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Universität besetzt Professur zu geschlechtersensibler Medizin (Nr. 25/2021)
Sabine Oertelt-Prigione an Medizinische Fakultät OWL berufen
Die Universität Bielefeld besetzt eine neue klinisch-theoretische Professur an der Medizinischen Fakultät OWL: Professorin Dr. med. Sabine Oertelt-Prigione baut die Arbeitsgruppe Geschlechtersensible Medizin auf. Die Wissenschaftlerin leitet den Lehrstuhl für Gender in Primary and Transmural Care (Geschlecht in der allgemeinmedizinischen und sektorenübergreifenden Versorgung) am Radboud University Medical Center in Nijmegen, Niederlande. Sie wird künftig sowohl an der Universität Bielefeld als auch am Radboud University Medical Center forschen und lehren.
Brückenprofessur für transnationalen Wissens- und Ideenaustausch
Professorin Dr. med. Sabine Oertelt-Prigione wird künftig ihre Zeit zwischen Bielefeld und Nijmegen aufteilen. Ihre Professur versteht sie als Brückenprofessur, die die junge Medizinische Fakultät OWL mit einem großen Netzwerk von Fachleuten der geschlechtersensiblen Medizin verbindet. „Mir liegt daran, den transnationalen Austausch von Wissen, innovativen Ideen und Expert*innen im Feld der geschlechtersensiblen Medizin zu fördern“, sagt Sabine Oertelt-Prigione. Die Medizinerin engagiert sich auch über ihre Disziplin hinaus. So gehörte sie in den vergangenen Jahren der von der Europäischen Kommission geförderten Fachgruppe „Gendered Innovations 2“ an und vertrat darin den Gesundheitsbereich.
Neue Perspektiven für die individuelle Behandlung
„Ein geschlechtersensibler Ansatz unterstützt Ärzt*innen bei der individuellen Diagnose und Behandlung“, sagt Sabine Oertelt-Prigione. Der Ansatz ist für zahlreiche Krankheiten zentral, um Symptome richtig zu diagnostizieren und Wirkstoffe und ihre Dosierung auszuwählen, falls eine medikamentöse Behandlung angezeigt ist. So klagen Frauen beispielsweise häufiger als Männer über Nebenwirkungen von Arzneimitteln. Unterschiede in der Körpergröße alleine reichen aber nicht aus, um diesen Unterschied aufzuklären. „Geschlechtersensible Medizin berücksichtigt, dass Frauen, Männer und andere Geschlechter unterschiedlich von Erkrankungen betroffen sein können – sowohl wegen biologischer Ursachen als auch wegen unterschiedlicher Verhaltensweisen und Unterschieden im Zugang zur Gesundheitsversorgung.“
Sabine Oertelt-Prigione widmet sich in ihrer Arbeit hauptsächlich drei Aufgaben. Die erste Aufgabe ist die Netzwerkbildung und Anwaltschaft für geschlechtersensible Medizin. „Lange Jahre wurden geschlechtersensible Prinzipien in der Medizin vernachlässigt. Deswegen ist es wichtig, dass es Fürsprecher*innen für das Thema gibt, die den Dialog mit Ärzt*innen und Akteur*innen aus Politik und Gesellschaft suchen.“ Weitere wichtige Aufgaben sieht sie in der Methodenentwicklung und in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit klinischen Disziplinen.
Zu Beginn widmet sie sich insbesondere der Erarbeitung des geschlechtersensiblen Curriculums für das Medizinstudium. Gleichzeitig möchte sie ein lokales Netzwerk zu praktizierenden Ärzt*innen aufbauen und klären, welche Möglichkeiten bestehen, geschlechtersensible medizinische Versorgung praktisch zu implementieren und so zu erforschen. „Die Entwicklung einer neuen medizinischen Fakultät ist ein spannender Moment, der viele Möglichkeiten eröffnet“, sagt Sabine Oertelt-Prigione. „Ich hoffe, viele neue Anknüpfungspunkte und Kooperationspartner*innen im Kollegium zu finden.“
Sabine Oertelt-Prigione studierte in Mailand Humanmedizin und schloss ihre Weiterbildung in der Inneren Medizin ab. Nach einem Aufenthalt als Postdoktorandin an der University of California Davis, USA, arbeitete sie von 2009 bis 2016 am Institut für Geschlechterforschung in der Medizin in Berlin. In dieser Zeit hat sie promoviert und sich an der Charité – Universitätsmedizin Berlin habilitiert. Parallel legte sie einen Masterabschluss in Public Health an der London School of Hygiene and Tropical Medicine in Großbritannien ab, ebenfalls absolvierte sie eine Ausbildung zur Organisationsberaterin. Seit 2017 hat Sabine Oertelt-Prigione den Lehrstuhl am Radboud University Medical Center in Nijmegen, Niederlande inne. Neben ihrer akademischen Aktivität ist sie als Coach und Mentorin für junge Wissenschaftler*innen und Start-ups tätig.
Mit der Einrichtung der neuen Professur für geschlechtersensible Medizin setzt die Universität Bielefeld ihr jahrzehntelanges Engagement für Geschlechterforschung fort. So wurde an der Universität bereits 1982 das Interdisziplinäre Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) eingerichtet – die erste offizielle Frauenforschungseinrichtung an einer deutschen Universität. Das daraus hervorgegangene Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung (IZG) stellt Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in den Mittelpunkt seiner Forschungen. Auch die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld berücksichtigte seit ihrer Gründung im Jahr 1994 früh Geschlechter- und Diversitätsaspekte in Forschung und Lehre.
Sabine Oertelt-Prigione möchte an diese langjährige Tradition der Bielefelder Frauen- und Geschlechterforschung anknüpfen. „Mein Ziel ist es, die geschlechtersensible Medizin sichtbarer zu machen. Dazu gehört, zu zeigen, welche Potenziale sie bietet und wie breit sie inhaltlich aufgestellt ist“, sagt Sabine Oertelt-Prigione. Daher will sie in ihre Arbeit in Bielefeld von Anfang an unterschiedliche Interessengruppen einbeziehen: Ihre neue Arbeitsgruppe soll von einem divers zusammengesetzten zivilgesellschaftlichen Beirat aus Patient*innen, potentiellen Nutzer*innen von Präventionsleistungen und weiteren Interessengruppen beraten werden. „Trotz meines bunten Lebenslaufes kann ich natürlich nicht alle Bedarfe einschätzen, dabei werden wir uns immer von Betroffenen beraten lassen“, sagt Sabine Oertelt-Prigione.
Medizinische Fakultät OWL
Mit der Neuberufung von Sabine Oertelt-Prigione Mitte April sind jetzt neun theoretische und klinisch-theoretische Professuren der Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe (OWL) sowie sieben klinische Professuren besetzt. Zudem sind weitere klinisch-theoretische und klinische Professuren aktuell im Besetzungsverfahren. Weitere Ausschreibungen und Berufungsverfahren folgen. In Kürze beginnt auch das Zulassungsverfahren für die Medizinstudienplätze.