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„Der Blick durch die westliche Brille kehrt zurück – aber anders“
Eine prägende Idee der Kolonialzeit war, dass westliche Werte die einzig Richtigen sind. Ein sogenannter eurozentrischer Blick auf die Welt. Diese Zeiten sind längst vorbei. Trotzdem stellen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler der Universität Bielefeld und weitere internationale Forschende aus den Disziplinen Geschichte und Sozialwissenschaften in der neuen Ausgabe des InterDisciplines-Journals die Frage: Done with Eurocentrism? („Fertig mit Eurozentrismus?“). Dr. Mahshid Mayar aus der Abteilung Anglistik ist eine der Gastherausgeberinnen dieser Ausgabe.
Frau Mayar, warum beschäftigen Sie sich gerade jetzt mit dem Thema?
Wir sind an einem Punkt, an dem der Blick durch die westliche Brille zurückkehrt. Beispiele dafür sind der Aufstieg rechter Flügel in Parteien, neue Formen von Rassismus und das Schaffen neuer Eliten. Das Muster ist das Gleiche: Es gibt nur einen richtigen Blick auf die Dinge. Dieser Blick ist westlich, traditioneller Weise europäisch, und überlegen.
Welche neuen Fragen ergeben sich dann für dieses scheinbar alte Thema?
Erst einmal müssen wir feststellen, dass wir uns leider immer noch mit diesem Thema beschäftigen müssen. Das provoziert Fragen wie: Haben wir uns jemals vom Eurozentrismus entfernt? Wie weit haben wir uns entfernt? Ein Vorschlag aus der Wissenschaft ist bisher: Wir haben genug über das Thema geredet, wir müssen uns neuen Themen widmen. Das reicht nach unserem Verständnis aber nicht.
Sondern?
Eurozentrismus hat nicht mehr zwangsläufig etwas mit Europa zu tun. Es haben sich neue Zentren westlichen Denkens in der ganzen Welt gebildet, zum Beispiel in Asien. Der Eurozentrismus hat in gewisser Weise seine geographischen Wurzeln überholt. Verschiedene Menschen in allen Teilen der Welt tragen quasi eine westliche Brille. Dieser Blick hat sich vervielfacht. Deshalb sprechen wir von Eurozentrismen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen dieses neue Phänomen untersuchen und herausfinden, wie die verschiedenen Menschen in der ganzen Welt diese neuen westlichen Blicken definieren und praktizieren.
Dr. Mahshid Mayar ist gemeinsam mit Yaatsil Guevara González Gastherausgeberin der 16. Ausgabe des InterDisciplines Journals „Done with Eurocentrism?“ (Volume 8-2), das am 15. Februar erscheint.
Mahshid Mayar hat nach ihrem Studium an der Universität Teheran (Iran) und Heidelberg ihre Promotion an der BGHS der Universität Bielefeld absolviert, für die sie mit dem Dissertationspreis 2016 ausgezeichnet wurde. Nach einem Postdoc-Aufenthalt am Amherst College, Massachusetts (USA) ist sie seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld.
Das Journal InterDisciplines fördert – wie im Name enthalten– den interdisziplinären Austausch zwischen Geschichts- und Sozialwissenschaften und ist ein peer-reviewed Open Access-Journal, das an der Geschäftsstelle der Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS) von Melanie Eulitz redaktionell betreut wird.
Weitere Informationen:
Hier geht es zur Ausgabe des Interdisciplines-Journal: Hier geht es zur Ausgabe des Interdisciplines-Journals: www.inter-disciplines.de/index.php/indi/issue/view/23
www.inter-disciplines.org
www.uni-bielefeld.de/bghs