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Why Don't Apes Point? (Warum zeigen Affen nicht auf Dinge?) - ZiF: public lecture mit dem renommierten Anthropologen und Primatenforscher Michael Tomasello am 4. Juli (Nr. 113/2006)
Einladung zum Pressegespräch
"Da! Da!" - für kleine Kinder gibt es kaum ein schöneres Spiel als andere darauf aufmerksam zu machen, was ihnen gerade interessant erscheint. Menschenaffen hingegen, so intelligent sie auch sein mögen, zeigen nicht auf Dinge oder auf etwas, was gerade vorgeht. In diesem unscheinbaren Unterschied im Verhalten von Menschen und ihren nächsten Verwandten liegt ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis dessen, was menschliche Intelligenz so besonders macht, sagt der renommierte Anthropologe Michael Tomasello vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Leipzig.
Am Dienstag, dem 4. Juli 2006 um 18.30 Uhr, spricht Tomasello in einem öffentlichen Abendvortrag am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld zum Thema "Why Don't Apes Point?", bei dem der Mensch und die Evolution seiner Sprach- und Kulturfähigkeiten im Mittelpunkt stehen. Vor sechs Millionen Jahren trennte sich der Mensch von anderen Primaten, vor 250 000 Jahren entwickelte sich der moderne homo sapiens. Evolutionär gesehen ist diese Zeitspanne sehr kurz. Immerhin teilen Affen und Menschen noch heute 99 Prozent ihres genetischen Materials. Worin liegt dann der entscheidende Unterschied, durch den nur der Mensch sprachliche und kognitive Fähigkeiten ausgebildet hat, die die Grundlage unserer modernen Kultur und Technik bilden? Mit Professor Michael Tomasello konnte ein herausragender Referent gewonnen werden, der wie kaum ein anderer seine wissenschaftliche Arbeit diesen Fragen gewidmet hat.
Typisch menschlich: Kommunikation über externe Objekte und Ereignisse
In seiner ZiF: public lecture wird der international angesehene Anthropologe aufzeigen, dass sich bei jeder der großen Menschenaffenarten ein reiches und vielfältiges Repertoire an kommunikativen Gesten nachweisen lässt. Jedoch sind praktisch alle dieser Gesten in einem Zweierbezug (dyadisch) auf die unmittelbare soziale Interaktion zwischen Sender und Empfänger/Adressaten der Geste gerichtet, und sie sind imperativ, das heißt betreffen etwas, das der Sender vom Empfänger verlangt. Im Gegensatz dazu kommunizieren menschliche Kinder bereits vor Beginn des Spracherwerbs in einem Dreierbezug (triadisch) mit ihren Bezugspersonen über externe Objekte und Ereignisse, und zwar um damit auf etwas aufmerksam zu machen und einander Informationen mitzuteilen. Der Vergleich von Menschenaffen mit vor- und frühsprachlichen Kindern lässt annehmen, dass eine bedeutsame Komponente in der Evolution der sprachlichen Kommunikation des Menschen darin liegt, Erfahrungen miteinander auszutauschen und miteinander zu kooperieren.
Damit steht Tomasellos Vortrag in einem unmittelbaren Zusammenhang zum laufenden ZiF: Forschungsjahr über Verkörperte Kommunikation und dessen nächstem Arbeitstreffen vom 5. bis 8. Juli 2006. Der Vortrag findet in englischer Sprache statt, jedoch wird Michael Tomasello dank seiner gestenreichen Rhetorik und durch beeindruckende Filmausschnitte aus seinen Studien mit Affen- und Menschenkindern auch ein im Englischen ungeübteres Publikum zu begeistern verstehen.
Träger hochkarätiger Wissenschaftspreise
Tomasello (Jahrgang 1950) studierte Psychologie an der Duke University (North Carolina, USA) und promovierte 1980 an der University of Georgia. Danach war er für viele Jahre Lehrbeauftragter an der Emory University und Mitarbeiter im Yerkes Primate Center, Atlanta/USA. Seit 1997 ist Michael Tomasello wissenschaftliches Mitglied und Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig sowie Leiter des Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrums im Leipziger Zoo und seit 1999 Honorarprofessor an der Universität Leipzig. Im Mittelpunkt seiner Forschungsinteressen stehen soziale Kognition, soziales Lernen und Kommunikation bei Kindern und Menschenaffen. Für sein umfangreiches wissenschaftliches Werk wurde er im Jahr 2004 mit dem Forschungspreis der Fyssen Stiftung (Paris) ausgezeichnet und erneut 2006 mit dem Jean Nicod Preis, der seit 1993 jährlich in Paris für außergewöhnliche Leistungen im Bereich Philosophie des Geistes und Kognitionswissenschaft vergeben wird. Der breiteren Öffentlichkeit in Deutschland ist Michael Tomasello vor allem durch sein Buch Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens von 2002 bekannt. Gestützt auf zahlreiche Experimente mit Primaten und Kleinkindern erklärt er darin, warum es nur dem Menschen gelungen ist, kognitive Fähigkeiten auszubilden, die sprachliche Kommunikation, soziale Organisation und Institutionen, Hochleistungsindustrie und Technologien hervorgebracht haben.
Von 17.45 bis 18.30 Uhr steht Michael Tomasello für ein Pressegespräch zur Verfügung.
Kontakt: Dr. Manuela Lenzen, Tel.: 0521/106- 2787; E-Mail: manuela.lenzen@uni-bielefeld.de