Pressemitteilungen
Forschung in der Schwerelosigkeit
ARTiFACTS-Studie bei der Parabelflugkampagne des DLR abgeschlossen
Im Rahmen der 44. Parabelflugkampagne der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurde vom 11. bis 13. Juni 2025 das Forschungsprojekt ARTiFACTS erfolgreich durchgeführt. Bei den Flugmanövern werden die Bedingungen der Schwerelosigkeit simuliert, vergleichbar mit dem Zustand im All. Professor Dr. Dr. Urs-Vito Albrecht und Annabelle Mielitz der Medizinischen Fakultät OWL waren bei der diesjährigen Kampagne mit an Bord. Im Rahmen der Studie haben sie die nahezu vollständige Schwerelosigkeit selbst erfahren und so gravitationsbedingte Störsignale bei der Messung von Herzfunktionen untersucht – ein Thema mit besonderer Relevanz für die gesundheitliche Überwachung bei zukünftigen Weltraummissionen.
Bei Herzfunktionsmessungen kann es zu Störsignalen kommen, die die Ergebnisse verfälschen. Sie entstehen, wenn die messenden Sensoren unter Schwerkraft durch den Herzschlag kippen – ein Problem, das unter Schwerelosigkeit nicht vorkommt. Dieser Zustand ohne Gravitationseinfluss, der eigentlich nur im Weltall herrscht, kann innerhalb sogenannter Parabelflüge simuliert werden. Seit 1999 organisiert die Deutsche Raumfahrtagentur regelmäßig eigene Parabelflugkampagnen für biologische, humanphysiologische, physikalische, technologische und materiawissenschaftliche Experimente von deutschen Forschungseinrichtungen. An Bord der diesjährigen Flugserie waren Professor Dr. Dr. Urs-Vito Albrecht und Annabelle Mielitz der Arbeitsgruppe „Digitale Medizin“ von der Medizinischen Fakultät OWL.
ARTiFACTS: Ursachen von Messstörungen im Fokus
Im Rahmen des Experiments ARTiFACTS (Identifikation gravitationsbedingter Artefakte ballistokardiographischer Signale im Vergleich Schwerelosigkeit und bei normaler Gravitation) haben sie gemeinsam mit Forscher*innen der Technischen Universität Hamburg (TUHH) untersucht, wie genau die gravitationsbedingten Störsignale bei der Messung von Herzfunktionen 2/3 entstehen. Während der dreitägigen Parabelflugkampagne auf dem Forschungsflugzeug Airbus A310 ZERO-G, organisiert und gefördert durch das DLR in Kooperation mit Novespace, wurden das vierköpfige Forschungsteam mit sogenannten 6-DOF-Sensoren ausgestattet. Diese Sensoren messen sowohl lineare Beschleunigungen als auch Winkelgeschwindigkeiten und wurden am Brustbein und an der Herzspitze angebracht. Zusätzlich kam wurde ein EKG zum Einsatz. Um externe Bewegungen zu kontrollieren, wurde ein Referenzsensor am Boden des Flugzeugs genutzt.
Zur Durchführung der Untersuchungen in der Schwerelosigkeit kam unter anderem auch eine neuartige Sensortechnologie zum Einsatz: Das sogenannte „SpacePatch“ ist besonders klein, leicht und strahlungsresistent und kann dauerhaft an Haut oder Kleidung befestigt werden. Damit bietet es das Potenzial für nicht-invasive und verlässliche Herzüberwachung bei Langzeitmissionen, etwa zum Mond oder Mars und für die Verlaufsbeobachtung der Herzschwäche auf der Erde. „Wir sind mit dem Verlauf des Experiments sehr zufrieden. Die gewonnen Erkenntnisse leisten einen wichtigen Beitrag unserer Forschung an unaufdringlichen, autonomen Systemen zur Gesundheitsüberwachung von Astronaut*innen – und genauso von Patient*innen auf der Erde, die auf eine kontinuierliche Gesundheitsüberwachung angewiesen sind.“, betont Prof. Albrecht.
Ein einzigartiges Forschungserlebnis in Schwerelosigkeit
Während jeder der 31 Parabeln pro Flugtag herrschten rund 22 Sekunden lang Schwerelosigkeit – insgesamt also etwa 35 Minuten pro Flug. Diese Phase wurde dann flankiert von Phasen geringer, normaler und erhöhter Erdbeschleunigung. Diese besonderen Bedingungen des Fluges machen diese Methodik zu einer einzigartigen Möglichkeit, gravitationsbedingte Einflüsse auf medizinische Messungen systematisch zu erfassen und zu analysieren. Frau Mielitz beschreibt Ihre Erfahrung so: „Es war ein unglaubliches Gefühl, die Schwerelosigkeit selbst zu erleben. Plötzlich gab es kein Oben und kein Unten mehr und ich schwebte. Das war vollkommen aufregend, großartig und insbesondere unglaublich beeindruckend – ein totaler Perspektivwechsel. Dass ich als junge Wissenschaftlerin Teil dieses Forschungsteams sein durfte, war nicht nur eine große Ehre, sondern auch eine Erfahrung, die mich persönlich und fachlich enorm bereichert hat.“
Geleitet wurde die Studie von Professor Dr.-Ing. Ulf Kulau von der Technischen Universität Hamburg. Als Co-Projektleiter beteiligte sich Professor Dr. Dr. Urs-Vito Albrecht, Leiter der AG Digitale Medizin, Medizinische Fakultät OWL der Universität Bielefeld. Zum Team gehörten außerdem Annabelle Mielitz, ebenfalls aus dem Bereich Digitale Medizin und Kazi Rahman (TUHH).
Das Bildmaterial ist hier abrufbar.