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Die produktive Kraft der Schuld

Veröffentlicht am 23. Oktober 2018, 11:00 Uhr
Neue Forschungsgruppe am ZiF startet mit Auftaktkonferenz

Schuld ist ein quälendes Gefühl. Nach dem Schuldigen zu fragen oder Schuld zuzuweisen, kann Menschen, Gruppen und ganze Gesellschaften unter Druck setzen. Aber Schulddynamiken können auch Prozesse der Versöhnung oder des Neubeginns anstoßen. Die neue Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld sucht nach den produktiven Kräften der Schuld. Renommierte internationale Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Disziplinen arbeiten seit dem 1. Oktober für zehn Monate zusammen am ZiF an diesem Thema. Die Eröffnungskonferenz „Productive Guilt – Theoretical Approaches“ (Produktive Schuld - Theoretische Ansätze) findet vom 29. bis zum 31. Oktober statt.


Die neue Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld sucht nach den produktiven Kräften der Schuld.
Die neue Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld sucht nach den produktiven Kräften der Schuld. Foto: Universität Bielefeld

„Wir verstehen ‚Produktivität‘ nicht primär im ökonomischen Sinne, der Begriff verweist vielmehr darauf, was aus Schuld alles entstehen kann“, erklärt der Literaturwissenschaftler Dr. Matthias Buschmeier von der Universität Bielefeld, der gemeinsam mit der Religionswissenschaftlerin Professorin Dr. Katharina von Kellenbach (St. Mary’s College of Maryland, USA) die Forschungsgruppe leitet. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Rolle von Schuld bei der Entwicklung und Transformation von Kulturen und der Ausbildung soziokultureller Bindungskräfte zu untersuchen. Dazu haben sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ans ZiF geholt, die kulturell und disziplinär unterschiedliche Schuldkonzepte erforschen. „Die eingeladenen Fellows bringen ihre Forschungsansätze aus zahlreichen Disziplinen mit: der Traumapsychologie, der postkolonialen Sozialtheorie und Anthropologie, der Kulturtheorie, der narrativen Symbolik und der Sprachphilosophie, der Literaturwissenschaft, Theologie, Rechtstheorie und der praktischen Philosophie“, sagt Katharina von Kellenbach.

Zudem gehe es darum, die westlichen Schuldtraditionen, die sich aus und im Judentum und Christum entwickelten, mit Traditionen anderer Religionen (Islam/Hinduismus/indigene Religionen) sowie mit dem Umgang in nicht-europäischen Szenarien (Indonesien/Indien/Mozambique) zu vergleichen: Gibt es universelle Aspekte von Schuld? Und wie verhält sich Schuld als (individuelles) Gefühl zu (kollektiven) sozialen und rechtlichen Praktiken von Schuld? In welcher Beziehung steht Schuld zu Scham, Reue, Bedauern, Verzeihen, Reinheit und anderen verwandten Phänomenen? „Damit hoffen wir einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Erforschung des Phänomens Schuld einzuleiten“, so Matthias Buschmeier.

Bei der Auftakttagung vom 29. bis 31. Oktober stellen die Fellows der Forschungsgruppe ihre Arbeiten vor; internationale Gäste ergänzen das Programm. Sie werden das Thema Schuld buchstäblich von Adam bis Eva bis zur Finanzkrise ausleuchten, zahlreiche internationale Konflikte in den Blick nehmen und dabei den Fokus auf die dynamischen Kräfte legen, die der Schuldzuschreibung und –ablehnung innewohnen: Dr. Matthias Buschmeier analysiert die Geschichte von Adam und Eva als Beginn einer kulturellen Dynamik, die Ethnologin Professorin Dr. Silke Meyer (Universität Innsbruck, Österreich) und der Amerikanist Dr. Christian Klöckner (Universität Bonn) sprechen über Schuld und Schulden. Die Religionswissenschaftlerin Katharina von Kellenbach (St. Mary’s College of Maryland, USA) analysiert die produktive Kraft von Schuld, Schmutz und Müll. Der Soziologe Professor Dr. Natan Sznaider (Akademische Hochschule Tel Aviv, Israel) untersucht, wie die „Deutschen Fragen“ globalisiert und in Spanien nach Franco neu beantwortet werden. In weiteren Beiträgen geht es unter anderem um Schuld in Ritualen, in Literatur und Theater, um Kollektivschuld und Sühne.

„Mit dieser Tagung wollen wir zeigen, dass Schuld eine wirkungsvolle Größe in der Entwicklung und Transformation von Gesellschaften ist und auch für die Ausbildung kultureller Zusammengehörigkeit eine wichtige Rolle spielen kann“, so die Leiter der Forschungsgruppe. „Die lebhafte Zusammenarbeit in den ersten Wochen unserer Forschungsgruppe stimmt uns optimistisch, dass es uns gelingen wird, die produktiven Seiten des Phänomens Schuld herauszuarbeiten.“

Die Ausstellung „Spectral Latencies – Schuld im Überblick“ der US-amerikanischen Künstlerin Jane Mulfinger ist noch bis 8. November am ZiF zu sehen. Die Lichtkünstlerin und Professorin an der University of California, Santa Barbara, ist ebenfalls Mitglieder Forschungsgruppe. Sie hat in ihre Installation neben Bildern auch Aussagen von Bielefelderinnen und Bielefeldern zum Thema Schuld in verfremdeter und anonymisierter Form integriert.

Eröffnungstagung:
29. bis 31. Oktober 2018 
Ausstellung:
bis zum 8. November
Ort:
Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF), Methoden 1, 33615 Bielefeld

Weitere Informationen:
http://wwwfo.uni-bielefeld.de/(de)/ZiF/FG/2018Culpa/

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