Pressemitteilungen
Meilenstein in der Behandlung von Speiseröhrenkrebs (Nr. 62/2024)
Wissenschaftler der Universität
Bielefeld verglich mit Team zwei Methoden
Speiseröhrenkrebs ist in
den westlichen Industriestaaten auf dem Vormarsch: Jedes Jahr erkranken
weltweit rund 85.700 Menschen neu an einem Adenokarzinom der Speiseröhre. Bislang
standen zwei etablierte Behandlungsmethoden zur Verfügung – doch welche davon
die bessere ist, war unklar. Das hat Professor Dr. Jens Höppner, Leiter der
Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Universitätsklinikum
OWL – Campus Lippe der Universität Bielefeld, mit einem interdisziplinären Team
nun in einer Studie untersucht. Das Ergebnis dieser Studie könnte die
Leitlinien für die Behandlung von Speiseröhrenkrebs weltweit verändern.
Die
ESOPEC-Studie, die in einem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft
durchgeführt wurde, hatte das Ziel, zwei gängige Therapiemethoden direkt zu
vergleichen. Beteiligt daran waren 25 auf Krebs spezialisierte Einrichtungen in
Deutschland. „Grundsätzlich lässt sich der Krebs nur durch eine Operation
heilen, wenn er noch nicht gestreut hat“, sagt Höppner, der die Studie geleitet
hat. „Die Heilungschancen steigen jedoch erheblich, wenn die Operation mit
zusätzlichen Therapien kombiniert wird.“
Übergewicht als Risikofaktor
Untersucht
wurden in der Studie sogenannte Adenokarzinome. Diese Krebsart entsteht im
unteren Teil der Speiseröhre am Übergang zum Magen und entwickelt sich aus
Drüsengewebe. Ausgelöst wird diese Krebsart vor allem dadurch, dass Säure aus
dem Magen aufsteigt und die Speiseröhre reizt. Daraus können sich
Zellveränderungen und schließlich auch Krebs entwickeln. Übergewicht, bei dem
Magensäure in die Speiseröhre gedrückt wird, gilt als einer der
Hauptrisikofaktoren. Auch Rauchen, Alkohol und eine fettreiche Ernährung
erhöhen das Risiko. „Die Häufigkeit dieser Krebsform hat sich in den letzten 30
Jahren versiebenfacht“, so Höppner.
Vergleich zweier Methoden
Die
ESOPEC-Studie verglich zwei Behandlungsmethoden: eine Kombination aus
Chemotherapie und Strahlentherapie vor der Operation („CROSS“) und eine
Chemotherapie sowohl vor als auch nach der Operation („FLOT“), die auch als
perioperative Chemotherapie bezeichnet wird. „Beide Methoden sind besser als
eine alleinige Operation“, betont Höppner. „Bislang galten beide Ansätze als
gleichwertig, aber wir sind die ersten, die eine solche vergleichende Studie
durchgeführt haben.“
Zwischen
2016 und 2020 nahmen 438 Patientinnen und Patienten aus ganz Deutschland an der
Studie teil. Der Krebs hatte sich bei ihnen noch nicht ausgebreitet. Bis 2023
wurde nachverfolgt, wie viele Personen einen Rückfall erlitten und wie viele an
der Krankheit gestorben waren. „Wir haben ein klares Ergebnis erzielt“, sagt
Höppner. Betroffene, die vor und nach der Operation eine
Chemotherapie erhalten hatten, lebten im Durchschnitt 66 Monate – ganze 29
Monate länger als diejenigen, die nur vor der Operation eine Chemo- und
Strahlentherapie erhalten hatten. Dies entspricht einem rund 30 Prozent
niedrigeren Sterberisiko. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die perioperative
Chemotherapie die Überlebenschancen bei Speiseröhrenkrebs erheblich
verbessert.“
Auswirkung auf Leitlinien erwartet
Die
Ergebnisse der ESOPEC-Studie präsentierte Professor Höppner kürzlich auf der Plenarsitzung
der ASCO-Jahrestagung in den USA, der weltweit wichtigsten Onkologie-Konferenz,
die von der American Society of Clinical Oncology (ASCO) organisiert wird, vor
10.000 Zuhörerenden. „Ich erwarte, dass die nationalen und internationalen
Leitlinien für die Behandlung von Speiseröhrenkrebs angepasst werden“, so der
Chirurg. „Die Einführung der perioperativen Chemotherapie als
Standardbehandlung wird die Heilungschancen vieler Patienten verbessern und
ihnen mehr Lebenszeit schenken.“
Es
wird am Universitätsklinikum OWL intensiv zu Speiseröhrenkrebs geforscht. Professor
Dr. Jens Höppner leitet eine weitere deutschlandweite Studie des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung. „Bei etwa 20 Prozent der
Patientinnen und Patienten werden nach der Vorbehandlung mit Chemotherapie oder
Strahlentherapie keine Krebszellen mehr gefunden“, sagt er. „Wir wollen in der
Studie herausfinden, ob wir diesen Patientinnen und Patienten eine belastende
Operation ersparen können.“ Interessierte können sich bei Professor Höppner
melden, um an dieser Studie teilzunehmen.
Weitere Informationen:
Originalveröffentlichung:
Jens Hoeppner, Thomas Brunner, Florian Lordick, et al.: Prospective randomized multicenter phase III trial comparing perioperative chemotherapy (FLOT protocol) to neoadjuvant chemoradiation (CROSS protocol) in patients with adenocarcinoma of the esophagus (ESOPEC trial), erschienen im Journal of Clinical Oncology, Volume 42, Number 17_suppl, https://doi.org/10.1200/JCO.2024.42.17_suppl.LBA1