Rechtswissenschaft
NSU-Mord: Beteiligung an wissenschaftlicher Aufarbeitung
Professorin Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy, Strafrechtlerin an der Universität Bielefeld, ist Teil einer interdisziplinären Forschungsgruppe, die im Auftrag der Hamburgischen Bürgerschaft die polizeilichen und justiziellen Ermittlungen zum NSU-Mord an Süleyman Taşköprü untersucht. Die Gruppe, der Wissenschaftler*innen aus Bochum, Berlin, Bielefeld und Konstanz angehören, nimmt insbesondere die organisatorischen und gesellschaftlichen Faktoren in den Blick, die zu folgenschweren Fehleinschätzungen der Ermittlungsbehörden führten.
Die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Carola Veit (l.) mit den an der Untersuchungskommission beteiligten Wissenschaftler*innen: Prof. Dr. Wolfgang Seibel (Universität Konstanz), Prof’in Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy (Universität Bielefeld), Prof’in Dr. Daniela Hunold Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) und Prof. Dr. Constantin Goschler (Ruhr-Universität Bochum) (v.l.n.r.).
© Michael Zapf/Hamburgische Bürgerschaft
Die Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zählen zu den erschreckendsten Terroranschlägen in der jüngeren deutschen Geschichte. Über Jahre hinweg wurde vor allem im Umfeld der Opfer ermittelt, während Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund nicht konsequent verfolgt wurden.
Die Forschungsgruppe verfolgt daher eine wissenschaftliche und interdisziplinäre Aufarbeitung des NSU-Mordes an Süleyman Taşköprü in Hamburg im Juni 2001. Dabei werden alle verfügbaren Akten, Dokumente, Datenbestände und weitere Quellen ausgewertet. Zudem werden auch Befragungen beteiligter Personen Teil der Forschung sein, um die Ermittlungen und deren Hintergründe umfassend zu analysieren.
Das Projekt wird von einem parlamentarischen Beirat begleitet. Professor Dr. Constantin Goschler (Ruhr-Universität Bochum, Sprecher), Professorin Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy (Universität Bielefeld), Professor Dr. Wolfgang Seibel (Universität Konstanz) und Professorin Dr. Daniela Hunold (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) haben das Projekt entwickelt.
Die beteiligte Bielefelder Professorin Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy sagt: „Die Forschungsgruppe beginnt ihre wissenschaftliche Aufarbeitung mit einem starken, überparteilichen Mandat und hat das Privileg, an die Arbeit der politischen Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene sowie die Erkenntnisse aus dem NSU-Strafverfahren anknüpfen zu können. Die besondere Chance liegt hier im interdisziplinären Ansatz: Wir schauen aus den verschiedenen Perspektiven unserer Disziplinen auf die immer noch offenen – und damit für Hinterbliebene und Gesellschaft schwer zu verarbeitenden – Fragen und sind uns auch deshalb der Möglichkeit blinder Flecken bei der bisherigen Aufarbeitung sehr bewusst. Unser Fokus liegt auf den systemischen Aspekten, die zur Herausbildung und Verstetigung der falschen und irreführenden Ermittlungshypothesen („OK-Hypothese“, „Einzeltäter-Narrativ“ usw.) geführt haben. Erst wenn wir die strukturellen Defizite der Vergangenheit wirklich begreifen, minimieren wir die Wiederholungsgefahr für die Zukunft.“