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Andreas Zick: „Pegida stellt uns vor eine Zerreißprobe“

Veröffentlicht am 26. Januar 2015, 11:47 Uhr

Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung im Interview mit „research_tv“ der Universität Bielefeld

Der Konfliktforscher Professor Dr. Andreas Zick beobachtet ein wirtschaftliches Demokratieverständnis bei der Pegida-Bewegung. „Pegida ist der Meinung, dass Demokratie etwas zu leisten hat – Wirtschaftsflüchtlinge rauszuschmeißen, kriminelle Ausländer zu verfolgen“, sagt der Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. In einem neuen „research_tv“-Beitrag der Universität Bielefeld kritisiert er Pegida als autoritäre Bewegung, die glaube, es gebe ein Leitbild einer deutschen Kultur, an das sich alle Einwohner anzupassen haben.

Den Pegida-Demonstranten gehe es um Macht und Einflussnahme, sagt Prof. Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. Foto: Universität Bielefeld
Den Pegida-Demonstranten gehe es um Macht und Einflussnahme, sagt Prof. Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. Foto: Universität Bielefeld

„Bei Pegida wird auch Menschenfeindlichkeit zur Protestkultur“, meint Zick. Das IKG erforscht Menschenfeindlichkeit seit mehr als zehn Jahren. Dabei richten sich die Studien des Instituts auf viele Facetten der Ungleichwertigkeit in der Gesellschaft. Im Interview mit research_tv erläutert Andreas Zick: „Alles das, was wir beobachtet haben in unseren Studien, wird jetzt bewegungsförmig. Und das ist ein großes Problem.“

„Pegida ist eine lokale Bewegung, aber Pegida sammelt sich unter Meinungen, die wir sehr gut beobachtet haben und eigentlich prognostiziert haben“, so der Bielefelder Konfliktforscher. „Das, was wir als Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bezeichnen, sind ja Vorurteile gegenüber sehr verschiedenen Gruppen“, sagt Zick. „Das spielt eine wichtige Rolle für die soziale Identität dieser Bewegung.“ Die Pegida-Demonstranten würden durch Dominanzansprüche geeint. „Da geht es um Macht und Einflussnahme.“

„Pegida beschreibt sehr gut, in welchem Zustand sich die Gesellschaft befindet“, so der Wissenschaftler. „Wir haben ein Reservoir an menschenfeindlichen Meinungen weit in der Gesellschaft. Wir haben viele Menschen, die sitzen hinter den Gardinen und teilen die Meinung von Pegida“, sagt Andreas Zick. „An diese menschenfeindlichen Mentalitäten knüpft nun eine lokale Bewegung an und macht sich zum Prototypen für viele andere.“

Studien des IKG zeigen Andreas Zick zufolge, dass die Mitte der Gesellschaft zunehmend brüchig werde. Zick bezeichnet dieses Phänomen als „fragile Mitte“. Ein Drittel der Menschen in Deutschland sei der Meinung, Demokratie habe zu liefern. Diese Menschen würden Demokratie nach dem bemessen, was sie nützt. Aber: „Demokratie lebt davon, dass alle sich gegenseitig unterstützen.“

„Pegida stellt uns vor eine Zerreißprobe – ganz bewusst“, sagt der Sozialpsychologe. Zick vergleicht die heutige Gesellschaft mit einem beschädigten Glashaus und beschreibt Pegida als Vandalierer in diesem Haus. „Sie wollen die Risse, die wir im Glashaus haben, deutlich vergrößern.“ Die Pegida-Bewegung steht Zick zufolge sinnbildlich für die brüchige Demokratie: „Pegida lebt von dem Selbstbild, die Mitte zu sein und Volkes Meinung zu vertreten. ,Wir sind das Volk‘ ist der größte Ausdruck dessen, dass diese Mitte fragil ist.“

Dass die Mitte auch ganz andere Potenziale hat, zeigt die Studie ZuGleich, die das IKG im vergangenen Jahr veröffentlicht hat. Sie zeigt, dass die Willkommenskultur insbesondere da, wo Vielfalt den Alltag bestimmt, eine starke demokratische Ressource ist. Die Untersuchung wurde von der Stiftung Mercator unterstützt. Die Studie „Fragile Mitte – Feindselige Zustände: rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014“ wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert und ist im Dietz-Verlag erschienen.

Das Kürzel „Pegida“ steht für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Die Bewegung wendet sich gegen eine angebliche Islamisierung des Abendlandes und protestiert gegen die zunehmende Zahl an Asylbewerbern. Seit Oktober 2014 ruft Pegida für montags zu Demonstrationen in Dresden auf.

Weitere Informationen im Internet:
•    Interview mit Prof. Dr. Andreas Zick bei research_tv („Pegida – Angriff auf die demokratische Gesellschaft?“): http://youtu.be/cokas081CJA
•    Website des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung: www.uni-bielefeld.de/ikg
•    Studie ZuGleich: http://www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/ZuGleich.html
•    Studie „Fragile Mitte – Feindselige Zustände: rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014“: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf

Kontakt:

Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Universität Bielefeld
Telefon: 0521 106-3162
E-Mail: ikg@uni-bielefeld.de

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