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„Gespaltene Mitte - Feindselige Zustände“
Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt Stabilität rechtsextremer und rechtspopulistischer Einstellungen / Verbreitung besonders hoch unter Sympathisanten der AfD / Stimmung mit Blick auf Flüchtlingssituation gelassen
Unter dem Titel „Gespaltene
Mitte - Feindselige Zustände“ erscheint am heutigen Montag (21.11.2016)
die neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu rechtsextremen und
menschenfeindlichen Einstellungen in Deutschland (FES-Mitte-Studie).
Professor Dr. Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre
Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, ist Mitautor.
Im Jahr 2016 hat die FES-Mitte-Studie erstmals auch die Zustimmung und Ablehnung neurechter Einstellungen in der Bevölkerung erfasst. Die Neue Rechte transportiert über die Begriffe „Identität“ und “Widerstand“ ihre nationalistisch-völkische Ideologie und löst zunehmend den offenen Rechtsextremismus ab.
Verschwörungsmythen in Bezug auf eine vermeintliche Unterwanderung durch den Islam, die Behauptung eines Meinungsdiktats, eine Beschimpfung des „Establishments“ als illegitim, verlogen und betrügerisch, die Forderung nationaler Rückbesinnung gegen die EU und der Aufruf zum Widerstand gegen die aktuelle Politik bilden ein zusammenhängendes neurechtes Einstellungsmuster, das von fast 28 Prozent der Bevölkerung vertreten wird. Je weiter rechts die Befragten sich selbst positionieren, desto eher vertreten sie auch diese Form neu-rechter Einstellungen. 84 Prozent der AfD-Wähler_innen neigen zu neurechten Einstellungen.
40 Prozent aller Befragten meinen, die deutsche Gesellschaft würde durch den Islam unter-wandert. Mehr als jede/r Vierte (28 %) denkt: „Die regierenden Parteien betrügen das Volk“, ebenso viele beklagen: „In Deutschland kann man nicht mehr frei seine Meinung äußern, ohne Ärger zu bekommen.“ (28 %) und fordern: „Es ist Zeit, mehr Widerstand gegen die aktuelle Politik zu zeigen“ (29 %). Dagegen ist die Stimmung in der Bevölkerung in Hinblick auf die Geflüchteten deutlich positiver, als vielfach unterstellt. Die Mehrheit der Bevölkerung äußert sich im Sommer 2016 wohlwollend oder zumindest in der Tendenz positiv zur Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland. Über die Hälfte der Befragten (56 %) findet die Aufnahme gut, weitere 24 Prozent zumindest „teils-teils“ gut und ist optimistisch, dass es der Gesellschaft gelingt, die aktuelle Situation zu bewältigen.
Nur
20 Prozent finden es explizit „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ gut,
dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Eine kleine
Minderheit fühlt sich persönlich durch Flüchtlinge in ihrer Lebensweise
(6%) bzw. finanziell (7%) bedroht, allerdings befürchtet rund ein
Viertel der Befragten ein Absinken des Lebensstandards in Deutschland.
„Wir sollten der lauten Minderheit der Fremdenfeinde in den
gesellschaftlichen Debatten nicht so viel Raum geben, sondern der
demokratisch gesinnten Mehrheit mehr Aufmerksamkeit schenken“, sagt
Beate Küpper vom Autorenteam der Studie. Und Herausgeber Ralf Melzer von
der Friedrich-Ebert-Stiftung ergänzt: „Politische Bildung heißt auch,
diejenigen zu unterstützen und zu qualifizieren, die sich für unsere
Grundwerte, Mitmenschlichkeit und Vielfalt engagieren.“
Konfliktträchtig sind die weitverbreiteten muslimfeindlichen Einstellungen (19 %) und die Zustimmung zu Vorurteilen gegenüber asylsuchenden Menschen; sie stiegen von 2014 (44%) auf 50 Prozent in 2016. Stabil hoch sind auch Zustimmungen zu negativen Meinungen über langzeitarbeitslose Menschen; sie werden von fast der Hälfte aller Befragten geteilt (49%).
Mit
Blick auf Unterschiede in demografischen Gruppen fallen signifikante
Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Befragten auf:
Fremdenfeindlichkeit, Muslimfeindlichkeit, die Abwertung von Sinti und
Roma, asylsuchenden und wohnungslosen Menschen sind im Osten signifikant
stärker ausgeprägt. Auch bei den rund 26 Prozent Anhängerinnen und
Anhängern der AfD finden sich auffällig hohe Zustimmungswerte zu
vorurteilsgeprägten und rechtspopulistischen Meinungen. Die Daten
bestätigen: Jene, die die Ideen der AfD gut finden, sind im Vergleich zu
2014 deutlich nach rechts gerückt. AfD-Sympathisanten sind
menschenfeindlicher und rechtsextremer eingestellt als
Nicht-Sympathisanten. Dieser Trend hat sich seit der letzten
FES-Mitte-Studie verstärkt.
Andreas Zick, Mitautor der Studie und Leiter des IKG: „Deutschland befindet sich in einer Zerreißprobe: Während sich viele von rechtspopulistischen Meinungen leiten lassen und aggressiver gegen Eliten und vermeintlich Fremde geworden sind, sind andere bereit, sich noch mehr für die Integration zu engagieren.“
Facetten
Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) werden seit 2002 vom
Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der
Universität Bielefeld untersucht. Dabei handelt es sich um abwertende
und feindselige Meinungen gegenüber gesellschaftli-chen Gruppen. Die
daraus resultierende zehnbändige Reihe der „Deutschen Zustände“ und die
Reihe der seit 2006 von der Friedrich-Ebert-Stiftung im
Zweijahresrhythmus in Auftrag gege-benen Mitte-Studien zu rechtsextremen
Einstellungen (bis 2012 in Kooperation mit der Uni-versität Leipzig)
wird in Form des vorliegenden Buchs nach 2014 zum zweiten Mal
zusammengeführt. Es beschreibt auf Basis einer repräsentativen Erhebung
für das Jahr 2016 das Bild einer gespaltenen Gesellschaft.
Datengrundlage der repräsentativen Umfrage 2016:
- Telefonische Befragung (CATI) von 1.896 repräsentativ ausgewählten Personen mit deut-scher Staatsangehörigkeit; Befragungszeitpunkt: Juni bis August 2016;
- Durchführung: Sozialwissenschaftliches Umfrageinstitut GmbH (SUZ), Duisburg
- Daten von insgesamt 1.015 Frauen (53,5 %) und 880 Männern (46,4 %)
- Alter der Befragten: 16 – 95 Jahre; Altersdurchschnitt: 50,3 Jahre
Weitere Informationen:
www.fes.de/de/gespaltene-mitte-rechtsextreme-einstellungen-2016/
Projektleitung IKG: Prof. Dr. Andreas Zick
Projektleitung FES: Dr. Ralf Melzer
Pressekontakte: Gaby Rotthaus (FES): (030) 26935-7311 / Gaby Sander (IKG): (0521) 106-3124