© Universität Bielefeld
uni.aktuell-Archiv
Veröffentlicht am
16. August 2016
Kategorie:
Forschung & Wissenschaft
Der ruhende Blick des Golfers
Forschende des Exzellenzclusters CITEC untersuchen Bewegungslernen
Nach 112 Jahren ist Golf erstmals wieder eine Disziplin bei den olympischen Spielen. Nicht nur mit praktischem Training, auch mit mentalen Übungen schulen olympische Golf-Sportlerinnen und -Sportler ihre Treffsicherheit. Wie arbeitet das Gehirn von Profi-Golfern im Vergleich zu dem von Anfängern? Das untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters CITEC der Universität Bielefeld. Sie können nicht nur messen, was Profis den Anfängern voraushaben. In Studien testen sie Trainingskonzepte, mit denen Golfspieler ihre Bewegungsausführung verbessern sollen.
„Eine besondere Eigenschaft von Profi-Sportlern ist, dass sie bewusst oder unbewusst die Technik ,Quiet Eye‘ einsetzen“, sagt Professor Dr. Thomas Schack. Der Sportwissenschaftler und Kognitionspsychologe leitet die Forschungsgruppe „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“, die am Exzellenzcluster CITEC arbeitet. Die Idee hinter dem Konzept des ruhenden Auges: Bevor ein Sportler eine Aktion ausführt, richtet sich sein Blick auf einen markanten Punkt – im Golf ist das der Ball. „Das Quiet Eye steht für den Moment, in dem das Gehirn die bevorstehende Bewegung plant“, sagt Thomas Schack.
Welche Rolle das „Quiet Eye“ spielt, zeigt sich zum Beispiel, wenn ein Golfer puttet, also den letzten Schlag führt, der den Ball ins Loch bringen soll. Der Golfer vollzieht dabei mit dem Schläger zunächst einen Rückschwung, bevor er den Ball mit einem Schwung nach vorne schlägt. Schon während er zum Rückschwung ausholt, fixieren seine Augen den Golfball und sie bleiben auch noch beim Abschlag daran kleben. „Unsere Forschung bestätigt, dass Profis länger als Anfänger auf den Ball fokussieren. Beim Putt sind das bis zu drei Sekunden“, sagt Thomas Schack. Außerdem gilt laut Schack: Je schwieriger die Aufgabe, desto länger hält die Fixierung des Balls an.
In Lernstudien testet Schacks Forschungsgruppe, wie Golf-Anfänger sich die Bewegungsabläufe des Golf-Spiels und damit verbundene Eindrücke am besten einprägen. Gelingt das besser durch praktisches Training – die tatsächliche Ausführung – oder durch mentales Training – also das Durchspielen der Bewegungsabläufe in Gedanken? Für eine Studie der Sportwissenschaftlerin Dr. Cornelia Frank übten 45 Personen an drei Tagen Golfputts – eine Gruppe praktisch, eine zweite Gruppe praktisch und mental (kombiniertes Training). Im mentalen Training wurden die Probanden aufgefordert, einen Putt mehrfach innerlich zu wiederholen. Aus ihrer eigenen Perspektive sollten sie sich lebhaft vorstellen, was sie direkt vor, während und nach dem Schlag sehen, fühlen, hören und machen. Dieses mentale Training wurde an drei Tagen jeweils zehn Mal wiederholt.
Eine Eyetracking-Brille erfasste vor und nach dem Training, ob und wie lange die Testpersonen den Ball mit den Augen fixierten. Zusätzlich zum Blick zeichnete Cornelia Frank auch den Putt der Probanden auf und sie fragte ab, wie „sauber“ die Golf-Bewegungsmuster im Gedächtnis gespeichert waren. Am Ende verglich sie die beiden Gruppen: Wie hatten sich der Blick (das „Quiet Eye“), das Wissen über die Bewegungsabbilder und die Bewegungsausführung verändert?
Ein zentrales Ergebnis: „Das kombinierte Training trägt zu einer längeren Fixationsdauer bei. Der Blick ruht also ähnlich wie bei Profi-Golfern kurz vor und nach der entscheidenden Bewegung länger auf dem Ball“, sagt Frank. Gleichzeitig sorgte das mentale Training auch dafür, dass die Probanden die Bewegungsabbilder präziser im Gedächtnis gespeichert haben. „Damit veränderten sich die Bewegungsabbilder im Gedächtnis stärker hin zu denen von Golf-Profis“, erklärt die Sportwissenschaftlerin. „Wir konnten zeigen, dass die Quiet-Eye-Dauer direkt mit den gespeicherten Bewegungsabbildern zusammenhängt“. Das rein praktische Training hat laut der Studie hingegen weniger Einfluss auf die Fixationsdauer.
Eine neue Erhebung soll nun den Zusammenhang zwischen der Aktivität des Gedächtnisses und dem Quiet Eye ermitteln. Der Golfer Daniel Boxberger folgt für seine Masterarbeit der leitenden Annahme: „In dem Moment des Quiet Eye werden besonders viele Informationen verarbeitet, um die bevorstehende Bewegung an die Situation anzupassen.“ In seiner seit Ende Juni laufenden Lernstudie misst er, wie sehr sich die Pupillen vor und nach dem Training weiten. Davon können die Forschenden auf die mentale Beanspruchung schließen. „Denn je weiter die Pupille im Moment des Quiet Eye ist, desto größer ist die Beanspruchung“, erklärt Frank, die die Arbeit betreut.
Mit den Erkenntnissen aus ihren Lernstudien können die CITEC-Forschenden künftig zuverlässiger feststellen, wie gut Golfspieler neue Bewegungsabfolgen erlernt haben. Dafür setzen sie auch virtuelle Realität ein. So wollen sie die Rolle des Quiet Eyes in dem virtuellen Trainingsraum „ICSpace“ untersuchen. Zu den Entwicklungen der Forschungsgruppe „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“ gehört eine Software, die per Gedächtnismessung feststellt, wie gut Golfer und andere Sportler die relevanten Techniken beherrschen. Seit rund zehn Jahren arbeitet die Forschungsgruppe mit Golftrainern und -sportlern auf verschiedenen Leistungsebenen zusammen.
Originalveröffentlichung:
Cornelia Frank, William M. Land, Thomas Schack: Perceptual-cognitive changes during motor learning: The influence of mental and physical practice on mental representation, gaze be-havior, and performance of a complex action. Frontiers in Psychology, http://dx.doi.org/10.3389/fpsyg.2015.01981, veröffentlicht am 8. Januar 2016
Weitere Informationen im Internet:
• „Golferverband zeichnet Bielefelder Analyse-Software aus“ (Pressemitteilung vom 14.02.2014): http://bit.ly/2aSDVih
• „Fußballtaktiken mit Gedankenkraft trainieren“ (Pressemitteilung vom 15.06.2016): http://bit.ly/2b9ZKgM
• „Intelligent Bewegung trainieren in der virtuellen Realität“ (Pressemitteilung vom 11.02.2016): http://bit.ly/2b8wSmv
Nach 112 Jahren ist Golf erstmals wieder eine Disziplin bei den olympischen Spielen. Nicht nur mit praktischem Training, auch mit mentalen Übungen schulen olympische Golf-Sportlerinnen und -Sportler ihre Treffsicherheit. Wie arbeitet das Gehirn von Profi-Golfern im Vergleich zu dem von Anfängern? Das untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters CITEC der Universität Bielefeld. Sie können nicht nur messen, was Profis den Anfängern voraushaben. In Studien testen sie Trainingskonzepte, mit denen Golfspieler ihre Bewegungsausführung verbessern sollen.
CITEC-Forscherin Dr. Cornelia Frank (li.) misst mit einer Eyetracking-Brille, wohin sich der Blick und damit die Aufmerksamkeit von Golf-Spielern bewegen. Foto: CITEC/Universität Bielefeld
Welche Rolle das „Quiet Eye“ spielt, zeigt sich zum Beispiel, wenn ein Golfer puttet, also den letzten Schlag führt, der den Ball ins Loch bringen soll. Der Golfer vollzieht dabei mit dem Schläger zunächst einen Rückschwung, bevor er den Ball mit einem Schwung nach vorne schlägt. Schon während er zum Rückschwung ausholt, fixieren seine Augen den Golfball und sie bleiben auch noch beim Abschlag daran kleben. „Unsere Forschung bestätigt, dass Profis länger als Anfänger auf den Ball fokussieren. Beim Putt sind das bis zu drei Sekunden“, sagt Thomas Schack. Außerdem gilt laut Schack: Je schwieriger die Aufgabe, desto länger hält die Fixierung des Balls an.
In Lernstudien testet Schacks Forschungsgruppe, wie Golf-Anfänger sich die Bewegungsabläufe des Golf-Spiels und damit verbundene Eindrücke am besten einprägen. Gelingt das besser durch praktisches Training – die tatsächliche Ausführung – oder durch mentales Training – also das Durchspielen der Bewegungsabläufe in Gedanken? Für eine Studie der Sportwissenschaftlerin Dr. Cornelia Frank übten 45 Personen an drei Tagen Golfputts – eine Gruppe praktisch, eine zweite Gruppe praktisch und mental (kombiniertes Training). Im mentalen Training wurden die Probanden aufgefordert, einen Putt mehrfach innerlich zu wiederholen. Aus ihrer eigenen Perspektive sollten sie sich lebhaft vorstellen, was sie direkt vor, während und nach dem Schlag sehen, fühlen, hören und machen. Dieses mentale Training wurde an drei Tagen jeweils zehn Mal wiederholt.
Eine Eyetracking-Brille erfasste vor und nach dem Training, ob und wie lange die Testpersonen den Ball mit den Augen fixierten. Zusätzlich zum Blick zeichnete Cornelia Frank auch den Putt der Probanden auf und sie fragte ab, wie „sauber“ die Golf-Bewegungsmuster im Gedächtnis gespeichert waren. Am Ende verglich sie die beiden Gruppen: Wie hatten sich der Blick (das „Quiet Eye“), das Wissen über die Bewegungsabbilder und die Bewegungsausführung verändert?
Ein zentrales Ergebnis: „Das kombinierte Training trägt zu einer längeren Fixationsdauer bei. Der Blick ruht also ähnlich wie bei Profi-Golfern kurz vor und nach der entscheidenden Bewegung länger auf dem Ball“, sagt Frank. Gleichzeitig sorgte das mentale Training auch dafür, dass die Probanden die Bewegungsabbilder präziser im Gedächtnis gespeichert haben. „Damit veränderten sich die Bewegungsabbilder im Gedächtnis stärker hin zu denen von Golf-Profis“, erklärt die Sportwissenschaftlerin. „Wir konnten zeigen, dass die Quiet-Eye-Dauer direkt mit den gespeicherten Bewegungsabbildern zusammenhängt“. Das rein praktische Training hat laut der Studie hingegen weniger Einfluss auf die Fixationsdauer.
Eine neue Erhebung soll nun den Zusammenhang zwischen der Aktivität des Gedächtnisses und dem Quiet Eye ermitteln. Der Golfer Daniel Boxberger folgt für seine Masterarbeit der leitenden Annahme: „In dem Moment des Quiet Eye werden besonders viele Informationen verarbeitet, um die bevorstehende Bewegung an die Situation anzupassen.“ In seiner seit Ende Juni laufenden Lernstudie misst er, wie sehr sich die Pupillen vor und nach dem Training weiten. Davon können die Forschenden auf die mentale Beanspruchung schließen. „Denn je weiter die Pupille im Moment des Quiet Eye ist, desto größer ist die Beanspruchung“, erklärt Frank, die die Arbeit betreut.
Mit den Erkenntnissen aus ihren Lernstudien können die CITEC-Forschenden künftig zuverlässiger feststellen, wie gut Golfspieler neue Bewegungsabfolgen erlernt haben. Dafür setzen sie auch virtuelle Realität ein. So wollen sie die Rolle des Quiet Eyes in dem virtuellen Trainingsraum „ICSpace“ untersuchen. Zu den Entwicklungen der Forschungsgruppe „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“ gehört eine Software, die per Gedächtnismessung feststellt, wie gut Golfer und andere Sportler die relevanten Techniken beherrschen. Seit rund zehn Jahren arbeitet die Forschungsgruppe mit Golftrainern und -sportlern auf verschiedenen Leistungsebenen zusammen.
Originalveröffentlichung:
Cornelia Frank, William M. Land, Thomas Schack: Perceptual-cognitive changes during motor learning: The influence of mental and physical practice on mental representation, gaze be-havior, and performance of a complex action. Frontiers in Psychology, http://dx.doi.org/10.3389/fpsyg.2015.01981, veröffentlicht am 8. Januar 2016
Weitere Informationen im Internet:
• „Golferverband zeichnet Bielefelder Analyse-Software aus“ (Pressemitteilung vom 14.02.2014): http://bit.ly/2aSDVih
• „Fußballtaktiken mit Gedankenkraft trainieren“ (Pressemitteilung vom 15.06.2016): http://bit.ly/2b9ZKgM
• „Intelligent Bewegung trainieren in der virtuellen Realität“ (Pressemitteilung vom 11.02.2016): http://bit.ly/2b8wSmv