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Neu entdeckte Bakterien als potenzielle Arzneiquelle (Nr.15/2014)
Bielefelder Wissenschaftler an Studie beteiligt/ Veröffentlichung in „Nature“
Eine in Meeresschwämmen lebende Bakteriengattung produziert derart viele Naturstoffe, dass Wissenschaftler sie als potente Quelle für neue Medikamente einstufen. Das Fachblatt „Nature“ stellt die Bakterien vor, die von einem internationalen Forschungsteam untersucht und beschrieben wurden. An der Studie unter Leitung der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bielefeld, Bonn, München und Würzburg beteiligt, außerdem Teams aus Japan und den USA.
Viele Medikamente, die etwa gegen Krebs oder Infektionskrankheiten verwendet werden, enthalten Wirkstoffe aus Bakterien oder anderen Kleinstlebewesen. Bei der Suche nach neuen Arzneistoffen aus der Natur spielen Meeresschwämme eine wichtige Rolle. Das liegt daran, dass sie außerordentlich vielfältige und ungewöhnliche Naturstoffe enthalten.
Neues auf diesem Gebiet hat ein internationales Forschungsteam herausgefunden, das von Professor Dr. Jörn Piel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich koordiniert wurde und in dem unter anderem Wissenschaftler des Centrums für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld mitarbeiteten. Das Forschungsteam hat entdeckt, woher die vielen interessanten Stoffe kommen, die in dem Schwamm Theonella swinhoei stecken: Sie stammen aus der Produktion der Bakteriengattung Entotheonella, die als Untermieter in dem Schwamm lebt.
Tectomicrobia als neue Bakteriengruppe
Weil das neu entdeckte Bakterium so ungewöhnlich ist, konnten es die Forscher in der gängigen Systematik keiner bekannten Gruppe zuordnen. Sie schlagen darum einen neuen Stamm (Phylum) vor, den sie Tectomicrobia nennen.
Der Name Tectomicrobia leitet sich vom lateinischen Wort „tegere“ ab, das „verstecken, schützen“ bedeutet. Dieser Begriff wurde gewählt, weil die Bakterien im Labor bisher nicht kultivierbar und somit vor der Wissenschaft „gut versteckt“ sind. Außerdem schützen sie vermutlich die Wirtsschwämme mit ihren vielen Inhaltsstoffen vor Fischen und anderen Fraßfeinden.
Lebensraum in Schwämmen und im Meerwasser
An der Beschreibung der neuen Bakterien waren der Bielefelder Professor Dr. Jörn Kalinowski und sein Mitarbeiter Dr. Christian Rückert beteiligt. Sie haben vor allem die Genome der Bakterien sequenziert und die Gensequenzen bioinformatisch ausgewertet. „Die Genomanalyse von nicht-kultivierbaren Bakterien stellt höchste Anforderungen an die Sequenzierung und die Bioinformatik“, sagt Kalinowski.
Als nächstes will sich das internationale Forschungsteam unter anderem der Frage widmen, welche Funktionen die Tectobakterien in der Symbiose mit ihrem Wirtsschwamm, aber auch im Ökosystem Korallenriff ausüben. Zudem soll das chemische Arsenal der Bakterien für die Forschung und für mögliche biotechnologische Anwendungen verfügbar gemacht werden.
Originalveröffentlichung:
Micheal C. Wilson, Tetsushi Mori, Christian Rückert, Agustinus R. Uria, Maximilian J. Helf, Kentaro Takada, Christine Gernert, Ursula A. E. Steffens, Nina Heycke, Susanne Schmitt, Christian Rinke, Eric J. N. Helfrich, Alexander O. Brachmann, Cristian Gurgui, Toshiyuki Wakimoto, Matthias Kracht, Max Crüsemann, Ute Hentschel, Ikuro Abe, Shigeki Matsunaga, Jörn Kalinowski, Haruko Takeyama & Jörn Piel: An environmental bacterial taxon with a large and distinct metabolic repertoire, Nature, http://dx.doi.org/10.1038/nature12959, erschienen am 29. Januar 2014.
Kontakt:
Prof. Dr. Jörn Kalinowski, Universität Bielefeld
Centrum für Biotechnologie (CeBiTec)
Telefon: 0521 106-8756
E-Mail: joern.kalinowski@cebitec.uni-bielefeld.de
Dr. Christian Rückert, Universität Bielefeld
Centrum für Biotechnologie (CeBiTec)
Telefon: 0521 106-12252
E-Mail: christian.rueckert@cebitec.uni-bielefeld.de