Soziologie
Nachruf Prof. Hansjürgen Daheim (16.12.1929 – 01.09.2023)
Am 01. September verstarb Prof. Dr. Hansjürgen Daheim im Alter von 93 Jahren. Daheim hatte von 1979 bis zu seiner Emeritierung 1995 an der Bielefelder Fakultät für Soziologie eine H4-Professur Allgemeine Soziologie im Rahmen der damaligen Wissenschaftlichen Einheit Wirtschaft und Sozialstruktur inne.
Daheim studierte 1950 bis 1952 katholische Theologie an der Universität Bonn, wohl mit dem Berufsziel, Priester zu werden. 1952 bis 1957 folgte ein Studium der Soziologie, der Sozialpolitik und der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln, u. a. bei René König. Daheim zählt zur sog. „Gründergeneration“, (u. a. auch Hans Paul Bahrdt, Ralf Dahrendorf, Renate Mayntz, Heinrich Popitz, Erwin Scheuch), welche in den 1950er und 1960er Jahren die Soziologie in der Bundesrepublik maßgeblich wiederaufbaute und sich dabei wissenschaftlich und politisch an den USA orientierte. Er bezog sich dabei wie Andere seiner Generation auf Königs Konzept einer wertegeleiteten und problemorientierten Empirischen Soziologie, die der Empirischen Sozialforschung als Grundlage bedarf. Von 1958 bis 1966 arbeitete Daheim als Assistent an der von König gegründeten soziologischen Abteilung des Kölner Instituts für Mittelstandsforschung. 1967 wurde Daheim zum o. Professor für Soziologie an der Universität Regensburg ernannt. In seine Regensburger Zeit fallen auch Gastprofessuren an der University of Calgary und der University of Connecticut. 1966/67 forschte er als Research Associate in Berkeley.
Bekannt wurde Daheim durch seine Habilitationsschrift Der Beruf in der modernen Gesellschaft (1967), die den Strukturfunktionalismus von Parsons als Theorierahmen nutzte. Im repräsentativen, von René König herausgegebenem Handbuch der empirischen Sozialforschung, zweite Auflage (1967), schrieb Daheim den Beitrag Beruf, Industrie, sozialer Wandel in unterentwickelten Ländern. 1980 veröffentliche er gemeinsam mit Ulrich Beck und Michael Brater den Band Soziologie der Arbeit und der Berufe. Grundlagen Problemfelder, Forschungsergebnisse.
Daheim pflegte einen „demokratischen“ Umgang mit Studierenden und Mitarbeitenden. Er beharrte jedoch auf klaren Leistungskriterien, insbesondere der – seinerzeit umstrittenen - Benotung studentischer Leistungen. In diesem Sinne setzte er sich für eine Reform des Bielefelder Diplomstudiengangs ein. In der Fakultät genoss er hohes Ansehen; sein Wort hatte Gewicht. Auch auf ihn geht die Einführung in die Sozialstrukturanalyse, Vorlesung und Übung als obligatorische Studienleistung an der Bielefelder Soziologie-Fakultät seit 1985 zurück, deren Konzipierung und Durchführung er übernahm.