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Blattkäfer: Schon winzige Pestizid-Dosis hemmt Fortpflanzung
Biologen der Universität Bielefeld weisen Folgen von Chemikalien nach
Die
Zahl der Insekten in Deutschland geht stark zurück – allein in
Nordrhein-Westfalen innerhalb eines Vierteljahrhunderts um drei Viertel.
Welche Rolle Pestizide dabei spielen und wie schon geringe Spuren Käfer
langfristig schädigen, zeigen Biologinnen und Biologen der Universität
Bielefeld in einer neuen Studie. Ein Ergebnis: Blattkäfer legen etwa 35
Prozent weniger Eier, wenn sie mit einem häufig eingesetzten Pestizid –
einem Pyrethroid – in Berührung kommen. Auch zeigten die Forschenden,
dass weibliche Nachkommen durch das Gift Missbildungen entwickeln. Die
Biologen präsentieren ihre Studie in dem Fachmagazin „Environmental
Pollution“.
Laut Bundesumweltministerium ist der Insekten-Bestand in Teilen
Deutschlands seit 1982 um bis zu 80 Prozent gesunken. Für
Nordrhein-Westfalen hat das Landesamt für Natur, Umwelt und
Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Lanuv) einen Rückgang von 75
Prozent für die Jahre zwischen 1989 und 2013 angegeben.
„Der
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist in den vergangenen Jahren stetig
angestiegen“, sagt Professorin Dr. Caroline Müller, die den Lehrstuhl
Chemische Ökologie leitet. Ein Problem: „Bislang war weitgehend unklar,
wie sich die Pestizide auf Insekten außerhalb der bewirtschafteten Äcker
auswirken. Welche Folgen haben die Mittel für die Tiere, die zufällig
Spuren der Pestizide ausgesetzt sind?“, fragt die Ökologin. Wenn die
Chemikalien versprüht werden, gelangen sie auch auf benachbarte Flächen
und benetzen angrenzende Sträucher und Bäume. „Mitunter trägt der Wind
sie auch auf ökologisch bewirtschaftete Äcker, die eigentlich ohne
Giftstoffe auskommen sollen“, sagt Caroline Müller.
Die neue
Studie zeigt, dass Pestizide die Kommunikation zwischen Insekten stören
können. Meerrettichblattkäfer (Phaedon cochleariae Fabricius) verlassen
sich bei der Wahl ihrer Fortpflanzungspartner auf chemische Reize. So
erkennen sie mögliche Paarungspartner. Auf dem Panzer der Käfer befinden
sich Kohlenwasserstoffgemische – eine Art Duftnote, die auch als
Erkennungszeichen dient.
„Wir konnten erstmals zeigen, dass sich
diese chemische Signatur auf der Körperoberfläche durch den Kontakt mit
dem Pestizid verändert“, sagt Dr. Thorben Müller, Hauptautor der Studie.
„Die Folge ist, dass Käfer für die Fortpflanzung geeignete
Paarungspartner möglicherweise nicht erkennen. Allein dadurch kann schon
die Zahl der Nachkommen sinken.“
Die Ergebnisse der Forschung lassen sich auch auf andere Insekten beziehen. „Bienen und Wespen kommunizieren ähnlich wie die Käfer über chemische Botenstoffe“, sagt Professorin Dr. Caroline Müller. „Kommen sie zufällig mit einem Pestizid in Kontakt, könnte das ihre Partnerwahl ebenfalls beeinflussen und zu einem Rückgang der Nachkommen führen.“ Als Konsequenz aus dem aktuellen Befund legt sie nahe: „Pflanzenschutzmittel sollten erst dann zugelassen werden, wenn feststeht, dass sie der Entwicklung und Fortpflanzung von Nicht-Zielorganismen langfristig nicht schaden.“
Originalveröffentlichung:
Thorben Müller, Alexander Prosche, Caroline Müller: Sublethal insecticide exposure affects reproduction, chemical phenotype as well as offspring development and antennae symmetry of a leaf beetle. Environmental Pollution. https://doi.org/10.1016/j.envpol.2017.07.018, erschienen am 16. Juli 2017.