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Alles Müller oder was – Wenn Familiennamen zu häufig sind, hilft die “Selten gewinnt”-Regel
Eine interdisziplinäre Arbeit zweier Bielefelder Wissenschaftler
Sehr
häufige Familiennamen können unpraktisch sein: Im Berliner Telefonbuch
gibt es 15 Seiten Müllers (etwa 6.000 Anschlüsse) und immer noch 128
Peter Müllers! Der bekannte Bielefelder Chemiker Achim Müller kann noch
von Glück sagen, dass es aufgrund seines relativ seltenen Vornamens nur
269 Namensvetter im deutschen Telekom-Verzeichnis gibt. Wenn man Peter
Müller heißt, hat man über 5.000 Namensvettern; aus dieser Menschenmenge
kann man sich nur dadurch herausheben, dass man Ministerpräsident eines
Bundeslandes wird. Auch die Thomas Müllers sind mit über 3.600
Anschlüssen nicht gerade selten – aber nur einer ist Fußball-WM-Star und
Torschützenkönig. Künstler fügen manchmal ihrem häufigen Namen einen
Unterscheidungsteil an, wie der Liedermacher Müller-Westernhagen – aber
solche Doppelnamen können normalerweise nicht an die Kinder
weitergegeben werden.
Dabei sind die deutschen Verhältnisse
noch harmlos gegenüber denen in China: Während es in Deutschland circa
eine Million Familiennamen für 82 Millionen Einwohner gibt, sind es in
China nur 700 für über 1,3 Milliarden! Den häufigsten Namen Wang tragen
mehr Menschen als Deutschland Einwohner hat. In China tragen 41 Prozent
der Bevölkerung einen der zehn häufigsten Familiennamen. In unserem
Nachbarland Dänemark (5,4 Mio Einwohner) sind die Verhältnisse nicht so
extrem wie in China, aber Namen wie Jensen, Nielsen, Pedersen und
Andersen sind so häufig, dass dies als Problem empfunden wird und man
gesetzlich die Erfindung eigener Familiennamen freigegeben hat (in der
dänischen Presse spöttisch als “face lifting” bezeichnet).
Die
Wissenschaftler Professor em. Dr. Harald Jockusch (Entwicklungsbiologie
und Molekulare Pathologie der Universität Bielefeld) und der Physiker
Alexander Fuhrmann, Ph.D. (Tempe, Arizona, USA) schlagen dagegen eine
natürliche, einfache und graduelle Methode vor, um die häufigsten
Familiennamen in der Bevölkerung zu “verdünnen”: Der seltenere der
beiden Namen der Partner wird zum Familiennamen. Was im Laufe der Zeit
mit den Namenshäufigkeiten passiert, wenn diese “Selten gewinnt”-Regel
befolgt wird, wurde im Computermodell getestet; die Berechnungen
ergaben, dass die “Selten gewinnt”-Regel erstaunlich effektiv ist:
Bereits nach 50 Jahren sind im einfachen Modellfall (die Kinder ersetzen
die Eltern) die drei häufigsten Namen Müller, Schmidt und Schneider,
auf ein Fünftel ihrer jetzigen Häufigkeit abgesunken. In realistischen
Fall dauert es etwa länger, aber die drastische Abnahme der häufigsten
Namen lässt sich während eines Menschenlebens beobachten.
Deutsche
Übersetzung des Titels der auf Englisch erschienenen
Originalveröffentlichung:
“Selten gewinnt. Häufigkeitsveränderungen
von Familiennamen als Folge rationaler Namenswahl” von Harald Jockusch
& Alexander Fuhrmann ist erschienen im Juli 2010 in “Beiträge zur
Namenforschung” Bd. 45, Heft 2, S.127-142