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Für die Entstehung von Gehirntumoren verantwortlicher molekularer Mechanismus entdeckt
Bielefelder Zellbiologen analysieren Degeneration gezüchteter adulter Stammzellen zu Tumorzellen
Großes medizinisches
Potenzial für zahlreiche Krankheiten liegt in der Therapie mit adulten
Stammzellen, die aus vielen Geweben gewonnen und im Labor gezüchtet
werden. Eine Gefahr dabei ist, dass während der Zucht degenerierte
Zellen mit tumorartigen Eigenschaften entstehen, die einen Tumor
übertragen können (so genannte “transformierte“ Zellen). Ein Team von
Zellbiologen vom Centrum für Biotechnologie der Universität Bielefeld
hat nun einen molekularen Mechanismus entdeckt, der adulte Stammzellen
zu Tumorzellen umwandeln kann. Das Team unter der Leitung von
Professorin Dr. Barbara Kaltschmidt am Lehrstuhl für Zellbiologie
(Fakultät für Biologie) machte die Entdeckung an neuralen Stammzellen,
die besonders interessant für die Therapie von neurodegenerativen
Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson sind.
Neurale
Stammzellen können im Labor viele Monate vermehrt werden, ohne die
Fähigkeit zu verlieren, in reife Zellen wie Neurone und Gliazellen (die
beiden Zellarten im Gehirn) zu differenzieren. Zum Wachstum benötigen
solche Stammzellen, im Gegensatz zu Tumorzellen, so genannte von außen
hinzu-kommende proteinbasierte Wachstumsfaktoren, nämlich epidermal
growth factor (EGF) und Basischer Fibroblastenwachstumsfaktor (bFGF).
Die
Bielefelder Wissenschaftler wiesen nach, dass sich nach einer längeren
Kulturdauer (mehr als 50 Wachstumszyklen des „Umtopfens“ der Zellen in
Petrischalen) die Stammzellen in Richtung Tumorzellen verwandeln. Sie
benötigen dann keine zusätzlichen Wachstumsfaktoren mehr. Im Gegensatz
zu gewöhnlichen adulten Stammzellen stoppen sie auch nicht die
Zellteilung nach Differenzierung. Die Zellen werden polyploid, das heißt
sie haben 70 Chromosomen und damit mehr als die üblichen zwei
Chromosomensätze. Die molekulare Analyse zeigte, dass eine dabei
dauernde Aktivierung des NF-kappaB Signalweges vorliegt. Dabei handelt
es sich um einen Gen-Schalter, der den Transformationsprozess in Gang
setzt. Weiterhin wurde entdeckt, dass dabei auch das Protein vascular
endithelial growth factor (VEGF) in einem Übermaß produziert wird. Die
transformierten Zellen sind im Wachstum abhängig von VEGF. VEGF ist aber
auch ein zentraler Wachstumsfaktor für Gehirntumore (Gliome). Die
Bielefelder Molekularbiologen konnten zeigen, dass die Produktion von
VEGF unter der Kontrolle des erwähnten Faktors NF-kappaB steht. Für eine
Transformation von neuralen Stammzellen ist die Aktivierung des
NF-kappaB Signalweges ausreichend. Dies kann für neue Therapien der
Gliome genutzt werden, welche eine besonders aggressive Form der humanen
Krebserkrankungen darstellen.
Das Forscherteam plant in diesem
Zusammenhang klinische Studien gemeinsam mit Strahlenmedizinern und
Biochemikern.
Die neuen Forschungsergebnisse wurden in der
Zeitschrift „Stem Cells and Development“ publiziert:
Neural
stem cells adopt tumorigenic properties by constitutively activated
NF-kappaB and subsequent VEGF up-regulation.
Kaus A, Widera D,
Kassmer S, Peter J, Zänker KS, Kaltschmidt C, Kaltschmidt B.
Stem
Cells Dev. 2010 Feb 25. [Epub ahead of print]
Kontakt:
Prof. Dr. Barbara Kaltschmidt, Universität Bielefeld
Fakultät
für Biologie/Centrum für Biotechnologie
Tel.: 0521 106-5624
E-Mail:
barbara.kaltschmidt@uni-bielefeld.de