Rechtswissenschaft
Landesverfassungsgericht: Bielefelder Dozent übernimmt Prozessvertretung
Professor Dr. Simon Kempny übernimmt Prozessvertretung vor dem Landesverfassungsgericht Schleswig
Die juristische Auseinandersetzung um die Schuldenbremse in Schleswig-Holstein hat am vergangenen Freitag einen bedeutenden Meilenstein erreicht. Professor Dr. Simon Kempny, LL.M. (UWE Bristol), Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Steuerrecht, trat dabei als Prozessvertreter der Antragsteller auf: Die Landtagsfraktionen von SPD und FDP hatten gegen die Aufnahme von Notkrediten durch die Landesregierung geklagt. Die mündliche Verhandlung vor dem Landesverfassungsgericht in Schleswig befasste sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Schuldenbremse durch Notlagenkredite umgangen werden darf.
Foto: Patrick Pollmeier
Hintergrund:
Die Landesregierung Schleswig-Holsteins hatte für das Haushaltsjahr 2024 erhebliche Notkredite aufgenommen, die mit den Krisen der vergangenen Jahre – der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der Ostsee-Sturmflut – begründet wurden. Insgesamt beliefen sich diese Kredite auf fast 1,5 Milliarden Euro. SPD und FDP sahen darin einen Verstoß gegen die Landesverfassung und argumentierten, dass die Schuldenbremse durch eine zu großzügige Auslegung der Notlagenregelung umgangen worden sei.
Die Verhandlung drehte sich insbesondere um drei zentrale juristische Aspekte:
- Die Definition der Notlage: Wann darf ein Land eine Notlage feststellen, die eine Schuldenaufnahme trotz Schuldenbremse erlaubt? Kann sich eine solche Notlage auch über mehrere Jahre erstrecken?
- Der Veranlassungszusammenhang: In welchem Umfang müssen die mit Notkrediten finanzierten Maßnahmen tatsächlich in direktem Zusammenhang mit der festgestellten Notlage stehen?
- Die Tilgungsfrage: Ist es zulässig, dass Tilgungen verschoben und gleichzeitig neue Notkredite aufgenommen werden?
Der Präsident des Landesverfassungsgerichts machte deutlich, dass das Gericht keine Einzelmaßnahmen auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen werde. Allerdings werde eine Gesamtbewertung der Aktionspakete vorgenommen.
Parallelen zur Bundesebene
Ein vergleichbares Problem stellte sich auf Bundesebene, als das Bundesverfassungsgericht im November 2023 das zweite Nachtragshaushaltsgesetz der Bundesregierung für nichtig erklärte. Das Gericht beanstandete, dass der Zusammenhang zwischen der festgestellten Notlage und der Mittelverwendung nicht ausreichend dargelegt worden sei. Diese Argumentation könnte auch in Schleswig-Holstein relevant sein.
Professor Dr. Simon Kempny brachte als Prozessvertreter der Antragsteller seine wissenschaftliche Expertise in die Verhandlung ein und konnte somit dazu beitragen, die rechtlichen Grenzen der Schuldenbremse und die Anforderungen an eine verfassungsgemäße Notlagenfinanzierung aufzuzeigen.
Entscheidung im April erwartet
Das Landesverfassungsgericht hat angekündigt, seine Entscheidung am 8. oder 15. April 2025 zu verkünden. An dieser Stelle zeigt sich, wie juristische Expertise aus der Wissenschaft maßgeblich zur Klärung zentraler verfassungsrechtlicher Fragen beiträgt.
Weitere Informationen:
- Zum NDR Beitrag "Klage gegen Landeshaushalt SH: Entscheidung Anfang April erwartet" vom 14.02.2025