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Von polygamen Weibchen und alleinerziehenden Männchen (Nr. 79/2017)
Verhaltensforschende der Universität Bielefeld untersuchen Regenpfeifer
Regenpfeifer-Männchen setzen sich in der Wildnis erfolgreicher durch als die Weibchen: Verhaltensforschende der Universität Bielefeld haben untersucht, wie sich über die Lebensspanne des Regenpfeifers das Geschlechterverhältnis entwickelt. Welche Folgen der Männerüberschuss für die Aufzucht der Küken hat, stellen sie im Forschungsjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ vor.
„Das Geschlechterverhältnis spielt eine wichtige Rolle für das Fortpflanzungssystem und die Wachstumsrate einer Population und dabei, ob Weibchen oder Männchen sich um die Nestlinge kümmern“, sagt Professor Dr. Oliver Krüger, Leiter des Lehrstuhls für Verhaltensforschung. „Wenn das Verhältnis unausgewogen ist und es zum Beispiel mehr Weibchen gibt, ist es für diese schwerer, einen Partner zu finden. Die Population kann dadurch massiv abnehmen“, so der Biologe.
„Wir haben uns gefragt, in welcher Phase im Leben der Vögel sich das Geschlechterverhältnis ändert“, sagt Eberhart-Phillips, Hauptautor der neuen Studie. „Sterben besonders viele Weibchen oder Männchen schon kurz nach dem Schlüpfen? Oder sind die Kindheit oder das Erwachsenenalter entscheidend und kritisch für eines der Geschlechter?“
Für die neue Studie arbeiteten die Bielefelder Forscher mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Großbritannien, Mexiko und den USA zusammen. Gemeinsam mit ihnen kennzeichnete Luke Eberhart-Phillips 1.259 wildlebende Regenpfeifer mit unverwechselbaren farbigen Fußringen. So war bei der Beobachtung der Vogel mit Ferngläsern und Teleskopen immer klar, welcher Vogel im Sichtfeld war. Männchen und Weibchen des Schneeregenpfeifers sind einander sehr ähnlich und können nur in der Brutzeit unterschieden werden. Deswegen nahmen die Forschenden Blutproben, um das Geschlecht genetisch festzustellen.
„Die Studie bestätigt die langjährige Theorie zur gleichmäßigen Verteilung der Geschlechter bei Geburt“, sagt Oliver Krüger. „Mütter bringen die gleiche Anzahl an Weibchen und Männchen zur Welt, weil das die beste evolutionäre Strategie ist, auch wenn das Geschlechterverhältnis im Erwachsenenalter kippt.“
Die Erkenntnisse könnten eine wichtige Rolle für den Artenschutz spielen. „Naturschützer gehen gewöhnlich davon aus, dass die Geschlechter gleiche Überlebenschancen haben. Unsere Ergebnisse stellen das in Frage“, sagt Krüger. „Unsere Studie zeigt, dass gefährdete Populationen, wenn sie ein polygames Paarungsverhalten aufweisen, noch viel schneller abnehmen können als gedacht.“
Originalveröffentlichung:
Luke J. Eberhart-Phillips, Clemens Küpper, Tom E. X. Miller, Medardo Cruz-López, Kathryn H. Maher, Natalie dos Remedios, Martin A. Stoffel, Joseph I. Hoffman, Oliver Krüger, and Tamás Székely: Sex-specific early survival drives adult sex ratio bias in snowy plovers and impacts mating system and population growth. Proceedings of the National Academy of Sciences. http://doi.org/10.1073/pnas.1620043114, erschienen am 20. Juni 2017.
Weitere Informationen:
• Lehrstuhl für Verhaltensforschung: http://www.uni-bielefeld.de/biologie/animalbehaviour/home.html
• „Studie zu Blaumeisen: Erst riechen, dann betteln“ (Pressemitteilung vom 12.05.2017): http://bit.ly/2sSbXya
Kontakt:
Prof. Dr. Oliver Krüger, Universität Bielefeld
Lehrstuhl für Verhaltensforschung
Telefon: 0521 106-2831
E-Mail: oliver.krueger@uni-bielefeld.de