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Pressemitteilungen
Veröffentlicht am
31. Januar 2018
Kategorie:
Forschung & Wissenschaft
„Drei Kulturen politischer Bildung an deutschen Schulen“ (Nr.14/2018)
Sozialwissenschaftler der Universität Bielefeld erstellen Ranking
Gymnasiasten in Hessen und Schleswig-Holstein haben acht Mal mehr Zeit für politische Bildung in der Schule als Schülerinnen und Schüler an Gymnasien in Bayern. Das ist ein Ergebnis im erstmals erstellten „Ranking Politische Bildung 2017“ von Professor Dr. Reinhold Hedtke und Mahir Gökbudak von der Universität Bielefeld. Der Stellenwert politischer Bildung in der Sekundarstufe I im Bundesländervergleich ist laut der Studie so unterschiedlich, dass die Forscher von drei unterschiedlichen Kulturen politischer Bildung in Deutschland sprechen. Sie veröffentlichen das Ranking am heutigen Mittwoch (31.01.2018). Im Video fasst Professor Dr. Reinhold Hedtke die Kernergebnisse der Studie zusammen.
Die Bielefelder Sozialwissenschaftler haben die Bedeutung des Leitfachs für die politische Bildung in allen 16 Bundesländern an Gymnasien und nicht-gymnasialen Schulformen in der Sekundarstufe I anhand von Stundentafeln verglichen. In diesen wird festgehalten, wie viele Un-terrichtsstunden laut Schul- und Bildungspolitik des jeweiligen Bundeslandes auf welches Fach in der Schule entfallen. „So konnten wir den prozentualen Anteil politischer Bildung an den Gesamtwochenstunden in den Klassenstufen ermitteln und erstmalig ein Gesamtbild für alle Bundesländer skizzieren“, sagt Professor Dr. Reinhold Hedtke.
Zunächst verglichen die Wissenschaftler die Stundentafeln zu politischer Bildung separat für Gymnasien und nicht-gymnasiale Schulformen. „Gerade an Gymnasien sehen wir extreme Unterschiede“, sagt Hedtke. Hessen und Schleswig-Holstein bilden die Spitzengruppe im Ranking, sehen also im Vergleich viel Lernzeit für politische Bildung vor. Den Gegensatz bilden Bayern und Thüringen mit sehr wenigen Stundenanteilen für das Leitfach. An Gymnasien in Bayern werden beispielsweise nicht einmal ein Viertel der Stunden für politische Bildung gegeben, die durchschnittlich in allen anderen Bundesländern erteilt werden. Diese großen Unterschiede deuten die Bielefelder Wissenschaftler als „drei verschiedene Kulturen politischer Bildung“. Hedtke dazu: „Während die Bedeutung von politischer Bildung in einigen Bundesländern anerkannt wird, wird sie in anderen offensichtlich vernachlässigt. Dazwischen liegen Länder mit einer Kultur der Mittelmäßigkeit.“
Die Unterschiede bei nicht-gymnasialen Schulformen sind laut der Bielefelder Studie geringer. Im Ländervergleich geben Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein dem Leitfach der politischen Bildung einen größeren Anteil an der Stundentafel als andere Bundesländer. Hedtke hebt jedoch hervor, dass das ausschließlich die Stundenanzahl betrifft, aber nichts über die inhaltli-che Qualität und tatsächliche Umsetzung in den jeweiligen Bundesländern aussagt. Hier gibt es deutliche Unterschiede. Dies zeigt eine weitere kürzlich veröffentlichte Länderstudie von Hedtke und Gökbudak für NRW. Im Lehrplan für das Leitfach der politischen Bildung sind im engeren Sinne politische Inhalte vergleichsweise schwach verankert. Beispielsweise hat Politik im gymnasialen Fach „Politik/Wirtschaft“ einen Anteil von weniger als einem Drittel der obligatorischen Themen. Die tatsächliche Situation der politischen Bildung in einem Bundesland kann also deut-lich schlechter sein, als es sein vergleichsweise guter Rangplatz nach Stundentafelanteilen vermuten lässt.
Für das Gesamtranking verglichen die Forscher alle Schulformen in allen Bundesländern. Hier bilden Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein die Spitzengruppe. Nach einer Gruppe der „ambitionierten“ Länder Brandenburg, Niedersachsen und Bremen folgt das Mittelfeld mit Baden-Württemberg und dem Saarland. Unterdurchschnittlich schneiden Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt ab. In Bayern, Thüringen und Berlin steht politische Bildung in der Sekundarstufe I am seltensten auf dem Stundenplan.
Auch die Bedeutung politischer Bildung in den einzelnen Klassenstufen untersuchten die Bielefelder Forscher. Sie ermittelten einen Mangel gerade in den Jahrgangsstufen 5 und 6 an Gymnasien: „Dort ist ein Schulfach für die politische Bildung nur in jedem vierten Bundesland vorgesehen, in den Jahrgangsstufen 7 und 8 zumindest in zwei Drittel der Länder“, sagt Mahir Gökbudak. „Erst im letzten Jahr der Sekundarstufe I taucht das Fach im Stundenplan aller Schülerinnen und Schüler an Gymnasien in allen Bundesländern auf“, so Gökbudak.
„Das Ranking leistet einen wichtigen Beitrag zur Transparenz der Politik der Landesregierungen im Feld der politischen Bildung“, sagt Professor Dr. Reinhold Hedtke zur Studie und ergänzt: „Auch wenn die Form eines Rankings die komplexe Realität auf einen Indikator reduziert, so zeigt es doch die großen Unterschiede im bildungspolitischen Willen, der in den Stundentafeln in Form von Schulfächern und deren Wochenstunden zum Ausdruck kommt.“ Geplant sind weitere Rankings für 2018 und 2019.
Originalveröffentlichung:
Gökbudak M., Hedtke R.,: Ranking Politische Bildung 2017. Social Science Education Working Papers. Link: https://pub.uni-bielefeld.de/publication/2917005
Weitere Informationen:
• Pressemitteilung „Studie: 17 Minuten pro Schulwoche für politische Themen“ (11.12.2017),
Link: uni-bielefeld.de/blog/pressemitteilungen/entry/studie_17_minuten_pro_schulwoche
• Youtube-Video: Prof. Dr. Reinhold Hedtke zu den überraschendsten Ergebnissen des Rankings Politische Bildung 2017, Link: https://youtu.be/Ai1Y-Kjg-M4
Kontakt:
Professor Dr. Reinhold Hedtke, Universität Bielefeld
Fakultät für Soziologie
Telefon: 0521 106-3985
E-Mail: reinhold.hedtke@uni-bielefeld.de
Das Foto ist im Internet abrufbar unter:
www.uni-bielefeld.de/ kommunikation/medien-news | Pressemitteilungen | Pressemitteilung Nr. 14/2018
Gymnasiasten in Hessen und Schleswig-Holstein haben acht Mal mehr Zeit für politische Bildung in der Schule als Schülerinnen und Schüler an Gymnasien in Bayern. Das ist ein Ergebnis im erstmals erstellten „Ranking Politische Bildung 2017“ von Professor Dr. Reinhold Hedtke und Mahir Gökbudak von der Universität Bielefeld. Der Stellenwert politischer Bildung in der Sekundarstufe I im Bundesländervergleich ist laut der Studie so unterschiedlich, dass die Forscher von drei unterschiedlichen Kulturen politischer Bildung in Deutschland sprechen. Sie veröffentlichen das Ranking am heutigen Mittwoch (31.01.2018). Im Video fasst Professor Dr. Reinhold Hedtke die Kernergebnisse der Studie zusammen.
Die Bielefelder Sozialwissenschaftler haben die Bedeutung des Leitfachs für die politische Bildung in allen 16 Bundesländern an Gymnasien und nicht-gymnasialen Schulformen in der Sekundarstufe I anhand von Stundentafeln verglichen. In diesen wird festgehalten, wie viele Un-terrichtsstunden laut Schul- und Bildungspolitik des jeweiligen Bundeslandes auf welches Fach in der Schule entfallen. „So konnten wir den prozentualen Anteil politischer Bildung an den Gesamtwochenstunden in den Klassenstufen ermitteln und erstmalig ein Gesamtbild für alle Bundesländer skizzieren“, sagt Professor Dr. Reinhold Hedtke.
Zunächst verglichen die Wissenschaftler die Stundentafeln zu politischer Bildung separat für Gymnasien und nicht-gymnasiale Schulformen. „Gerade an Gymnasien sehen wir extreme Unterschiede“, sagt Hedtke. Hessen und Schleswig-Holstein bilden die Spitzengruppe im Ranking, sehen also im Vergleich viel Lernzeit für politische Bildung vor. Den Gegensatz bilden Bayern und Thüringen mit sehr wenigen Stundenanteilen für das Leitfach. An Gymnasien in Bayern werden beispielsweise nicht einmal ein Viertel der Stunden für politische Bildung gegeben, die durchschnittlich in allen anderen Bundesländern erteilt werden. Diese großen Unterschiede deuten die Bielefelder Wissenschaftler als „drei verschiedene Kulturen politischer Bildung“. Hedtke dazu: „Während die Bedeutung von politischer Bildung in einigen Bundesländern anerkannt wird, wird sie in anderen offensichtlich vernachlässigt. Dazwischen liegen Länder mit einer Kultur der Mittelmäßigkeit.“
Die Unterschiede bei nicht-gymnasialen Schulformen sind laut der Bielefelder Studie geringer. Im Ländervergleich geben Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein dem Leitfach der politischen Bildung einen größeren Anteil an der Stundentafel als andere Bundesländer. Hedtke hebt jedoch hervor, dass das ausschließlich die Stundenanzahl betrifft, aber nichts über die inhaltli-che Qualität und tatsächliche Umsetzung in den jeweiligen Bundesländern aussagt. Hier gibt es deutliche Unterschiede. Dies zeigt eine weitere kürzlich veröffentlichte Länderstudie von Hedtke und Gökbudak für NRW. Im Lehrplan für das Leitfach der politischen Bildung sind im engeren Sinne politische Inhalte vergleichsweise schwach verankert. Beispielsweise hat Politik im gymnasialen Fach „Politik/Wirtschaft“ einen Anteil von weniger als einem Drittel der obligatorischen Themen. Die tatsächliche Situation der politischen Bildung in einem Bundesland kann also deut-lich schlechter sein, als es sein vergleichsweise guter Rangplatz nach Stundentafelanteilen vermuten lässt.
Für das Gesamtranking verglichen die Forscher alle Schulformen in allen Bundesländern. Hier bilden Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein die Spitzengruppe. Nach einer Gruppe der „ambitionierten“ Länder Brandenburg, Niedersachsen und Bremen folgt das Mittelfeld mit Baden-Württemberg und dem Saarland. Unterdurchschnittlich schneiden Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt ab. In Bayern, Thüringen und Berlin steht politische Bildung in der Sekundarstufe I am seltensten auf dem Stundenplan.
Auch die Bedeutung politischer Bildung in den einzelnen Klassenstufen untersuchten die Bielefelder Forscher. Sie ermittelten einen Mangel gerade in den Jahrgangsstufen 5 und 6 an Gymnasien: „Dort ist ein Schulfach für die politische Bildung nur in jedem vierten Bundesland vorgesehen, in den Jahrgangsstufen 7 und 8 zumindest in zwei Drittel der Länder“, sagt Mahir Gökbudak. „Erst im letzten Jahr der Sekundarstufe I taucht das Fach im Stundenplan aller Schülerinnen und Schüler an Gymnasien in allen Bundesländern auf“, so Gökbudak.
„Das Ranking leistet einen wichtigen Beitrag zur Transparenz der Politik der Landesregierungen im Feld der politischen Bildung“, sagt Professor Dr. Reinhold Hedtke zur Studie und ergänzt: „Auch wenn die Form eines Rankings die komplexe Realität auf einen Indikator reduziert, so zeigt es doch die großen Unterschiede im bildungspolitischen Willen, der in den Stundentafeln in Form von Schulfächern und deren Wochenstunden zum Ausdruck kommt.“ Geplant sind weitere Rankings für 2018 und 2019.
Originalveröffentlichung:
Gökbudak M., Hedtke R.,: Ranking Politische Bildung 2017. Social Science Education Working Papers. Link: https://pub.uni-bielefeld.de/publication/2917005
Weitere Informationen:
• Pressemitteilung „Studie: 17 Minuten pro Schulwoche für politische Themen“ (11.12.2017),
Link: uni-bielefeld.de/blog/pressemitteilungen/entry/studie_17_minuten_pro_schulwoche
• Youtube-Video: Prof. Dr. Reinhold Hedtke zu den überraschendsten Ergebnissen des Rankings Politische Bildung 2017, Link: https://youtu.be/Ai1Y-Kjg-M4
Kontakt:
Professor Dr. Reinhold Hedtke, Universität Bielefeld
Fakultät für Soziologie
Telefon: 0521 106-3985
E-Mail: reinhold.hedtke@uni-bielefeld.de
Das Foto ist im Internet abrufbar unter:
www.uni-bielefeld.de/ kommunikation/medien-news | Pressemitteilungen | Pressemitteilung Nr. 14/2018