation von Methan“, kurz AOM, bekannt. Er ist ein
klimarelevanter Prozess. Die beteiligten Mikroorganismen haben Bremer
Forscher im Jahre 2000 erstmals beschrieben und seitdem intensiv
studiert.
In den tiefen Schichten des Meeresbodens bildet sich Methan aus abgestorbener Biomasse. Dieses Gas steigt zunächst auf, doch noch vor dem Austritt ins Meer wird es im Meeresboden durch ganz spezielle Gemeinschaften (Konsortien) von bestimmten Typen von Bakterien und Archaeen abgebaut. Die Archaeen nehmen das Methan auf und oxidieren es zu Karbonat. Dabei entstehende Energie muss den Partnerbakterien übergeben werden, damit der Prozess ablaufen kann. Die Bakterien veratmen dann statt Sauerstoff Sulfat, um ebenfalls Energie zu gewinnen (Sulfatreduzierer). Aber in welcher Form der Transfer geschieht, blieb bis vor kurzem ein Rätsel. Dieser Prozess findet wahrscheinlich seit Milliarden von Jahren statt, und hat schon den Methangehalt in der sauerstofffreien Atmosphäre der jungen Erde beeinflusst.
Dr. Gunter Wegener, zusammen mit Viola Krukenberg Erstautor der jetzt publizierten Nature-Studie, sagt: „Unser Team hat sich besondere AOM-Konsortien angeschaut, die bei 60 Grad Celsius leben. Hier gelang es erstmals, das Partnerbakterium allein wachsen zu lassen. Dann haben wir diese Kultur und die AOM-Kultur systematisch unter verschiedenen Bedingungen getestet und verglichen. Wir wollten wissen, welche Stoffe als Energieträger zwischen den Archaeen und dem Sulfatreduzierer in Frage kommen.“ Die meisten Verbindungen konnten die Forscher schnell ausschließen. Gaben die Forscher jedoch Wasserstoff und Methan gemeinsam zu den Konsortien, wurde kein Methan mehr abgebaut, stattdessen nutzten die Sulfatreduzierer den Wasserstoff. Erst als dieser aufgebraucht war, lief die Methanoxidation wieder an. Wasserstoff kam als Intermediat in Betracht, nur produzierten Archaeen nicht ausreichend davon, um das Wachstum der Sulfatreduzierer zu erklären.
Es blieb als mögliche Alternative eine direkte Stromverbindung zwischen den Zellen. Für die AOM-Kulturen traf diese Vermutung ins Schwarze. Dietmar Riedel, Leiter der Elektronenmikroskopie am Göttinger MPI, sagt: „Die Schwierigkeit bestand darin diese Verbindungen auch morphologisch nachzuweisen. Um die Strukturen nachzuweisen, mussten die Proben unter Hochdruck gefroren und in Epoxidharz eingebettet werden. Danach konnten ultradünne Schnitte der so präparierten Probe in nahezu nativen Zustand am Transmissionselektronenmikroskop untersucht werden.“ Für die Analyse der vorhandenen Gene und ihrer Aktivität wurden die DNA und die RNA der Mikroorganismen am CeBiTec für die Hochdurchsatz-Sequenzierung aufbereitet und sequenziert. Dr. Halina Tegetmeyer: „Wir haben mehrere Millionen der Boten-Moleküle sequenziert, die bei der Aktivität von Genen in den Zellen freigesetzt werden.“ Viola Krukenberg ergänzt: „Wir haben alle notwendigen Gene für den Elektronentransport gefunden und gezeigt, dass sie durch Methan und Sulfat aktiviert werden.“ Mit Methan als Energiequelle wachsen kabelartige Strukturen, so genannte Pili, von den Bakterien zu den Archaeen und docken dort an. Diese dünnen Kabel schaffen den Kontakt zwischen den eng benachbarten Zellen des Konsortiums. Wie die Forschung über diese Nano-Stromnetze weitergehen soll, fasst die Arbeitsgruppenleiterin Professor Antje Boetius zusammen: „In der Natur gibt es eine erhebliche Vielfalt von den Archaea-Bakterien-Konsortien. Der nächste Schritt ist zu schauen, ob die Stromkabel auch bei anderen Konsortien vorkommen. Wir möchten verstehen, wie diese Gemeinschaften funktionieren und wie sie ihren Stoffwechsel regeln, weil dadurch entscheidende Prozesse in der Natur gesteuert werden.“ Neben dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen sind an der Veröffentlichung Forschende des Zentrums Centrums für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld, des Zentrums Marine Umweltwissenschaften (MARUM) der Universität Bremen, vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie, Göttingen und des Alfred-Wegener-Instituts und des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven beteiligt.
Originalveröffentlichung:
Intercellular wiring enables electron transfer between methanotrophic archaea and bacteria. Gunter Wegener, Viola Krukenberg, Dietmar Riedel, Halina E. Tegetmeyer and Antje Boetius. Nature, 2015 doi: 10.1038/nature15733
Strom wie aus der Steckdose - diese bequeme Art der Energieversorgung bewahrheitet sich scheinbar für bestimmte Mikroorganismen. Die Zellen können ihren Energiebedarf in Form von elektrischem Strom über Nano-Drahtverbindungen decken. Diese wahrscheinlich kleinsten Stromnetze der Welt haben Forscher aus Bielefeld, Bremen, Bremerhaven und Göttingen entdeckt, als sie Zellaggregate Methan-abbauender Mikroorganismen untersuchten. Diese bestehen aus zwei völlig verschiedenen Zelltypen, die Methan nur gemeinsam abbauen können. Mithilfe genetischer und elektronenmikroskopischer Verfahren fanden sie kabelartige Verbindungen zwischen den Zellen. An der Universität Bielefeld wurden dafür die DNA und die RNA der Mikroorganismen aufbereitet und anschließend sequenziert. Die Forschenden erklären in der Fachzeitschrift Nature, wie die Organismen ihren Energieaustausch organisieren.
Mit
Hilfe der Elektronenmikroskopie entdeckten die Forschenden die
Nano-Drähte, die bis zu mehrere Mikrometer lang wurden, einem Mehrfachen
des Zelldurchmessers. Die Länge des weißen Balkens entspricht einem
Mikrometer. Die Pfeile verweisen auf die Nano-Drähte. Foto:
Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie, Göttingen
In den tiefen Schichten des Meeresbodens bildet sich Methan aus abgestorbener Biomasse. Dieses Gas steigt zunächst auf, doch noch vor dem Austritt ins Meer wird es im Meeresboden durch ganz spezielle Gemeinschaften (Konsortien) von bestimmten Typen von Bakterien und Archaeen abgebaut. Die Archaeen nehmen das Methan auf und oxidieren es zu Karbonat. Dabei entstehende Energie muss den Partnerbakterien übergeben werden, damit der Prozess ablaufen kann. Die Bakterien veratmen dann statt Sauerstoff Sulfat, um ebenfalls Energie zu gewinnen (Sulfatreduzierer). Aber in welcher Form der Transfer geschieht, blieb bis vor kurzem ein Rätsel. Dieser Prozess findet wahrscheinlich seit Milliarden von Jahren statt, und hat schon den Methangehalt in der sauerstofffreien Atmosphäre der jungen Erde beeinflusst.
Dr. Gunter Wegener, zusammen mit Viola Krukenberg Erstautor der jetzt publizierten Nature-Studie, sagt: „Unser Team hat sich besondere AOM-Konsortien angeschaut, die bei 60 Grad Celsius leben. Hier gelang es erstmals, das Partnerbakterium allein wachsen zu lassen. Dann haben wir diese Kultur und die AOM-Kultur systematisch unter verschiedenen Bedingungen getestet und verglichen. Wir wollten wissen, welche Stoffe als Energieträger zwischen den Archaeen und dem Sulfatreduzierer in Frage kommen.“ Die meisten Verbindungen konnten die Forscher schnell ausschließen. Gaben die Forscher jedoch Wasserstoff und Methan gemeinsam zu den Konsortien, wurde kein Methan mehr abgebaut, stattdessen nutzten die Sulfatreduzierer den Wasserstoff. Erst als dieser aufgebraucht war, lief die Methanoxidation wieder an. Wasserstoff kam als Intermediat in Betracht, nur produzierten Archaeen nicht ausreichend davon, um das Wachstum der Sulfatreduzierer zu erklären.
Es blieb als mögliche Alternative eine direkte Stromverbindung zwischen den Zellen. Für die AOM-Kulturen traf diese Vermutung ins Schwarze. Dietmar Riedel, Leiter der Elektronenmikroskopie am Göttinger MPI, sagt: „Die Schwierigkeit bestand darin diese Verbindungen auch morphologisch nachzuweisen. Um die Strukturen nachzuweisen, mussten die Proben unter Hochdruck gefroren und in Epoxidharz eingebettet werden. Danach konnten ultradünne Schnitte der so präparierten Probe in nahezu nativen Zustand am Transmissionselektronenmikroskop untersucht werden.“ Für die Analyse der vorhandenen Gene und ihrer Aktivität wurden die DNA und die RNA der Mikroorganismen am CeBiTec für die Hochdurchsatz-Sequenzierung aufbereitet und sequenziert. Dr. Halina Tegetmeyer: „Wir haben mehrere Millionen der Boten-Moleküle sequenziert, die bei der Aktivität von Genen in den Zellen freigesetzt werden.“ Viola Krukenberg ergänzt: „Wir haben alle notwendigen Gene für den Elektronentransport gefunden und gezeigt, dass sie durch Methan und Sulfat aktiviert werden.“ Mit Methan als Energiequelle wachsen kabelartige Strukturen, so genannte Pili, von den Bakterien zu den Archaeen und docken dort an. Diese dünnen Kabel schaffen den Kontakt zwischen den eng benachbarten Zellen des Konsortiums. Wie die Forschung über diese Nano-Stromnetze weitergehen soll, fasst die Arbeitsgruppenleiterin Professor Antje Boetius zusammen: „In der Natur gibt es eine erhebliche Vielfalt von den Archaea-Bakterien-Konsortien. Der nächste Schritt ist zu schauen, ob die Stromkabel auch bei anderen Konsortien vorkommen. Wir möchten verstehen, wie diese Gemeinschaften funktionieren und wie sie ihren Stoffwechsel regeln, weil dadurch entscheidende Prozesse in der Natur gesteuert werden.“ Neben dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen sind an der Veröffentlichung Forschende des Zentrums Centrums für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld, des Zentrums Marine Umweltwissenschaften (MARUM) der Universität Bremen, vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie, Göttingen und des Alfred-Wegener-Instituts und des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven beteiligt.
Originalveröffentlichung:
Intercellular wiring enables electron transfer between methanotrophic archaea and bacteria. Gunter Wegener, Viola Krukenberg, Dietmar Riedel, Halina E. Tegetmeyer and Antje Boetius. Nature, 2015 doi: 10.1038/nature15733