Pressemitteilungen
Geheimnisse des Nachtigallen-Gesangs aufgeklärt (Nr. 46/2009)
Weibliche Nachtigallen gehen nachts auf Partnersuche
Forscher der Universität Bielefeld, der Universität Basel und des Netherlands Institute of Ecology haben aufgedeckt, dass paarungswillige Nachtigallenweibchen in den Stunden nach Mitternacht singende Männchen in deren Revier aufsuchen. Das erklärt, warum männliche Nachtigallen auch nachts singen. Hingegen dient der Morgengesang der Männchen offenbar dazu, das Revier gegen andere Männchen zu verteidigen. Die Studie wurde im März vom Fachmagazin "Proceedings of the Royal Society B" publiziert.
Im Frühjahr singen die Männchen unserer Singvögel um die Wette. Nach Darwins Theorie der sexuellen Selektion dient der Vogelgesang entweder dazu, Weibchen anzulocken oder andere Männchen abzuschrecken. Der Fokus der Forschung lag dabei lange Zeit auf dem Gesangsverhalten der Männchen; über das Verhalten der Weibchen während ihrer Partnerwahl ist sehr wenig bekannt. Zwischen der Ankunft aus dem Winterquartier und dem Nestbau liegen bei einem Zugvogel wie der Nachtigall oft nur wenige Tage. Verhaltensforscher konnten deswegen bisher meist nur feststellen, bei welchem Männchen ein Weibchen letztlich gelandet ist, ohne zu wissen, wann und wie das Weibchen seine Wahl getroffen hat.
Die Teams um Prof. Dr. Marc Naguib (Universität Bielefeld/Netherlands Institute of Ecology) und Dr. Valentin Amrhein (Universität Basel) haben jetzt das Verhalten weiblicher Nachtigallen während der Partnersuche aufgedeckt. Kurz nach der Ankunft im Brutgebiet wurden zehn Weibchen in der Gegend von Colmar (F) gefangen und in die Petite Camargue Alsacienne transportiert, einem Naturschutzgebiet nördlich von Basel, in dem ein privater Schweizer Verein eine Forschungsstation betreibt.
Singen, bis das Weibchen kommt
Die Weibchen wurden mit einem Radiotelemetrie-Sender ausgestattet und zwei Tage und Nächte beobachtet. Während die Nachtigallendamen tagsüber an Ort und Stelle blieben, legten sie zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens bis zu sechs Kilometer zurück. Vier Forscher waren nachts damit beschäftigt, je ein herumfliegendes Weibchen mit Hilfe von Fahrrädern und tragbaren Telemetrie-Antennen zu verfolgen. Die Weibchen besuchten während ihrer nächtlichen Ausflüge mehrere singende Männchen und verpaarten sich nach ein bis drei Nächten mit einem der besuchten Männchen.
Das Verhalten der Weibchen kann erklären, warum männliche Nachtigallen nicht nur tagsüber, sondern auch nachts singen. Aus früheren Arbeiten der Forscher war bekannt, das nur unverpaarte Männchen nachts singen und direkt nach der Verpaarung damit aufhören. Dies war ein erster Hinweis darauf, dass der berühmte Nachtgesang der Nachtigall zur Anlockung von Weibchen dient, was jetzt durch das Wahlverhalten der Weibchen bestätigt wurde.
In einer früheren Studie der Forscher wurden auch männliche Nachtigallen mittels Radiotelemetrie bei der Reviersuche beobachtet. Anders als die Weibchen blieben die Männchen nachts stationär und machten nur in der Stunde vor Sonnenaufgang Erkundungsflüge. Das erklärt, warum genau wie bei anderen Singvogelarten männliche Nachtigallen morgens am meisten singen, egal ob sie verpaart oder unverpaart sind. Während nachts um die Weibchen gesungen wird, dient der Morgengesang der Nachtigall offenbar dazu, das Revier gegen reviersuchende Männchen zu verteidigen. Dies ist der erste bekannte Fall einer Vogelart, bei der die Partnersuche der Weibchen und die Revierwahl der Männchen zu unterschiedlichen Tageszeiten stattfindet.
Originalbeitrag:
Tobias Roth, Philipp Sprau, Rouven Schmidt, Marc Naguib and Valentin Amrhein,
"Sex-specific timing of mate searching and territory prospecting in the nightingale: nocturnal life of females" in: Proceedings of the Royal Society B, published online before print March 4, 2009, | doi:10.1098/rspb.2008.1726
Kontakt:
Prof. Dr. Marc Naguib
Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld/
Netherlands Institute of Ecology (NIOO-KNAW)
Email: m.naguib@nioo.knaw.nl
Tel: +31 (0)26 / 4791 255
Dr. Valentin Amrhein
Universität Basel, Zoologisches Institut / Petite Camargue Alsacienne
Tel. 07621 / 1623039
E-Mail: v.amrhein@unibas.ch