Medizin
Autoimmun-Epilepsie: Mara baut Wissensvorsprung durch neue Forschung aus
Autoimmun-Epilepsie: Mara baut Wissensvorsprung durch neue Forschung aus
Das Krankenhaus Mara ist die größte Einrichtung in Deutschland für die Behandlung von Epilepsien. Patienten profitieren dort auch von der Forschung rund um autoimmun verursachte Anfallsleiden. Die Ergebnisse reichen von neuer Hoffnung bis Heilung.
Die Universitätsklinik für Epileptologie im Krankenhaus Mara in Bielefeld-Bethel versorgt bereits seit 1932 Patienten mit Epilepsie und Anfallsleiden. Pro Jahr werden rund 5.000 Patienten aus ganz Europa behandelt, die auf die einzigartige Expertise in Bethel vertrauen.
„Zu unserem Selbstverständnis gehört auch, neue Therapieansätze zu begründen und uns in Wissenschaft und Forschung zu engagieren“, betont Univ.-Prof. Dr. Christian G. Bien, Direktor der Universitätsklinik für Epileptologie im Krankenhaus Mara.
So wurde im Krankenhaus Mara zum Beispiel 1991 die Epilepsiechirurgie eingeführt und 1997 die erste Klinik für Epilepsie-Rehabilitation eröffnet. Aufbauend auf dieser Tradition liegt ein aktueller Forschungsschwerpunkt auf autoimmun verursachten Anfallsleiden.
Bei einer sogenannten „Autoimmun-Enzephalitis“ greift das Immunsystem das Gehirn hat. „Es kommt zu einer Entzündung des Gehirns, welche sich durch epileptische Anfälle und Gedächtnisstörungen zeigen kann“, erklärt Oberärztin Dr. Anna Rada, die maßgeblich an den aktuellen Forschungsprojekten beteiligt ist.
Besondere Stärke bei chronischen Verläufen
Bereits vor rund zehn Jahren wurde entdeckt, dass viele Patienten durch den Einsatz von Immunmedikamenten wie Kortison in kurzer Zeit von akuten Entzündungen und dadurch ausgelösten Anfällen geheilt werden können. Doch im Krankenhaus Mara fiel auf, dass nicht alle Patienten auf die Therapie ansprachen.
Bei einigen entwickelte sich entgegen allen Hoffnungen eine chronische Epilepsie mit anhaltenden Anfällen. Das Mara-Forschungsteam hat eine entsprechende Definition und Diagnosekriterien für diese chronischen Verläufe erarbeitet und 2023 im Fachjournal „Epilepsia“ veröffentlicht.
„Diese Forschungsergebnisse ermöglichen es, zwischen heilbaren und chronischen Verläufen von autoimmun verursachten Anfallsleiden zu differenzieren und jeweils zielgerichtete Therapien einzuleiten“, erklärt Univ.-Prof. Bien.
Weltweit größte Kohorte mit speziellen Antikörpern
Häufig führt ein Forschungsergebnis zum nächsten Thema: Denn bei vielen Patienten mit chronischem Verlauf wurde über die Labordiagnostik eine Gemeinsamkeit festgestellt: Es wurden sogenannte GAD-Antikörper diagnostiziert, die spezielle Strukturen im Gehirn angreifen.
In einer aktuell veröffentlichten Studie ist es gelungen, diese Form von Epilepsie als eigenständiges Syndrom zu definieren. „Ein zentrales Ergebnis ist, dass diese Patienten trotz der fortbestehenden Anfälle ein vergleichsweise normales Leben führen können. Die Patienten gehen ihrem Beruf nach und ihr kognitiver Zustand verschlechtert sich mit der Zeit nicht “, berichtet Dr. Anna Rada. Ein Ergebnis, das diese Form von anderen Epilepsien unterscheidet und Betroffenen große Hoffnung schenkt.
In die Studie sind von 2011 bis 2022 Daten von gut 80 Patienten eingeflossen – die bislang weltweit größte Kohorte dieser seltenen Erkrankung. „Unsere Stärke ist, dass wir viele Patienten über viele Jahre begleiten und somit auch spezielle Aspekte bei chronischen Verläufen herausarbeiten können“, betont Univ.-Prof. Dr. Christian Bien.
Internationales Renommee
Die Studie wurde im Juli dieses Jahres in der renommierten US-amerikanischen Fachzeitschrift „Neurology: Neuroimmunology & Neuroinflammation“ veröffentlicht. Zudem hat Univ.-Prof. Dr. Christian Bien einen zusammenfassenden Artikel zum aktuellen Stand der Forschung für „Nature Reviews Neurology“ mit verfasst, der ebenfalls in diesem Jahr erschienen ist. „Das ist eine bedeutende Zeitschrift und eine große Ehre“, erklärt er.
Von Bedeutung für Patienten ist auch eine weitere Studie unter Federführung Bethels in Kooperation mit 14 Zentren und Kliniken weltweit aus dem Jahr 2024, in die Daten von knapp 1.000 Patientinnen und Patienten eingeflossen sind. Veröffentlicht wurde diese Studie ebenfalls erstmals in „Neurology: Neuroimmunology & Neuroinflammation“.
Dank ihr dürfen viele Patienten mit einer heilbaren Autoimmun-Epilepsie hoffen, bereits nach drei statt bislang zwölf anfallsfreien Monaten wieder Autofahren zu dürfen. Das ist bei bestimmten diagnostizierten Antikörpern (NMDAR und LGI1) möglich, die stellvertretend für eine schnelle und dauerhafte Heilung stehen.
Erfolge motivieren zur weiteren Forschung
„Ich freue mich sehr darüber, dass wir vielen Patienten heute viel besser helfen können als noch zu Beginn meiner ärztlichen Laufbahn“, sagt Univ.-Prof. Bien. „Mir macht es Freude, an neuen Erkenntnissen mitzuarbeiten, viel zu lernen und die Ergebnisse direkt zum Wohl der Patienten anwenden zu können“, ergänzt Dr. Rada.
Anna Rada wird durch das „Female Clinician Scientist Fellowships“ der Medizinischen Fakultät OWL gefördert, das Chancengerechtigkeit und die Vereinbarkeit von Wissenschaftskarriere und Familie an Hochschulen verbessern soll.
Mit Erfolg – die Mutter von drei Kindern arbeitet und forscht in Teilzeit und ist auf dem Weg zur Habilitation. Und die nächsten Forschungsthemen des Mara-Teams sind bereits in Planung. „Jede neue Erkenntnis trägt zu einer verbesserten Versorgung unserer Patienten bei“, fassen Univ.-Prof. Bien und Dr. Anna Rada ihre Motivation zusammen.