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Andreas Zick: „Pegida stellt uns vor eine Zerreißprobe“
Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung im Interview mit „research_tv“ der Universität Bielefeld
Der
Konfliktforscher Professor Dr. Andreas Zick beobachtet ein
wirtschaftliches Demokratieverständnis bei der Pegida-Bewegung. „Pegida
ist der Meinung, dass Demokratie etwas zu leisten hat –
Wirtschaftsflüchtlinge rauszuschmeißen, kriminelle Ausländer zu
verfolgen“, sagt der Direktor des Instituts für interdisziplinäre
Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. In einem
neuen „research_tv“-Beitrag der Universität Bielefeld kritisiert er
Pegida als autoritäre Bewegung, die glaube, es gebe ein Leitbild einer
deutschen Kultur, an das sich alle Einwohner anzupassen haben.
„Bei
Pegida wird auch Menschenfeindlichkeit zur Protestkultur“, meint Zick.
Das IKG erforscht Menschenfeindlichkeit seit mehr als zehn Jahren. Dabei
richten sich die Studien des Instituts auf viele Facetten der
Ungleichwertigkeit in der Gesellschaft. Im Interview mit research_tv
erläutert Andreas Zick: „Alles das, was wir beobachtet haben in unseren
Studien, wird jetzt bewegungsförmig. Und das ist ein großes Problem.“
„Pegida
ist eine lokale Bewegung, aber Pegida sammelt sich unter Meinungen, die
wir sehr gut beobachtet haben und eigentlich prognostiziert haben“, so
der Bielefelder Konfliktforscher. „Das, was wir als Gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit bezeichnen, sind ja Vorurteile gegenüber sehr
verschiedenen Gruppen“, sagt Zick. „Das spielt eine wichtige Rolle für
die soziale Identität dieser Bewegung.“ Die Pegida-Demonstranten würden
durch Dominanzansprüche geeint. „Da geht es um Macht und Einflussnahme.“
„Pegida
beschreibt sehr gut, in welchem Zustand sich die Gesellschaft
befindet“, so der Wissenschaftler. „Wir haben ein Reservoir an
menschenfeindlichen Meinungen weit in der Gesellschaft. Wir haben viele
Menschen, die sitzen hinter den Gardinen und teilen die Meinung von
Pegida“, sagt Andreas Zick. „An diese menschenfeindlichen Mentalitäten
knüpft nun eine lokale Bewegung an und macht sich zum Prototypen für
viele andere.“
Studien des IKG zeigen Andreas Zick zufolge, dass
die Mitte der Gesellschaft zunehmend brüchig werde. Zick bezeichnet
dieses Phänomen als „fragile Mitte“. Ein Drittel der Menschen in
Deutschland sei der Meinung, Demokratie habe zu liefern. Diese Menschen
würden Demokratie nach dem bemessen, was sie nützt. Aber: „Demokratie
lebt davon, dass alle sich gegenseitig unterstützen.“
„Pegida
stellt uns vor eine Zerreißprobe – ganz bewusst“, sagt der
Sozialpsychologe. Zick vergleicht die heutige Gesellschaft mit einem
beschädigten Glashaus und beschreibt Pegida als Vandalierer in diesem
Haus. „Sie wollen die Risse, die wir im Glashaus haben, deutlich
vergrößern.“ Die Pegida-Bewegung steht Zick zufolge sinnbildlich für die
brüchige Demokratie: „Pegida lebt von dem Selbstbild, die Mitte zu sein
und Volkes Meinung zu vertreten. ,Wir sind das Volk‘ ist der größte
Ausdruck dessen, dass diese Mitte fragil ist.“
Dass die Mitte
auch ganz andere Potenziale hat, zeigt die Studie ZuGleich, die das IKG
im vergangenen Jahr veröffentlicht hat. Sie zeigt, dass die
Willkommenskultur insbesondere da, wo Vielfalt den Alltag bestimmt, eine
starke demokratische Ressource ist. Die Untersuchung wurde von der
Stiftung Mercator unterstützt. Die Studie „Fragile Mitte – Feindselige
Zustände: rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014“ wurde von der
Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert und ist im Dietz-Verlag erschienen.
Das
Kürzel „Pegida“ steht für „Patriotische Europäer gegen die
Islamisierung des Abendlandes“. Die Bewegung wendet sich gegen eine
angebliche Islamisierung des Abendlandes und protestiert gegen die
zunehmende Zahl an Asylbewerbern. Seit Oktober 2014 ruft Pegida für
montags zu Demonstrationen in Dresden auf.
Weitere Informationen im Internet:
• Interview mit Prof. Dr. Andreas Zick bei research_tv („Pegida – Angriff auf die demokratische Gesellschaft?“): http://youtu.be/cokas081CJA
• Website des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung: www.uni-bielefeld.de/ikg
• Studie ZuGleich: http://www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/ZuGleich.html
• Studie „Fragile Mitte – Feindselige Zustände: rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014“: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf
Kontakt:
Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Universität Bielefeld
Telefon: 0521 106-3162
E-Mail: ikg@uni-bielefeld.de