uni.aktuell-Archiv
Die Hungerkrisen der "Kleinen Eiszeit"
Tagung an der Universität Bielefeld befasst sich mit Klimawandel und Gesellschaft
Laut
Welthunger-Index sind rund 805 Millionen Menschen weltweit
unterernährt. Damit macht die Welthungerhilfe deutlich, dass
Hungerkrisen eine Gegenwartsfrage bleiben. Wie wurden solche
Herausforderungen in der Vergangenheit bewältigt? Historiker, Geographen
und Politikwissenschaftler diskutieren am 19. und 20. Februar die
Einflüsse von Klimafaktoren und gesellschaftlichen Entwicklungen auf die
Entstehung von Hungerkrisen in der „Kleinen Eiszeit“ (1300-1800). Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen im Zentrum für
interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld zusammen.
„Hungerkatastrophen
ereignen sich an der Nahtstelle von Natur und Kultur. Untersuchungen in
diesem Feld werden durch disziplinäre Grenzziehungen erschwert“, sagt
der Historiker Dr. Dominik Collet von der Universität Heidelberg. Er
leitet die Tagung zusammen mit seinem Heidelberger Kollegen Dr.
Maximilian Schuh.
„Hungerkatastrophen können sowohl
biophysikalische als auch gesellschaftliche Ursachen haben“, sagt
Collet. Die Natur spielt zum Beispiel dann eine Rolle, wenn zu viel
Sonne oder zu viel Regen die Ernte in einer Region unmöglich machen.
Gesellschaftliche Ursachen für eine Hungersnot können Bürgerkriege sein
oder Börsen-Spekulationen mit Nahrungsmitteln, die zu steigenden Preisen
führen. „Der populäre Verweis auf die dramatischen Auswirkungen von
ausschließlich klimainduzierten Hungersnöten der Vergangenheit beruht
daher zumeist auf Mutmaßungen“, sagt Dr. Maximilian Schuh.
Deshalb
bringt der Workshop Forscher aus den Natur-, Sozial- und
Kulturwissenschaften zusammen, die vor dem Hintergrund neuerer Ansätze
ausloten, wie sich natürliche und gesellschaftliche Faktoren zueinander
verhalten. „In Hungerkrisen wird die Verflechtung von natürlicher Umwelt
und sozialem Handeln in besonderem Maße sichtbar“, betont Dominik
Collet.
Die Tagungsveranstalter streben nach einem integrativen
Ansatz: Er soll Baumringe als „Archive der Natur“ ebenso berücksichtigen
wie „Archive der Gesellschaft", etwa historische Darstellungen und
Chroniken.
Die Tagung mit 23 Forschern aus acht Nationen
konzentriert sich auf Agrargesellschaften der „Kleinen Eiszeit“
(1300-1800), in denen Hungerkrisen besonders häufig auftraten. Der Fokus
liegt auf Europa und Asien. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.
Weitere Informationen im Internet:
http://www.uni-bielefeld.de/(de)/ZIF/AG/2015/02-19-Collet.html