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#saytheirnames: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov
#saytheirnames:
Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov
Es ist nun ein Jahr vergangen. Der 19. Februar. Ein Tag der schmerzhaft im Kalender stehen bleibt. Was hat der Tag mit uns gemacht, nachdem neun Menschen mit einer Migrationsbiographie in einem Shisha Café in Hanau brutal erschossen worden? An dem Ort, wo sie eigentlich sicher und entspannt sein sollten. Ich spreche hier nicht für die Mehrheitsgesellschaft, den weißen, sondern für die Minderheitsgesellschaft. Den sogenannten Menschen mit einer Migrationsgeschichte. Den Anderen. Den sichtbar fremd markierten. Im eigenen Land, in der eigenen Heimat. Dort wo man arbeitet, liebt, lacht, lebt und stirbt.
Ich blicke zurück: „Ben oradaki çocukların hepsini tanıyordum. Hiç biri işsiz güçsüz değildi.“ [„Ich kannte all diese Jugendlichen, die dort waren. Keiner von ihnen war arbeitslos.“] sagt Serpil Temiz, Mutter von dem in Hanau getöteten Ferhat Unvar, vor den Kameras. Dieser Satz hat mich wirklich sehr zum Nachdenken gebracht und lange nicht losgelassen. Ein Satz, der so viel Aussagekraft und so viel Tiefe beinhaltet. Und einiges über unsere Gesellschaft aussagt. Was sagt dieser Kommentar über den sozialen Puls von Deutschland aus? Er lässt darauf schließen, dass in Deutschland Menschen mit einer Migrationsbiographie das Gefühl haben können, hier erst leben (oder besser gesagt überleben) zu dürfen, wenn man arbeitet und als Leistungskraft nützlich ist. Ein paar Tage später nach dem Attentat feierte ein Teil der Nation Karneval, während ein anderer Teil der Nation in tiefer Trauer war. Man denke an die Opfer und ist im Herzen bei den Angehörigen, aber das Feiern wolle man sich nicht verbieten lassen, heißt es. Diese Reaktionen haben meines Erachtens gezeigt, wie unsichtbar die sichtbar Fremden gemacht werden können. Vor allem wenn man mit Rassismus konfrontiert wird.
Am Ende appelliert Serpil Temiz an alle: „Benim çocuğum lütfen boşuna ölmesin. Öbür gençler için sizden gerçekten yardım istiyorum.“ [„Mein Sohn soll bitte nicht für nichts gestorben sein. Ich bitte Sie wirklich um Hilfe für die anderen jungen Leute.“] Liebe Serpil, ich höre dich und ich nehme deinen Appell sehr ernst. Ich wünsche mir von tiefstem Herzen, dass dein Appell, unser Appell, auch dort ankommt, wo Veränderung stattfinden kann: in unserer Gesellschaft.
In einem öffentlichen Brief an die Bundeskanzlerin fordert Serpil Temiz dazu auf, die Namen nicht zu vergessen. „Die Namen müssen in der Schule gelernt werden und auf den Straßen lesbar sein.“ Liebe Serpil, ich werde nicht vergessen und ich werde erinnern. Ich werde ihre Namen sagen: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, und Kaloyan Velkov.
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Anmerkung: Serpil Temiz hat am Geburtstag ihres Sohnes Ferhat Unvar, den 14. November 2020, die Bildungsinitiative ins Leben gerufen: https://www.bildungsinitiative-ferhatunvar.de. Des Weiteren wurde am 6. März 2020 die Initiative 19. Februar Hanau ins Leben gerufen: https://19feb-hanau.org.
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Kommentar von Zeynep Demir (Doktorandin an der Universität Bielefeld)