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uni.aktuell-Archiv
Veröffentlicht am
15. Juni 2016
Kategorie:
Forschung & Wissenschaft
Fußballtaktiken mit Gedankenkraft trainieren
CITEC-Forschende entwickeln neue mentale Methode für Sportler
Nicht nur Ball-Kontrolle, Ausdauer und Geschicklichkeit spielen beim Fußball eine Rolle. Auch taktisch müssen die Spieler in einem Fußballteam auf der Höhe sein. Forscherinnen und Forscher des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld haben ein mentales Training entwickelt, das das taktische Verhalten von Kickern verbessert. Der Clou: Mit der Methode übt der Fußballer, ohne sich auf dem Spielfeld zu befinden.
„Im Fußball und in anderen Teamsportarten kommt es gerade darauf an, dass alle Spieler einer Mannschaft miteinander harmonieren – besonders im taktischen Verhalten“, sagt Professor Dr. Thomas Schack. Der Sportwissenschaftler und Kognitionspsychologe hat sich darauf spezialisiert, zu erfassen, wie Sportler Spielabläufe im Gedächtnis speichern und sie abrufen. Er leitet die Forschungsgruppe „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“, die am Exzellenzcluster CITEC arbeitet. „Heutzutage unterscheidet sich die körperliche Fitness der Fußballer innerhalb einer Leistungsklasse kaum. Die innere Vorstellung mannschaftstaktischen Verhaltens kann deshalb ein entscheidender Vorteil sein.“ Ein taktisch eingespieltes Team schafft es, seine eigentlichen Pläne gegenüber dem gegnerischen Team zu verschleiern, kann es so überlisten und das Spiel für sich entscheiden. „Das Problem ist, dass viele Spieler mannschaftstaktisches Verhalten mitunter falsch oder gar nicht im Gedächtnis abgespeichert haben. Wir entwickeln Verfahren, mit dem Spieler dieses fehlende Wissen erlernen“, sagt Schack.
Die neue Methode setzt auf das Vorstellungsvermögen der Sportler. Getestet wurde sie mit Fußballern, die Futsal spielen. Bei dieser Art des Hallenfußballs wird der Ball deutlich schneller gespielt als beim herkömmlichen Fußball auf dem Rasen. Zwei Teams mit je fünf Personen spielen auf Handballtore.
„Unser Verfahren basiert auf Fotos und Erklärungstexten zu typischen Taktik-Situationen“, sagt Dr. Cornelia Frank, Mitarbeiterin in Schacks Forschungsgruppe. Die Fotos und Texte erlauben es den Spielern, sich in eine Spielsituation hineinzuversetzen und sich die gemeinsame Handlung bis hin zum erfolgreichen Torabschluss vorzustellen. Die Sportwissenschaftlerin hat das neue Verfahren namens „Joint Action Imagery“ (Vorstellung gemeinsamer Handlungen) entwickelt. Sie und der Student Gian-Luca Linstromberg haben die Methode nun erstmals in einer Studie mit einer Bielefelder Hochschulsportgruppe eingesetzt und analysiert.
Den Testpersonen wurde dafür ein Foto mit einer Szene zu einer Taktik, zum Beispiel Kontern, gezeigt. Sie wurden gebeten, sich in einen bestimmten Spieler auf dem Foto hineinzuversetzen. Dazu wurde ihnen erklärt, wie das taktische Vorgehen aus Sicht dieses Spielers abläuft (zum Beispiel: „Du fängst den Ball im rechten Spielfeld ab. Vor dir befindet sich nur ein gegnerischer Spieler, links und rechts von dir sind zwei Spieler deines Teams. Du beschleunigst und passt den Ball zu deinem rechten Mitspieler.“). Nun sollte die Testperson sich die Situation zehn Mal nacheinander lebhaft vorstellen. Das mentale Training lief über vier Wochen, zusätzlich zum regulären Training in der Halle. Zwei Mal in der Woche wurde es angeleitet, einmal in der Woche gingen die Spieler das Training mit einem Skript selbst zu Hause durch.
An der Untersuchung nahmen durchschnittlich erfahrene Futsal-Spieler teil. Insgesamt zwölf Spieler durchliefen das mentale Training. Zu Beginn und zum Abschluss erfassten die Forscher, wie gut die Testpersonen die vier Taktiken – Spielaufbau, Konter, Umschalten auf Verteidigung und Pressing – mental verinnerlicht haben. Dafür mussten sie taktische Entscheidungen zu Spielsituationen treffen. Sie sahen jeweils zwei gegenübergestellte Situationen und beur-teilten dann, ob in beiden Fällen mit der gleichen Taktik reagiert werden kann.
„Ein zentrales Ergebnis ist, dass die Spieler die verschiedenen Taktiken durch das mentale Training besser auseinanderhalten können als vorher“, sagt Cornelia Frank. Die Fortschritte der Testpersonen wurden mit einer Kontrollgruppe von Futsal-Spielern verglichen, die nicht am mentalen Training teilgenommen hat. „Das Verblüffende war: Im Vergleich zur Kontrollgruppe haben die Personen mit dem mentalen Training funktionale, also zweckmäßige Vorstellungen der Taktiken entwickelt. Damit geht ihre mentale Taktik-Kompetenz in Richtung von Profi-Spielern.“
Cornelia Frank stellt das neue Training Ende Juli in Köln auf dem Sportspielsymposium der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) vor, die gemeinsam mit der Konferenz „Teaching Games for Understanding“ abgehalten wird. Auf der Tagung wird sie auch darauf eingehen, welche Effekte des Trainings noch erforscht werden sollen. So ist bislang unklar, ob das Training den Fußballern hilft, auf dem Spielfeld auch tatsächlich entsprechend der Taktiken zu entscheiden. Ebenfalls offen ist, ob das Training den Spielern hilft, taktische Anweisungen des Trainers besser zu verstehen und sich mit ihm und den Mitspielern darüber auszutauschen. Schon jetzt ist klar: „Mit unserer Methode lernen Spieler in kurzer Zeit gewissermaßen das fußballerische Einmaleins, das jeder Trainer voraussetzt. Und sie bekommen ein besseres Verständnis dafür, welches Taktikkonzept bei welcher Konstellation greifen kann.“
Weitere Informationen im Internet:
Forschungsgruppe „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“:
www.uni-bielefeld.de/sport/arbeitsbereiche/ab_ii/start.html
Nicht nur Ball-Kontrolle, Ausdauer und Geschicklichkeit spielen beim Fußball eine Rolle. Auch taktisch müssen die Spieler in einem Fußballteam auf der Höhe sein. Forscherinnen und Forscher des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld haben ein mentales Training entwickelt, das das taktische Verhalten von Kickern verbessert. Der Clou: Mit der Methode übt der Fußballer, ohne sich auf dem Spielfeld zu befinden.
Wie können Fußballer ihr mannschaftstaktisches Verhalten mental trainieren, um das gegnerische Team mit ihrer Spielweise zu verblüffen? Damit befassen sich die Sportwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Schack und Dr. Cornelia Frank. Foto: CITEC/Universität Bielefeld
Die neue Methode setzt auf das Vorstellungsvermögen der Sportler. Getestet wurde sie mit Fußballern, die Futsal spielen. Bei dieser Art des Hallenfußballs wird der Ball deutlich schneller gespielt als beim herkömmlichen Fußball auf dem Rasen. Zwei Teams mit je fünf Personen spielen auf Handballtore.
„Unser Verfahren basiert auf Fotos und Erklärungstexten zu typischen Taktik-Situationen“, sagt Dr. Cornelia Frank, Mitarbeiterin in Schacks Forschungsgruppe. Die Fotos und Texte erlauben es den Spielern, sich in eine Spielsituation hineinzuversetzen und sich die gemeinsame Handlung bis hin zum erfolgreichen Torabschluss vorzustellen. Die Sportwissenschaftlerin hat das neue Verfahren namens „Joint Action Imagery“ (Vorstellung gemeinsamer Handlungen) entwickelt. Sie und der Student Gian-Luca Linstromberg haben die Methode nun erstmals in einer Studie mit einer Bielefelder Hochschulsportgruppe eingesetzt und analysiert.
In der neuen Methode helfen Fotos von Spielsituationen, Taktiken – hier ein Konter – mental einzuüben. Foto: CITEC/Universität Bielefeld
An der Untersuchung nahmen durchschnittlich erfahrene Futsal-Spieler teil. Insgesamt zwölf Spieler durchliefen das mentale Training. Zu Beginn und zum Abschluss erfassten die Forscher, wie gut die Testpersonen die vier Taktiken – Spielaufbau, Konter, Umschalten auf Verteidigung und Pressing – mental verinnerlicht haben. Dafür mussten sie taktische Entscheidungen zu Spielsituationen treffen. Sie sahen jeweils zwei gegenübergestellte Situationen und beur-teilten dann, ob in beiden Fällen mit der gleichen Taktik reagiert werden kann.
„Ein zentrales Ergebnis ist, dass die Spieler die verschiedenen Taktiken durch das mentale Training besser auseinanderhalten können als vorher“, sagt Cornelia Frank. Die Fortschritte der Testpersonen wurden mit einer Kontrollgruppe von Futsal-Spielern verglichen, die nicht am mentalen Training teilgenommen hat. „Das Verblüffende war: Im Vergleich zur Kontrollgruppe haben die Personen mit dem mentalen Training funktionale, also zweckmäßige Vorstellungen der Taktiken entwickelt. Damit geht ihre mentale Taktik-Kompetenz in Richtung von Profi-Spielern.“
Cornelia Frank stellt das neue Training Ende Juli in Köln auf dem Sportspielsymposium der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) vor, die gemeinsam mit der Konferenz „Teaching Games for Understanding“ abgehalten wird. Auf der Tagung wird sie auch darauf eingehen, welche Effekte des Trainings noch erforscht werden sollen. So ist bislang unklar, ob das Training den Fußballern hilft, auf dem Spielfeld auch tatsächlich entsprechend der Taktiken zu entscheiden. Ebenfalls offen ist, ob das Training den Spielern hilft, taktische Anweisungen des Trainers besser zu verstehen und sich mit ihm und den Mitspielern darüber auszutauschen. Schon jetzt ist klar: „Mit unserer Methode lernen Spieler in kurzer Zeit gewissermaßen das fußballerische Einmaleins, das jeder Trainer voraussetzt. Und sie bekommen ein besseres Verständnis dafür, welches Taktikkonzept bei welcher Konstellation greifen kann.“
Weitere Informationen im Internet:
Forschungsgruppe „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“:
www.uni-bielefeld.de/sport/arbeitsbereiche/ab_ii/start.html