Pressemitteilungen
Angst, Anfall und Dissoziation (Nr. 223/2004)
Die interdisziplinäre Forschungsgruppe "Kommunikative Darstellung und klinische Repräsentation von Angst" veranstaltet vom 6. bis 8. Januar 2005 im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld ihre Abschlusstagung zum Thema "Angst, Anfall und Dissoziation".
Im Mittelpunkt der von Jörg Bergmann und Elisabeth Gülich (beide Universität Bielefeld), Martin Schöndienst und Friedrich Wörmann (beide Epilepsie-Zentrum Bethel) geleiteten Tagung stehen die in der Gruppe erarbeiteten Wechselbeziehungen zwischen linguistischen und gesprächsanalytischen sowie klinischen Dimensionen von Krankheit, Persönlichkeit und narrativer Identität. Während in den aktuellen Klassifikationen von Krankheiten der Subjektivität des Krankheitserlebens und den individuellen Krankheitstheorien nur mehr eine marginale Rolle zukommt, ist das Interesse der Kooperationsgruppe ausdrücklich darauf gerichtet, die Analysen von Arzt-Patient-Gesprächen als Grundlage einer Phänomenologie von Krankheiten zu nutzen. Diese kann sich an den Verfahren orientieren, mittels derer die Patienten bestimmte Aspekte ihrer Erkrankung als wichtig oder bedeutsam markieren. Solche konversationellen Relevanzmarkierungen, die allerdings oft implizit bleiben und daher im Gespräch leicht überhört werden können, lassen sich anhand aufgezeichneter Gespräche exemplarisch herausarbeiten.
Grundlage der Arbeit in der Kooperationsgruppe waren Audio- und Videoaufzeichnungen realer Gespräche zwischen Ärzten und Psychologen sowie Patienten. Die Gespräche wurden entweder zu diagnostischen Zwecken durchgeführt oder fanden im Rahmen einer Psychotherapie statt. Weil auch aufgezeichnete Gespräche sehr flüchtig sind und sich nur schwer fassen lassen, wurden sie durch Verschriftung "fixiert". Gegenüber einer bloßen Abschrift oder gar Zusammenfassung der Gespräche zeichnen sich Gesprächstranskripte dadurch aus, dass in ihnen auch kleinste und zunächst nebensächlich scheinende Details der Sprechweise und des kommunikativen Verhaltens erfasst werden. Neben bereits vorhandenen Corpora von Gesprächen mit Anfallskranken und von psychotherapeutischen Gesprächen aus vorangegangenen Forschungsprojekten ist für das Kooperationsprojekt eigens ein neues Corpus erhoben worden: Es wurden ausführliche Interviews von Ärztinnen und Ärzten mit Epilepsie-Patienten mit Angst-Auren einerseits und mit Patienten mit Angststörungen andererseits geführt. Sie orientieren sich an einem Leitfaden, der den Patienten im ersten Teil des Gesprächs sehr viel Raum für die Darstellung ihrer subjektiven Empfindungen und Erfahrungen gibt und eigene Relevanzsetzungen ermöglicht und der im zweiten Teil gezielte Fragen nach Ängsten vorsieht. Selbstverständlich wurden die Transkripte anonymisiert, so dass keine Rückschlüsse auf die Identität der Patienten möglich sind.
Sinn der gemeinsamen analytischen Arbeit war es zu erkunden, wo und wie in diesen Aufzeichnungen und Transkripten Ängste oder andere Emotionen gegenwärtig sind - manchmal auch ohne dass sie ausdrücklich benannt werden - und wie sie kommunikativ bearbeitet werden. Die Ergebnisse der Analysen sollen wieder in die kommunikative Praxis des ärztlichen oder psychotherapeutischen Gesprächs einfließen und sich zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken nutzen lassen.
Weitere Informationen erhalten Sie unter: http://www.uni-bielefeld.de/ZIF/AG/2005/01-06-Bergmann.html. Bei inhaltlichen Fragen wenden Sie sich bitte an die Organisatoren: Prof. Dr. Jörg Bergmann (joerg.bergmann@uni-bielefeld.de), Prof. Dr. Elisabeth Gülich (elisabeth.guelich@uni-bielefeld.de), Dr. Martin Schöndienst (msc@mara.de). Tagungsbüro des ZiF, Telefon 0521/106 2769.
Link: http://www.uni-bielefeld.de/ZIF/AG/2005/01-06-Bergmann.html