Medizin
Die Lehren aus der Pandemie
Bielefelder Professorin leitet EU-Expert*innengruppe
Die
Pandemie hat die Menschen in so gut wie allen Bereichen ihres Lebens
tangiert. Einige sind von den pandemiebedingten Einschränkungen jedoch
härter getroffen worden als andere. Eine Expert*innengruppe der
Europäischen Kommission hat sich speziell mit den Auswirkungen von Covid
19 auf die Gleichstellung der Geschlechter in Forschung und Innovation
befasst. Die Bielefelder Professorin Dr. med. Sabine Oertelt-Prigione
leitete diese Sachverständigengruppe, die im Dezember 2021 eingesetzt
wurde. Die Ergebnisse konnten nun in dem Report „Covid 19 impact on
gender equality in research & innovation“ („Auswirkungen von Covid
19 auf die Gleichstellung der Geschlechter in Forschung und Innovation“)
veröffentlicht werden.
„Ziel unserer Arbeit war es den Status Quo aufzuzeigen. Wie ist der bestehende Zustand? Was ist bisher passiert? Daraus sollten Empfehlungen resultieren, wie es zukünftig besser gemacht werden kann“, erklärt Sabine Oertelt-Prigione. Der Bericht hebt in seinen vier Hauptkapiteln insbesondere die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Pandemie auf die akademische Produktivität, den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben hervor. Die 12 Mitglieder des Expert*innen-Teams waren aufgrund ihrer Expertise und wegen ihres Engagements in strukturellen EU-Projekten ausgewählt worden. Untersucht wurden institutionelle Reaktionen auf die pandemiebedingten Veränderungen. Ziel war es auch ungesehene und marginalisierte Erfahrungen in der Wissenschaft aufzuzeigen und Lösungsansätze anzubieten.
Vorteile für bereits gut vernetzte Wissenschaftler*innen
„Gut
etablierte Wissenschaftler*innen hatten die besseren Chancen, ihre
Forschung und Karrieren ohne große Einschränkungen weiterzuführen“, sagt
Oertelt-Prigione: „Aber gerade Frauen, noch dazu mit Care-Verantwortung
für Kinder oder Angehörige, mussten ihre beruflichen Ziele oft
zurückstecken. Auch junge Forschende, die noch kein etabliertes Netzwerk
hatten, waren von der eingeschränkten Mobilität und dem Ausfall von
netzwerkfördernden Veranstaltungen, wie Tagungen und Konferenzen,
ungleich stärker betroffen, als ihre etablierten Kolleg*innen.“ Es werde
Jahre dauern, um diese verpasste Zeit in den wissenschaftlichen
Karrieren wieder aufzuholen, ist sich Oertelt-Prigione sicher. Wenn es
denn überhaupt möglich ist, denn teils notwendige Karriereschritte, wie
beispielsweise Auslandsaufenthalte, könnten eventuell wegen einer nicht
mehr weiter aufzuschiebenden Familienplanung nicht nachgeholt werden.
„Es ist deshalb wichtig für die Zukunft zu klären, wie junge
Wissenschaftler*innen hier unterstützt werden können“, sagt
Oertelt-Prigione.
Ziel ist inklusive Gleichstellungspolitik im Europäischen Forschungsraum
Die
Empfehlungen, die in dem Report ausgesprochen werden, richten sich an
politische Entscheidungsträger*innen auf nationaler und EU-Ebene,
Forschungsförderorganisationen und Forschungseinrichtungen. Sie bieten
den Mitgliedstaaten und Organisationen die Möglichkeit, die Lehren aus
der Pandemie auf die Entwicklung einer inklusiven Gleichstellungspolitik
im Europäischen Forschungsraum anzuwenden. „Es wird immer mehr
Notsituationen geben. Klimawandel, ökonomische Krisen, Kriege – das
System wird immer weiteren Stressoren ausgesetzt sein“, erläutert
Oertelt-Prigione: „Wichtig ist deshalb, dass sich Institutionen intern
damit auseinandersetzen, wie sie sich den Ungleichheiten stellen können
und wie für die Zukunft Instrumente entwickelt werden können, um
Ausgleiche zu schaffen.“
Die Mitglieder der Sachverständigengruppe kamen aus Deutschland, Dänemark, Italien Finnland, Portugal, Israel, Spanien, Ungarn, Belgien und Großbritannien. Im März 2022 nahm die Gruppe ihre Aktivitäten auf, gefolgt von mehreren virtuellen Treffen und einem hybriden Workshop mit Forschung & Innovation-Akteur*innen im Oktober 2022 in Brüssel.
Weitere Informationen:
Website des Amts für Veröffentlichungen der Europäischen Union.
Hier ist der Volltext des Berichts zu lesen.
Kontakt:
Prof’in Dr. Sabine Oertelt-Prigione, Universität Bielefeld
Medizinische Fakultät OWL
Telefon 0521 106-86621
E-Mail: sabine.oertelt-prigione@uni-bielefeld.de