Pressemitteilungen
Erste Juristische Staatsprüfung erstmals barrierefrei
Bielefelder Barrierefreie Gesetzessammlung ermöglicht Chancengleichheit
Erstmals wurde am Justizprüfungsamt bei dem Oberlandesgericht Hamm eine Staatliche Pflichtfachprüfung in einer vollständig barrierefreien Prüfungsform durchgeführt. Zwei blinde Studierende der Universität Bielefeld und der Universität Münster legten gestern die Prüfungen ab. Grundlage war die Bielefelder Barrierefreie Gesetzessammlung: eine digitale Anwendung, die es sehbeeinträchtigten Prüflingen ermöglicht, Gesetzestexte selbstständig zu nutzen – ohne Unterstützung durch eine Vorlesekraft. Entwickelt wurde das System am rechtswissenschaftlichen Lehrstuhl von Professorin Dr. Marie Herberger in Zusammenarbeit mit der Zentralen Anlaufstelle Barrierefrei (ZAB) der Universität Bielefeld sowie dem Justizprüfungsamt bei dem Oberlandesgericht Hamm.
Herzstück der barrierefreien Lösung ist die Bielefelder Barrierefreie Gesetzessammlung, ein speziell entwickeltes digitales Gesetzbuch, das sich durch Screenreader vorlesen lässt oder mit einer Braillezeile taktil genutzt werden kann. Damit entfällt die bislang übliche Assistenz: eine Person, die den Prüflingen die gedruckten Gesetzestexte vorgelesen hat – ein entscheidender Fortschritt für die Selbstständigkeit und Chancengleichheit blinder Studierender.
Mit der Bielefelder Barrierefreien Gesetzessammlung setzen wir neue Maßstäbe für eine inklusive juristische Ausbildung. Die erfolgreiche Prüfung zeigt, dass digitale barrierefreie Lösungen auch in der Staatlichen Pflichtfachprüfung praktikabel sind“, betont Professor Dr. Marie Herberger, Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht, Methodenlehre, Recht der Digitalisierung und Legal Tech, die an der Erstellung der Bielefelder Barrierefreien Gesetzessammlung wesentlich beteiligt war.
Bundesweite Bedeutung und Vorbildcharakter
Die innovative Lösung wurde zunächst im Rahmen des Nachteilsausgleichsverfahrens für zwei blinde Studierende an der Universität Bielefeld entwickelt, eröffnet aber Perspektiven für eine bundesweite Umsetzung der barrierefreien Prüfung. Bereits jetzt gibt es Anfragen aus anderen Universitäten, wie der Universität Münster.
„Wir freuen uns, dass das Justizprüfungsamt bei dem Oberlandesgericht Hamm hier als Vorreiter agiert und eine wegweisende Prüfungsform ermöglicht hat. Dies ist ein wichtiger Schritt, um das juristische Staatsexamen inklusiver zu gestalten“, so Michael Johannfunke, Koordinator der ZAB, Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und Beauftragter für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung an der Universität Bielefeld.
Obwohl einzelne Bundesländer bereits Maßnahmen zu digitalen Prüfungen ergriffen haben, ist das Konzept der barrierefreien digitalen Gesetzessammlung in dieser Form wegen der Barrierefreiheit ein Alleinstellungsmerkmal der Universität Bielefeld. Der Einsatz dieser Gesetzessammlung in einer Prüfung markiert damit einen bedeutenden Fortschritt in der rechtlichen Ausbildung blinder Studierender.
Chancengleichheit als essenzieller Bestandteil der Bildung
Die Möglichkeit, Prüfungen barrierefrei abzulegen, ist ein zentraler Baustein für echte Chancengleichheit im Bildungsbereich. Gerade im juristischen Studium, das stark auf präzise Textarbeit angewiesen ist, dürfen körperliche Beeinträchtigungen nicht zum Nachteil werden. Die barrierefreie Prüfungsform zeigt, dass digitale Lösungen eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen und Barrieren effektiv abbauen können. Die Universität Bielefeld wird sich auch in Zukunft für eine inklusive Hochschulbildung einsetzen und innovative Wege zur Förderung von Studierenden mit Behinderung entwickeln.
Weitere Informationen:
Das Bildmaterial ist hier abrufbar.