Abt. Geschichtswissenschaft
Die Fakultät trauert um Prof. Dr. Heinrich Rüthing (5.8.1937-26.7.2017)
Nachruf auf Prof. Dr. Heinrich Rüthing
Mit großer Betroffenheit haben wir erfahren, dass Prof. Dr. Heinrich Rüthing nach längerer Krankheit am 26. Juli 2017 verstorben ist.
Mit Heinrich Rüthing verliert die Universität Bielefeld, die Region Ostwestfalen und die Geschichtswissenschaft einen ihrer prägenden Forscher und Lehrer. Rüthing, am Rande des Paderborner Landes in Lichtenau aufgewachsen, studierte in Münster, Konstanz und Erlangen unter anderem bei Herbert Grundmann und Arno Borst. Als Assistent von Kaspar Elm gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Fakultät für Geschichtswissenschaft an der neu eröffneten Universität Bielefeld. Seine Dissertation über den Karthäuser Heinrich Egher von Kalkar, die Habilitation über „Höxter um 1500“ und seine Arbeiten zu den Böddeker Augustiner-Chorherren setzten Maßstäbe. Gleichzeitig markieren sie drei Forschungsfelder, die Heinrich Rüthing sein Leben lang fesselten und auf die er mit unterschiedlichen Fragestellungen und zeitlichen Fokussierungen immer wieder zurückkam: die monastische Welt des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die Geschichte der vormodernen Stadt und die Region Westfalen.
Dass Geschichtswissenschaft nicht nur im universitären Elfenbeinturm stattfinden darf, sondern die historische Bildung und das historische Argument auch und gerade ihren Platz in der Öffentlichkeit haben, war Rüthing ein wichtiges Anliegen. Das schlug sich in seinem Engagement in den historischen Vereinen der Region, in der Erwachsenenbildung und in Fragen der regionalen Kulturpolitik nieder. Für seine Fakultät wurde er zunehmend zu einer tragenden Säule des akademischen Betriebs. Reinhart Koselleck charakterisierte Heinrich Rüthing im Geleitwort zu seiner Festschrift in Anlehnung an ein Amt im Bielefelder Marienstift einmal als den stucturarius der Fakultät für Geschichtswissenschaft. Er spielte damit auf Rüthings jahrzehntelange Arbeit in Gremien wie der Bibliothekskommission oder den Lehrausschüssen an.
Heinrich Rüthing bleibt über alle wissenschaftlichen Meriten hinaus besonders auch als Mann des gesprochenen Wortes in Erinnerung. In Vorlesungen und Seminaren (in der Prä-Power-Point-Ära durch Ausgabe sorgfältig zusammengeklebter und kopierter „Faszikel“ unterstützt), während aufwendig vorbereiteter Exkursionen, in der Sprechstunde, aber auch im persönlichen Gespräch (etwa während einer Raucherpause mit dem für ihn typischen Zigarillo) gelang es Rüthing immer wieder, Geschichte lebendig werden zu lassen. Er begeisterte und faszinierte, ohne dabei die analytischen und methodischen Ansprüche seiner Zunft zu mindern. Manch einer wurde erst durch ihn zur mittelalterlichen Geschichte bekehrt, fast jedem dürfte die eine oder andere Sentenz des von ihm edierten und ausgiebig auf mittelniederdeutsch zitierten „Bruder Göbel“ im Ohr klingen.
Generationen von Kolleginnen und Kollegen, Studentinnen und Studenten schätzten die Nahbarkeit und Großzügigkeit Rüthings, seine stete Diskussions- und Hilfsbereitschaft, seine Ratschläge oder Hinweise zu historischen Problemen aller Art und nicht zuletzt seine Bereitschaft, auch über Persönliches zu sprechen. Die Abteilung Geschichtswissenschaft wird Heinrich Rüthing wegen all dieser großen und kleinen Dinge in dankbarer Erinnerung behalten.